Eisen & Stahl: ABB und Fraunhofer IPA zeigen, wie die Dekarbonisierung der Schwerindustrie gelingt

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Die Schwerindustrie – inklusive der Eisen- und Stahlproduktion – steht vor einem grundlegenden Wandel: Um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen, müssen die CO2-Emissionen drastisch sinken. Ein Whitepaper von ABB und dem Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung zeigt fünf zentrale Technologien, mit denen die Dekarbonisierung gelingen kann – von Wasserstoff als Brennstoff bis Elektrolichtbogenöfen. So wird die Transformation zur klimaneutralen Stahlproduktion möglich.

Die Verantwortung der Schwerindustrie für den Klimawandel

Die Schwerindustrie steht vor einer enormen Aufgabe: Sie muss ihre Emissionen drastisch senken, um das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens zu erreichen. Eine Schlüsselrolle spielt dabei die Eisen- und Stahlindustrie, die laut jüngsten Schätzungen weltweit für rund fünf Prozent aller Treibhausgasemissionen verantwortlich ist. Mit dem Produktionsvolumen vor Augen überrascht diese Zahl wenig: Im Jahr 2023 wurden rund 1,89 Milliarden Tonnen Stahl weltweit hergestellt – größtenteils aus Primärrohstoffen wie Eisenerz.

Dieser enorme Ressourcenverbrauch geht mit einem hohen Energieeinsatz und entsprechenden CO2-Emissionen einher. Die traditionellen Verfahren zur Stahlerzeugung basieren auf fossilen Energieträgern, insbesondere Koks, der zur Reduktion von Eisenerz verwendet wird. Um die ambitionierten Klimaziele zu erreichen, führt an einer grundlegenden Transformation der Prozesse kein Weg vorbei – die Dekarbonisierung der Stahlindustrie ist zwingend notwendig.

Klimaneutralität in einem energieintensiven Sektor

Die Internationale Energieagentur (IEA) hat bereits 2020 betont, dass die Emissionen der Eisen- und Stahlindustrie bis 2050 um mindestens 50 Prozent sinken müssen. Eine vollständige Reduktion auf Netto-Null soll danach folgen. Doch die Ausgangslage ist schwierig: Die Stahlproduktion zählt zu den energieintensivsten und technisch komplexesten Industrien überhaupt. Gleichzeitig ist sie wirtschaftlich stark mit anderen Branchen wie Automobil, Maschinenbau und Bauwesen verwoben – ein abrupter Wandel wäre riskant.

Damit wird klar: Die Dekarbonisierung muss technologisch machbar, wirtschaftlich tragfähig und schrittweise realisierbar sein. Hier setzt das Whitepaper an, das die ABB-Geschäftseinheit Motion mit dem Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (Fraunhofer IPA) erstellt hat. Es zeigt auf, welche Hebel die Industrie schon heute nutzen kann, um Emissionen zu senken, und welche Technologien morgen den Unterschied machen könnten.

Wie werden Eisen und Stahl traditionell hergestellt?

Die klassische Stahlproduktion basiert auf drei aufeinanderfolgenden Hochtemperaturverfahren:

  • Koksherstellung: In industriellen Koksöfen wird Kohle unter Luftabschluss erhitzt, um flüchtige Bestandteile zu entfernen. Zurück bleibt Koks – ein poröser Kohlenstoffträger mit hoher Reaktivität.
  • Hochofenprozess: Hier wird Eisenerz mithilfe von Koks reduziert. Der Koks dient dabei sowohl als Brennstoff als auch als chemisches Reduktionsmittel.
  • Linz-Donawitz-Verfahren (LD-Verfahren, auch Sauerstoffaufblasverfahren genannt): Das im Hochofen gewonnene Roheisen wird durch Einblasen von Sauerstoff entkohlt – es entsteht Rohstahl.

Diese Verfahren stoßen große Mengen an CO2 aus – teils direkt durch chemische Reaktionen, teils durch die Verbrennung fossiler Energieträger. Wer Stahl klimafreundlich herstellen will, muss also an mehreren Stellen gleichzeitig ansetzen.

5 zentrale Stellschrauben zur Emissionsminderung

Das Whitepaper von ABB und dem Fraunhofer IPA identifiziert fünf technologische Hebel, mit denen sich die Emissionen in der Eisen- und Stahlindustrie signifikant senken lassen.

