COVID-19 hat die globalen Lieferketten auseinandergerissen und gerade der Automobilindustrie zusätzliche Aufgaben ins Pflichtenheft diktiert. Wie hat die Branche auf die neue Konstellation reagiert?
„Die Straße ist das Lager“, war lange Zeit das Mantra der Automobilindustrie. Entsprechend perfektioniert wurden in den letzten Jahren die Just-in-Time-Ansätze. Supplier lieferten Komponenten oder Karosserieteile teilweise minutengenau. Die Pandemie hat das Prinzip der schlanken Fertigung jedoch auf den Kopf gestellt. Die Lieferketten brachen ab, und da es keinen Lagerbestand gab, geriet die Produktion ins Stocken. Die Industrie hat daraus gelernt und einen Paradigmenwechsel eingeläutet: Das neue Credo lautet, sich für ungeplante Unterbrechungen zu schützen und autarker zu werden. Verkürzt könnte man sagen: Aus Just-in-time wird Just-in-case. Das bedeutet, die strategische Bevorratung mit wesentlichen Teilen und Materialien ist ein essenzieller Teil der neuen Resilienz-Strategie von Automobilunternehmen. Die verstärkte Lagerhaltung und die Abnahme großer Mengen soll helfen, die Risiken zu begrenzen, die durch Störungen in der Lieferkette entstehen. Zudem verhindern die Hersteller Abhängigkeiten und erweitern ihr Lieferantennetzwerk, um eine ausreichende Verfügbarkeit von Teilen zu gewährleisten.
Auch sehen wir, dass die Unternehmen ihre Produktion sukzessive zurück ins Inland oder ins nahe Ausland verlagern, um ihre Lieferketten robuster zu gestalten. Laut einer Umfrage, die wir vergangenes Jahr unter 1.610 US-amerikanischen und europäischen Unternehmen durchgeführt haben, planen 74 Prozent der Befragten aus Europa ein sogenanntes Re- oder Nearshoring ihrer Produktion.