Kollege Roboter in der Bauindustrie

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Intro

Fertighäuser aus Holz, individualisiert bis auf das letzte Fenster – das ist das Erfolgsrezept des Fertighausspezialisten FingerHaus. Beim Kommissionieren und Sortieren von Plattenwerkstoffen kamen ABB-Roboter bereits zum Einsatz (siehe Artikel: https://destination-zukunft.abb.com/leichter-fertig-bauen/). Jetzt geht FingerHaus den nächsten Schritt und setzt die ABB-Roboter auch bei der automatisierten Produktion von Wänden ein. Gemeinsam mit den Unternehmen BETH Sondermaschinen und Paul Köster geht FingerHaus neue Wege in der boomenden Bauindustrie.

Produktivitätssteigerung durch Roboter

Roboter sind wichtige Verbündete der Bauindustrie und kommen in vielen Bereichen zum Einsatz. Dazu zählen etwa die automatisierte Fertigung modularer Häuser und Bauelemente abseits der Baustelle, das Schweißen und die Materialhandhabung vor Ort oder der 3D-Druck von Häusern und maßgeschneiderten Bauelementen. Kurzum, Roboter bieten enormes Potenzial in punkto Steigerung der Produktivität sowie der Flexibilität in der Fertigung. Sie spielen ihre Vorzüge aus, wenn es etwa darum geht, Werkstoffe auf Bauelemente aufzubringen, Bauelemente zu sortieren oder zu befestigen.

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In der Anlage zur automatisierten Wandproduktion für Fertighäuser vereinen sich Ergonomie, Prozesssicherheit und Flexibilität.Quelle: FingerHaus/BETH

Roboter übernehmen schwere und monotone Arbeiten

Insbesondere nehmen Roboter im Kontext eines nachhaltigen Beschäftigungskonzepts ihren menschlichen Kolleginnen und Kollegen monotone, körperlich belastende Aufgaben wie das Hantieren mit schweren, sperrigen Bauelementen ab – und das mit höchster Präzision und Wiederholgenauigkeit. Die Automatisierung unliebsamer Arbeitsschritte macht den Arbeitsplatz für die Mitarbeitenden insgesamt attraktiver und hilft so, den Fachkräftemangel in der Industrie zu adressieren. Nicht zuletzt versetzen Automatisierungslösungen Bauunternehmen in die Lage, ihr Leistungsportfolio auf wirtschaftliche Weise zu erweitern und individuelle Produkte bis hin zur Losgröße 1 anzubieten. Insbesondere in der Fertighausbranche ermöglichen es Roboter, Häuser mit einer großen Varianz schnell, kosteneffizient und exakt zu realisieren.

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Das Klammern der Platten übernimmt der Roboter anhand definierter Klammerbahnen und -winkel. Quelle: FingerHaus/BETH

„In der Bauindustrie werden Automatisierungslösungen die klassische Bearbeitungsbrücke zunehmend ergänzen.“

Christopher Köster, Vertriebsmitarbeiter bei Paul Köster GmbH.

Steuerung, Vision-System und Roboter im perfekten Zusammenspiel

Den angehenden Hausbesitzern eröffnen sich hohe Freiheitsgrade hinsichtlich der Platzierung von Fenster- und Türelementen, welche durch den Einsatz der hochflexiblen Systeme ermöglicht werden. Anhand dieser individuellen Wünsche entstehen CAD-Modelle als Basis für die einzelnen Bauelemente.

Diesen hohen Individualisierungsgrad ermöglicht unter anderem eine komplexe, automatisierte Beplankungsanlage, die von den Unternehmen BETH und Paul Köster gemeinsam realisiert worden ist. Darin werden Wände nach Kundenmaß gefertigt. In dieser Anlage sind unterschiedliche Akteure wie Roboter, Kamerasysteme und eine Steuerungssoftware integriert und für einen reibungslosen Prozessfluss perfekt aufeinander abgestimmt. Für Pick-&-Place-Aufgaben kommen bei FingerHaus zwei Beplankungszellen mit einem Industrieroboter ABB IRB 6700 zum Einsatz. Der Roboter lässt sich über eine zentrale Zellensteuerung via Touchpanel steuern.