Einsatz von Elektrolichtbogenöfen
Elektrolichtbogenöfen (Electric Arc Furnace, EAF) ermöglichen die Herstellung von Stahl durch das Einschmelzen von Stahlschrott – ganz ohne Hochofen. Wird der Ofen mit Strom aus erneuerbaren Quellen betrieben, sinkt der CO2-Fußabdruck drastisch. Dieses Verfahren ist bereits heute weit verbreitet, vor allem in Regionen mit gut ausgebauter Recyclinginfrastruktur. In Deutschland liegt die Quote aktuell bei ungefähr 90 Prozent.

Direktreduktion von Eisenerz bei niedrigeren Temperaturen
Verfahren wie die wasserstoffbasierte Direktreduktion (H-DR) senken nicht nur die Temperaturen, sondern vermeiden auch den Einsatz von Koks. Wasserstoff übernimmt dabei die Rolle des Reduktionsmittels – statt CO2 entsteht nur Wasserdampf. Wird das Verfahren mit grünem Wasserstoff betrieben (Wasserstoff, der unter Verwendung von erneuerbaren Energiequellen erzeugt wird), entstehen keine oder nur sehr geringe CO2-Emissionen.

Gesteigerte Energieeffizienz
Die Optimierung bestehender Prozesse kann kurzfristig große Einsparpotenziale heben. Zu den größten Hebeln zählen intelligente Steuerungssysteme, Wärmerückgewinnung, digitale Zwillinge zur Anlagenüberwachung und der Einsatz von Frequenzumrichtern für Motoren, Pumpen und Ventilatoren. ABB bietet Betreibern hierfür ein umfassendes Portfolio mit konsequenter Ausrichtung auf maximale Energieeffizienz.

Biogene Brennstoffe einsetzen
In einigen Prozessen lässt sich fossiler Kohlenstoff durch Biomasse oder Biokoks ersetzen – etwa als Übergangstechnologie. Entscheidend ist dabei die nachhaltige Herkunft der biogenen Rohstoffe, um keine neue CO2-Quelle erschließen zu müssen.

Verwendung von Wasserstoff als Brennstoff für Hochtemperaturöfen
Wasserstoff kann nicht nur zur Reduktion, sondern auch als Hochtemperaturbrennstoff eingesetzt werden – etwa in Thermoprozessanlagen. Der Umstieg erfordert jedoch eine Umrüstung der Brennertechnik und stabile Wasserstofflieferketten.

Das Whitepaper benennt darüber hinaus weitere Optionen als Potenziale für die Zukunft. Die Technologien sind heute noch in der Entwicklung, werden aber voraussichtlich schon bald perspektivisch relevant:

  • elektrolytische Reduktion von Eisenerz
  • Einsatz von Wasserstoffplasma
  • elektromagnetisches Rühren
  • fossilfreie Rohstoffe

Ein realistischer Weg zur Klimaneutralität
Die zentrale Erkenntnis des Whitepapers: Es gibt keinen Königsweg, aber viele kombinierbare Maßnahmen. Der richtige Ansatz hängt stark vom jeweiligen Standort, von den verfügbaren Rohstoffen, der Infrastruktur und dem technologischen Reifegrad ab. Während in manchen Regionen der Fokus auf dem Einsatz von EAFs liegen sollte, können andere auf wasserstoffbasierte Direktreduktion oder hybride Verfahren setzen.

Lösungen von ABB sind Enabler dieser Transformation. ABB Motion bringt nicht nur technologisches Know-how ein, sondern bietet auch maßgeschneiderte Lösungen für die Elektrifizierung und Digitalisierung industrieller Prozesse – von energieeffizienten Antrieben bis hin zu intelligenten Steuerungssystemen.

Die Wege, die das Whitepaper von ABB und dem Fraunhofer IPA aufzeigen, lassen sich praxisnah umsetzen. So lässt sich der Wandel in der Eisen- und Stahlindustrie aktiv gestalten. Die Erkenntnisse der Untersuchung sind ein Beispiel dafür, wie technologische Innovation, strategische Partnerschaft und ein klarer Klimafokus zusammenwirken können – damit aus einer Herausforderung eine Zukunftschance entsteht.

Jetzt das ganze Whitepaper entdecken – mit ausführlichen Informationen zur Dekarbonisierung vier weiterer Industrien: zum Whitepaper