Wie Künstliche Intelligenz die Welt verändert

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Mithilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) wandeln sich technische Lösungen und Prozesse in nie gesehener Weise. Die KI ist das Werkzeug, mit der die Autonomie von Systemen ein neues Niveau erreichen kann. ABB setzt schon heute auf Systeme, die KI nutzen, und kooperiert bei ihrer Weiterentwicklung mit Universitäten und Start-ups.

Einfühlsame Roboter, sprechende Spiegel oder Kopfhörer, die automatisch übersetzen – die KI dringt in alle denkbaren elektronischen Geräte vor. Algorithmen werden für unser vernetztes Leben immer wichtiger. Sprachassistenten unterstützen uns bei alltäglichen und außergewöhnlicheren Dingen. Laut Marktforschern sind die Verkaufszahlen von intelligenter Elektronik im Jahr 2018 um 27% gewachsen. Bis 2022 werden jährlich gut zweistellige Zuwachsraten prognostiziert.

Chancen für deutsche Wirtschaft

Die Gewinner des Vormarschs der KI bei den Endverbrauchern heißen bislang Google, Amazon und Alibaba. Doch im B2B-Geschäft und in der Industrie sind Deutschland und Europa in einer sehr guten Position. Hans-Georg Krabbe, Vorstandsvorsitzender der deutschen ABB sowie Vorsitzender der Bundesfachkommission Künstliche Intelligenz und Wertschöpfung 4.0 im Wirtschaftsrat Deutschland, erläutert: „KI ist die Schlüsseltechnologie der Digitalisierung. Die großen Chancen Deutschlands und Europas liegen insbesondere in der industriellen Anwendung von KI-Methoden. Hier sind wir führend, hier haben wir das notwendige Domain-Knowhow.“ Während Deutschland und Europa traditionell sehr auf die stetige Perfektionierung von Produkten ausgerichtet sind, werden in Zukunft serviceorientierte, datengetriebene Geschäftsmodelle immer wichtiger. Die Wertschöpfung verlängert sich auf die Nutzungsphase des Produktes. „KI wird eine Schlüsseltechnologie der durchgängig verknüpften, integrierten, digitalisierten Wertschöpfungskette“, sagt Hans-Georg Krabbe.

„Die Entwicklung moderner KI-Anwendungen ist sehr kostenintensiv. Zudem müssen wir an der Akzeptanz von KI-Systemen arbeiten und die Öffentlichkeit aufklären, um unbegründete Ängste zu beseitigen. Bis jetzt hat KI aus meiner Sicht mehr Leben gerettet als gefährdet.“

Prof. Dr. Kristian Kersting vom Institut für Computerwissenschaften und Zentrum für Kognitionswissenschaft an der Technischen Universität Darmstadt

Dass sich die Dinge in Deutschland tatsächlich zu bewegen beginnen, sieht man unter anderem daran, dass der Digitalgipfel des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi) im Dezember 2018 KI als „Megatrend der Digitalisierung“ zum Schwerpunktthema machte. Und auch die im November 2018 vorgestellte Digitalstrategie der Bundesregierung weist in eine ähnliche Richtung. Marco Ulrich, Abteilungsleiter für Software und Software-Anwendungen am ABB Forschungszentrum in Ladenburg, hat dazu allerdings eine Forderung: „Die Strategie ist richtig und beschreibt wichtige Themen. Entscheidend ist jetzt, dass die Strategie umgesetzt wird. Während der internationale Wettbewerb sich stark auf Anwendungen für Privatkunden fokussiert, bieten sich insbesondere im industriellen Umfeld noch große Chancen für Deutschland.“

Preiswürdige Kooperationen

Um diese Chancen wahrzunehmen, entwickelt ABB KI-Kompetenzen in vielen Geschäftsbereichen und will dieses Feld zukünftig stark ausbauen, auch in Zusammenarbeit mit Partnern. ABB kooperiert mit der universitären Forschung, insbesondere mit dem KIT in Karlsruhe, der TU Darmstadt und der TU Dresden. Eines der Kooperationsprojekte wurde jüngst ausgezeichnet: Die Innovationsplattform „KEEN – Künstliche-Intelligenz-Inkubator-Labore in der Prozessindustrie“, an der sich ABB maßgeblich beteiligt, ist einer der Gewinner im KI-Innovationswettbewerb des BMWi. Das Projekt wird vom BMWi mit voraussichtlich 10 Mio. EUR gefördert und soll drei Jahre dauern. KEEN bietet ABB die Möglichkeit, gemeinsam mit führenden Forschungseinrichtungen und Universitäten direkt an Fragestellungen von Endanwendern wie Air Liquide, Bayer, Covestro, Evonik und Merck zu arbeiten. ABB wird in KEEN Werkzeuge entwickeln, die es Anwendungsexperten erlauben, Modelle zur Überwachung und Optimierung von chemischen Prozessen zu erstellen. Die Werkzeuge sollen so einfach bedienbar sein, dass die Anwendungsexperten selbst keine tiefen Kenntnisse über Methoden der KI haben müssen. Zudem sollen die Modelle ohne großen Aufwand auf ähnliche Anlagen übertragbar sein.

