Hightech für Weltkulturerbe: Präventiver Brandschutz im Aachener Dom

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Als Reaktion auf das verheerende Feuer in der Pariser Notre-Dame-Kathedrale erhielt der Aachener Dom ein neues Brandschutzkonzept. Dazu zählt nicht nur ein KI-basiertes Früherkennungssystem für etwaige Brandherde, sondern auch die Grunderneuerung der gesamten Elektroinstallation: Künftig schließen AFDD-Schutzgeräte von ABB gefährliche Lichtbögen aufgrund elektrischer Kontaktfehler als mögliche Brandursachen aus. Prävention ist der beste Schutz für das UNESCO-Weltkulturerbe und Wahrzeichen der Stadt. 

Quelle: Jörn Wolter / vor-ort-foto.de

Für historische Bauten wie den Aachener Dom stellt Feuer eine der größten Gefahren dar. Als mahnendes Beispiel dafür steht das Flammeninferno in der Kathedrale Notre-Dame de Paris im April 2019: Die Kosten für den Wiederaufbau summieren sich voraussichtlich auf einen hohen zweistelligen Millionenbetrag. Gar nicht beziffern lässt sich der ideelle Schaden durch den unwiederbringlichen Verlust einzigartiger Kunst- und Kulturschätze. 

Quelle: Jörn Wolter / vor-ort-foto.de

Detektion und Prävention: Ganzheitliches Schutzkonzept

Gut 400 Kilometer nordöstlich der französischen Hauptstadt gab es im ‚Hohen Dom zu Aachen‘ seinerzeit lediglich im Dachstuhl eine Brandmeldeanlage. Der gesamte Sakralbereich hingegen mit all seinem hölzernen Gestühl, den Altären und der Orgel sowie textilen Paramenten war weitgehend ungeschützt. Dringender Handlungsbedarf bestand nicht zuletzt mit Blick auf die Vermeidung möglicher Brandursachen, da die Elektroinstallation nicht mehr dem anerkannten Stand der Technik entsprach. Neben einem speziell entwickelten Kamerasystem inklusive KI-basierter Bilderkennungssoftware spielte deshalb auch die komplette Neuinstallation der Spannungsverteilung eine tragende Rolle im präventiven Schutzkonzept für den Aachener Dom. 

Quelle: Jörn Wolter / vor-ort-foto.de

Um ein Höchstmaß an Sicherheit bei der Elektroversorgung im Dom zu garantieren, entschieden wir uns für das bewährte AFDD-Portfolio unseres langjährigen Partners ABB STOTZ-KONTAKT“, berichtet Michael Wagner, Geschäftsführer der ortsansässigen Wagner & Müller GmbH & Co. KG. Seine Firma ist für die Projektierung der neuen Spannungsverteilung und den Verteilerbau verantwortlich. Die eigentliche Vor-Ort-Installation inklusive Strom- und Datenverkabelung obliegt dem Smart-Building-Unternehmen e-line aus dem nahegelegenen Baesweiler, das für diesen Projektpart gleichzeitig als Generalunternehmer agiert. 

Elektrischer Funkenflug – ein unterschätztes Risiko

Die erwähnte Abkürzung AFDD steht für Arc Fault Detection Device und wird umgangssprachlich auch als Brandschutz- oder Kontaktfehlerschalter bezeichnet. Unser breitgefächertes AFDD-Portfolio verbessert die elektrische Sicherheit dank automatischer Erkennung von Fehlerlichtbögen. Damit sinkt die Gefahr eines elektrisch gezündeten Brandes“, erläutert Tim Hippler, Vertriebsbeauftragter für Industrie und Maschinenbau in der ABB-Geschäftseinheit Elektrifizierung.

Quelle: Jörn Wolter / vor-ort-foto.de

Jeder kennt das Phänomen elektrischer Lichtbögen – etwa den knisternden Funkenflug an der Oberleitung einer Straßenbahn oder beim Ziehen eines Steckers unter Last. Generell entstehen solche Lichtbögen bei ungenügender Isolation zwischen zwei elektrischen Leitern mit unterschiedlichem Potenzial. Die Isolation an Kabeln oder elektrischen Verbrauchern ist unerlässlich für einen guten Schutz. Allerdings kann die Isolation unter Alterung oder mechanischen Einflüssen leiden, wie z.B. Quetschungen oder Nagetierverbiss. Da diese Einflüsse erst schleichend auftreten, können mögliche Fehlerursachen nicht von Anfang an ausgeschlossen werden. Eine kontinuierliche Überwachung der Endstromkreise leistet an dieser Stelle Abhilfe. 

Hohe Sicherheit durch Spannung-, Frequenz- und Stromanalyse

Entsprechend wichtig ist eine permanente Prävention quer durch die gesamte elektrische Versorgungsinfrastruktur: Die AFDD-Technologie von ABB analysiert kontinuierlich deren Frequenz-, Spannungs- und Strombild, um charakteristische Muster zu erkennen, die auf eine Lichtbogengefahr hindeuten. In solchen Fällen werden die betroffenen Stromkreise sofort vom Netz getrennt. Damit sinkt das Risiko von elektrisch gezündeten Bränden, die ihre Ursache in Isolations- oder Kontaktierungsfehler bei der Installation haben, signifikant.   

Für die Neuinstallation im Aachener Dom plante die Projektierungsfirma Wagner & Müller je nach Endstromkreis mit einem AFDD mit integriertem Überstrom- und Fehlerstromschutz: Außer der Vermeidung von Fehlerlichtbögen schützen diese  vor Überlast und Kurzschluss, aber auch bei einem klassischen Fehlerstrom. Dadurch lässt sich nicht nur der vorbeugende Brandschutz im Dom realisieren, sondern auch der Leitungs- und Personenschutz. Wagner & Müller wird mit diesen Komponenten der DIN VDE 0100-420 gerecht, ohne erhebliche Eingriffe in die Bausubstanz einplanen zu müssen. Die Komplexität der elektrischen Anlage bleibt durch die kombinierten Schutzgeräte dabei überschaubar. 

Im Sommer 2022 starteten die ersten Arbeiten für neue Strom- und Datenverkabelung, die künftig auch als Basis für die frühzeitige Brandherderkennung per Kamera und KI-Software dient. Anders als bei anderen Installationsprojekten dieser Dimension kommen im Aachener Dom die Vorgaben des Denkmalschutzes als besondere Herausforderung hinzu. Finanziert wird das neue Brandschutzsystem für die 1.200 Jahre alte Wallfahrtskirche und Grabstätte Karls des Großen durch Spendengelder, die der Aachener Karlsverein-Dombauverein akquirierte, sowie durch eine Förderung des Landes NRW.