Erhöhte Zuverlässigkeit bei Badische Stahlwerke GmbH

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Intro

2018 hat ABB mit dem neuen 38-kV-Mittelspannungs-Leistungsschalter Typ VD4-AF (38 kV, 2500 A) einen Häufigkeitsschalter für elektrische Lichtbogenöfen in den Markt eingeführt. Mit seiner innovativen Antriebstechnologie (je Phase ein Servomotor) und neuer Vakuumschaltkammertechnologie ist er in der Lage, bis zu 150.000 mechanische und 120.000 elektrische Schaltungen zu realisieren. 2021 erfolgte die Weiterentwicklung des VD4-AF zum VD4-AF1 mit der ergänzenden Funktion der Transformator-Einschaltstrom-Eliminierung.

Bei Badische Stahlwerke GmbH (BSW) in Kehl am Rhein war der VD4-AF seit September 2020 an einem Ofen erfolgreich in Betrieb und hat in 15 Monaten mehr als 65.000 störungs- und wartungsfreie Schaltungen absolviert. Aufgrund der guten Betriebsergebnisse entschied sich BSW 2022 für die Erweiterung auf den VD4-AF1. Diese Entscheidung zahlt sich aus, da die Belastung beim Einschalten des Ofentransformators signifikant reduziert ist und damit eine Verlängerung der Lebensdauer um mehr als 10 % ermöglicht.

Bei BSW sind zwei Drehstrom-Lichtbogenöfen mit je 109 t Abstichgewicht auf höchstem Produktivitätsniveau im Einsatz. Diese werden über Transformatoren mit einer Leistung von je 90 MVA bei 21 kV gespeist. Es wird 100 % Stahlschrott eingeschmolzen, d.h. recycelt und daraus Betonstahl produziert.

Die Abstichfolgezeit betrug im Jahr 2022 im Mittel nur 38,8 min. Die Power-On Zeit im Mittel nur 28,8 min. Die mittlere Wirkleistung je Charge betrug 75,3 MW. Es wurden 8.736 Chargen in 235 Betriebstagen am Ofen 2 unter Einsatz des ABB VD4-AF Schalters geschmolzen. Damit gehören BSW zu den produktivsten Elektrostahlwerken weltweit. Entsprechend hoch ist die Belastung der elektrischen Betriebsmittel und speziell des Ofenschalters, der dauernd mit vollem Betriebsstrom von 2500 A betrieben wird und über 50.000 mal pro Jahr schaltet.

Bei BSW werden pro Charge zwei Körbe Schrott chargiert, so dass der Ofentransformator mindestens zwei Mal pro Charge ein- und ausgeschaltet wird. Hinzu kommen Auslösungen durch Kurzschlüsse während des Schmelzvorganges, hervorgerufen durch eventuelle Schrottbewegungen.

VD4-AF1: Bis zu 150.000 Schaltspiele und Transformator-Einschaltstrom-Eliminierung

Mit dem Ziel, die Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit der Ofenschaltanlage zu erhöhen, entschied sich BSW für die Umrüstung auf den Ofenschalter von ABB. Warum? Der VD4-AF setzt mit seinen 150.000 mechanischen Schaltvorgängen ohne Wartung einen neuen 5–10-mal höheren Maßstab am Markt. Somit werden nicht nur die Instandhaltungskosten, sondern auch die Prozess-Ausfallzeiten reduziert, denn bei den BSW zählt jede Sekunde Produktionszeit.

Anfang 2022 folgte eine weitere Ausbaustufe des VD4-AF, die mit einer patentgeschützten Technologie die Vermeidung des Transformator-Einschaltstroms ermöglicht. Hohe Einschaltströme treten bei jedem Einschalten des Ofentransformators auf und vergrößern Anlagen- und Netzbelastung.

Ein Beispiel eines Einschaltstromstoßes, gemessen bei BSW: Transformator-Einschaltstrom beim Einschalten des Ofentransformators ohne Einschaltstromeliminierung. Der Spitzenwert erreicht 9 kA. Linke Achse Spannung in V, rechte Achse Stromstärke in A

Technologischer Durchbruch - Verlängerte Lebenszeit durch phasensepariertes Schalten

Verursacht wird dieser Einschalt-Strom durch die Induktivität und den Eisenkern des Trafos, der eine nichtlineare Magnetisierungs-Kennlinie hat. Mit konventionellen Vakuumschaltern, deren Schaltung der Phasen nicht separiert geschieht, tritt der Einschalt-Strom immer auf. Dieser lässt sich jedoch vermeiden, wenn jeder Pol kontrolliert und akkurat entsprechend der Netzspannung und abhängig von der Vormagnetisierung des Eisenkerns (Remanenz) eingeschaltet wird. Der neue VD4-AF1 leistet dies, Bild 2.

Einschalten mit dem VD4-AF1 ohne Transformator-Einschaltstrom. Der Spitzenwert erreicht lediglich <10 A. Linke Achse Spannung in V, rechte Achse Stromstärke in A

Die elektronisch gesteuerten Servomotor-Antriebe mit integrierter Diagnose und exakt kontrollierten Schaltzeitpunkten sind ein technologischer Durchbruch. BSW hat die Vorteile der Transformator-Einschaltstrom-Eliminierung direkt erkannt und damit die Installation dieser Innovation vorangetrieben. Es kann mit einer Verlängerung der Lebensdauer des Ofentransformators gerechnet werden, da die sehr häufigen und enormen Stoßkräfte auf die Wicklungen bei jedem Einschalten entfallen. Die Entlastung wirkt sich positiv auf die gesamte Einspeisung der Applikation mit Mittelspannungskabeln, Blindstrom-Kompensation und Abspanntransformatoren aus und verbessert. Die Spannungsqualität des Netzes. Deshalb wurde die Erweiterung des VD4-AF auf den VD4-AF1 Anfang 2022 vorgenommen. Bild 3 zeigt die Installation des Schalters neben dem Ofentransformator in offener Ausführung aufgrund sehr begrenzter Platzverhältnisse.

Hörbar reduzierte mechanische Belastung der Trafowicklungen

Die Eliminierung des Transformator-Einschaltstroms ist beim Zuschalten des Ofentransformators deutlich wahrnehmbar, da keine Geräuschentwicklung durch mechanische Belastung des Transformators mehr auftritt. Ein weiterer Vorteil der kontrollierten und akkuraten Ausschaltung ist die erhöhte elektrische Lebensdauer des Polteils.

Der innovative Ofenschalter Typ VD4-AF1 hat die Erwartungen der BSW hinsichtlich Zuverlässigkeit und Schaltspielzahl voll erfüllt. Die Stahlerzeugung auf höchstem Produktivitätsniveau wird mit innovativer Technologie sichergestellt.

 

Andreas Brandt, Johannes Aschenbroich, ABB AG, Deutschland

Volker Pfetzinger, Badische Stahlwerke GmbH, Kehl, Deutschland

Dirk Riedinger, Badische Stahl-Engineering GmbH, Kehl, Deutschland