„Insbesondere im industriellen Umfeld bieten sich noch große Chancen für Deutschland.“

Starke Rechner und validierte Daten

Die Basis für die rasante Entwicklung auf dem Gebiet der KI bilden zwei Errungenschaften: „Während die heute genutzten Algorithmen zum Teil schon länger bekannt sind, ist ihre Anwendung erst jetzt vielversprechend. Erstmals in der Technikgeschichte stehen uns die notwendigen Rechenleistungen zur Verfügung und es existieren validierte Daten als Input“, sagt Marco Ulrich.

Grundsätzlich bedeutet KI nicht eine einzige Lösung, sondern umfasst eine ganze Reihe von Technologien. Maschinen mit KI besitzen Fähigkeiten, die menschlicher Intelligenz ähnlich sind. Trotz dieser spannenden Vorstellung schränkt Marco Ulrich ein: „KI ist ein Methodenbaukasten, sie stellt ein technisches Werkzeug dar, um eine gewisse Autonomiestufe zu erreichen und das System weiterzuentwickeln. Es wird aber nicht möglich sein, menschliche Intelligenz komplett zu ersetzen.“

„Es wird aber nicht möglich sein, menschliche Intelligenz komplett zu ersetzen.“

Sechs Autonomiestufen

Für den Übergang zu autonomen Systemen ist es wichtig, eine Struktur festzulegen. In Anlehnung an die Definition aus der Automobilindustrie sollen in Zukunft sechs Autonomiestufen von 0 bis 5 betrachtet werden. Die Autonomiestufe 0 beschreibt beispielsweise den Betrieb einer industriellen Produktion ohne Autonomie, bei der der Mensch die volle Kontrolle und Verantwortung hat, wobei eine umfangreiche einfache Automatisierung vorhanden sein kann. In Stufe 5 läuft die Produktion vollständig autonom; die gesamte Entscheidungsfindung und Ausführung übernimmt das System. Die Stufen 1 bis 4 beschreiben die Abstufungen dazwischen.

Menschliches Potenzial erweitern

„Es ist absehbar, dass autonome Systeme und industrielle KI die Arbeit revolutionieren werden“, sagt Marco Ulrich. „Aber sie werden dies nicht tun, indem sie Menschen ersetzen, sondern indem sie die menschlichen Fähigkeiten verstärken und unser Potenzial erweitern.“ In der Fabrik der Zukunft werden autonome Systeme die Betreiber dabei unterstützen, rechtzeitig bessere Entscheidungen zu treffen. Dadurch wird das Fachpersonal von alltäglichen, sich wiederholenden Aufgaben befreit und kann sich auf höherwertige Tätigkeiten konzentrieren. Zudem wird die Betriebsführung von Anlagen und Fabriken sicherer und Prozesse können optimiert werden. „In naher Zukunft werden Menschen und autonome Systeme zusammenarbeiten, wobei der Mensch die endgültige Entscheidung trifft. Das entspricht den Autonomiestufen 1 bis 3“, sagt Marco Ulrich.

Marco Ulrich, ABB Forschungszentrum, marco.ulrich@de.abb.com

Agil durch Co-Creation und Start-ups

Mit der Technologie wandelt sich auch ihr Entwicklungsprozess. „Die Kunden wollen immer schneller erste Lösungen sehen, die Entwicklung wird daher immer agiler. Dem werden wir gerecht, indem wir stark auf Co-Creation setzen, also schon ganz früh im Prozess gemeinsam mit den Kunden entwickeln“, sagt Marco Ulrich. Zudem hat ABB ein Programm für Start-ups initiiert, die ihre KI-Lösungen in der Industrie testen und vermarkten wollen. Projektleiter Philipp Vorst, gleichzeitig Abteilungsleiter im ABB Forschungszentrum in Ladenburg, erläutert den Start-up-Accelerator: „In unserem Programm haben von Januar bis Mai 2019 sieben ABB-Einheiten mit je einem ausgewählten Start-up an spezifischen KI-Anwendungsfällen zusammengearbeitet.“

Philipp Vorst, ABB Forschungszentrum, philipp.vorst@de.abb.com

Marine Pilot Control in der Praxis: Die Passagierfähre Suomenlinna II fährt ferngesteuert durch ein Testgebiet vor der finnischen Hauptstadt Helsinki.