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Die zentrale Zellensteuerung ermöglicht eine benutzerfreundliche Bedienung der Anlage. Quelle: FingerHaus/BETH

Den Roboterzellen ist eine teilautomatisierte Riegelwerkstation vorgeschaltet, in der die zu beplankenden Wandteile robotergestützt montiert werden. In der ersten Beplankungszelle positioniert der Roboter die Planken auf das Riegelwerk und klammert diese nach einem Greiferwechsel fest. Anschließend fahren Wand und Roboter zur zweiten Beplankungszelle, wo derselbe Roboter nach einem weiteren Greiferwechsel die Gipskartonbauplatten auf die Holzrahmen der Wände auflegt und ebenfalls befestigt. Danach werden die Wände zur weiteren Bearbeitung wegbefördert.

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Ein hochmodernes Kamerasystem erkennt die Lage der Holzwerkstoff- und Gipsbauplatten und übermittelt diese Daten über eine eigens entwickelte Software an den Roboter. Quelle: FingerHaus/BETH

Das „Gehirn“ der komplexen Automatisierungslösung ist eine zentrale Steuerungssoftware mit Datenschnittstellen für die unterschiedlichen Prozessschritte. Diese Software ist unter anderem an das hochmoderne Vision-System, die „Augen“ des Roboters, gekoppelt. Das Vision-System dient dazu, die Position der einzelnen Wandplatten zu erkennen. Aus der eigens von BETH entwickelten Steuerungssoftware erhalten die ABB-Roboter die Information, wie sie die unterschiedlichen Elemente „anzupacken“ haben. Die Auslegung der Roboterzellen erfolgte mithilfe der ABB-Software RobotStudio. Damit konnten anhand eines digitalen Zwillings der Zelle die Bewegungsabläufe im Vorfeld simuliert und die Schnittstellen validiert werden, bevor sie in die Praxis umgesetzt wurden. „Für die Komponentenfertigung in der Fertighausbranche ist diese Applikation das, was man unter einer zukunftsorientierten Automatisierungslösung versteht“, fasst Marc Fischer, Projektbetreuer bei FingerHaus, zusammen.

Mit präziser Automatisierung zu nachhaltigerem Hausbau

Neben der hohen Präzision, Effizienz und Varianz adressiert die Automatisierungslösung ein weiteres wichtiges Ziel von FingerHaus: die Nachhaltigkeit. Dies beginnt dabei, ein nachhaltiger Arbeitgeber zu sein: Durch die körperliche Entlastung von Mitarbeitenden kann FingerHaus eine bessere Mitarbeiterbindung erzielen. Darüber hinaus hilft die Automatisierung dabei, effizienter mit Ressourcen umzugehen und somit Material nachhaltiger einzusetzen. „Zum Zeitpunkt unserer Entscheidung für die Automatisierung hat man in der Branche üblicherweise noch mit Nagelbrücken gearbeitet. Im Prozess wurden die Platten noch händisch aufgelegt“, erinnert sich Marc Fischer, „im Nachgang wurden dann Fenster und Türen ausgeschnitten.“ Aufgrund der großen Menge an Abfallmaterial, die bei dieser Vorgehensweise anfällt, habe man sich bei FingerHaus dagegen entschieden und stattdessen Wert daraufgelegt, die Materialausnutzung zu maximieren. Auch die Problematik des Abfallhandlings – inklusive des damit verbundenen Personal-, Platz- und Energieaufwands – wird somit umgangen. „Im Modell können wir jedes Teil digital so im Schnittplan platzieren, dass wir nahezu keinen Verschnitt bei den Plattenwerkstoffen haben“, so Marc Fischer weiter. Die Zuschnitte werden dann der Beplankungszelle bedarfsgerecht zugeführt. Inzwischen wurde die Beplankungsanlage bei FingerHaus um eine Schnittstelle zum CAD-System erweitert, das den Materialeinsatz für Befestigungsmittel bedarfsgerecht berechnet – für maximale Stabilität und Materialeffizienz.