Für das Programm mussten die ABB-Einheiten aus mehr als 100 Start-up-Kandidaten wählen. „Das Feedback der Start-ups wie auch der Geschäftsbereiche war sehr positiv. Alle Beteiligten haben viel voneinander gelernt. Start-ups bringen generell eine sehr dynamische Kultur mit und profitieren zugleich sehr von unserer Erfahrung“, sagt Philipp Vorst. Projekte der Start-ups waren beispielsweise die Anwendung von Bildverarbeitung für das maschinelle Lernen von Roboterbewegungen oder die automatisierte Auswertung von Sensordaten für Entscheidungen in der Produktion. Die Ergebnisse des Accelerators wurden im Mai 2019 in Berlin vorgestellt. Den Preis der Expertenjury gewann das schwedische Start-up Greenlytics mit einer Software, die die Produktion von Strom aus erneuerbarer Energie mit hoher Genauigkeit prognostiziert und die in die ABB-Software OPTIMAX integriert werden kann.

Im Windpark bietet die Analyse der erfassten Daten mittels KI dem Betreiber die Grundlage für Remote Support und vorausschauende Wartung.

Starke Projekte auf der KI-Landkarte

Während die meisten der KI-Start-ups den Praxistest noch bestehen müssen, ist ABB schon mit fünf Vorzeigeprojekten auf der KI-Landkarte der Plattform Lernende Systeme, die das Bundesministerium für Bildung und Forschung 2017 initiiert hat, vertreten:

  • Intelligente Serviceleistungen aus dem Collaborative Operations Center durch lernende Algorithmen in Verbindung mit Expertenwissen zur Prozessteuerung
  • Zustandsüberwachung und vorausschauende Wartung rotierender Betriebsmittel in der Prozessindustrie durch drahtlose Sensorik und maschinelles Lernen
  • Industrial Knowledge Assistant: Digitale Assistenz zum autonomen Anlagenbetrieb durch maschinelles Lernen auf der Anlagenhistorie
  • Marine Pilot Control: Dynamisches Positionierungssystem für die Schifffahrt mit automatisierten Navigationsaufgaben
  • Connected Services: Fernüberwachung von Robotern mit Anomalieerkennung und Bewertung von Live-Daten

Beim Einsatz von ABB-Industrierobotern steigern intelligente Connected Services Verfügbarkeit, Lebenszyklen und Leistung.

Digitale Intelligenz für Windparks

Ein Beispiel für den praktischen Einsatz von KI ist die vorausschauende Wartung von Windparks. Als größter Anbieter von elektrischen Komponenten, Systemen und Dienstleistungen für die Windkraftindustrie verfügt ABB über jahrzehntelange Erfahrung und hat mehr Ausrüstung in Windparks installiert als jeder andere Anbieter. Mit ABB Ability Remote Support Services für Windparkbetreiber bietet ABB jetzt eine digitale Technologie an, die die Verfügbarkeit der Turbine erhöht und die Betriebs- und Wartungskosten sowie die Kosten für die Energieerzeugung senkt. Die Digitalisierung ermöglicht die Erfassung von Daten aus der Steuerung des Umrichters, abgetastet im Millisekundentakt, und von Sensoren, die am Generator sowie am Transformator montiert sind. Die Daten werden über das Internet an eine sichere Cloud-Plattform übertragen, wo sie mithilfe intelligenter Algorithmen und Analytik in Echtzeit gespeichert und verarbeitet werden. Im Fokus steht der elektrische Antriebsstrang. Die wichtigsten Leistungsindikatoren werden kontinuierlich überwacht, sodass der Windparkbetreiber den Überblick über Generator, Umrichter und Transformator behält. Die Analyse der erfassten Daten mittels KI bildet die Grundlage für Remote Support und vorausschauende Wartung – die Kombination von Cloud Computing, Machine Learning und ABB-Know-how ermöglicht gezielte Instandhaltungsmaßnahmen, bevor Probleme auftreten können.

Die Analyse der erfassten Daten mittels KI bildet die Grundlage für Remote Support und vorausschauende Wartung.

Ressourcen nutzen, Welt nicht verbrauchen

Die weitere Entwicklung von autonomen Systemen und KI ist Teil der Zukunftsvision von ABB: In der autonomen Fabrik der Zukunft werden die Menschen Seite an Seite mit kollaborativen Robotern arbeiten. Die Kombination aus autonomen Systemen, industrieller KI und kollaborativen Robotern wie dem YuMi wird es den Kunden von ABB ermöglichen, eine breitere Palette spezifischer Produkte herzustellen. Und sie werden dies effizienter, wirtschaftlicher und vor allem umweltverträglicher tun, indem sie wertvolle Ressourcen nutzen, ohne die Welt zu verbrauchen.