Kritische Infrastrukturen sicher und energieeffizient betreiben

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Das Überwachen und Senken der Energiekosten, der effiziente Einsatz von Ressourcen sowie die Gewährleistung des sicheren, zuverlässigen Kerngeschäfts sind nicht nur zentrale Punkte für Industrieunternehmen. Auch bei kommunalen Versorgern stehen diese Themen auf der Agenda. Wie der Zweckverband Wasserversorgung Schwarzbrunnen (ZVS) die Steuerungs- und Fernwirktechnik mit dem Automatisierungssystem AC500 realisiert, um die gesamten wassertechnischen Anlagen mit geringem Personalaufwand zuverlässig und sicher zu überwachen und zu steuern, zeigt unser Praxisbericht.

Der Zweckverband Wasserversorgung Schwarzbrunnen mit Sitz in Pfalzgrafenweiler (Baden-Württemberg) versorgt die Einwohner von sieben Mitgliedsgemeinden mit Trinkwasser. Dem ZVS gehören die Städte Freudenstadt und Dornstetten sowie die Gemeinden Seewald, Grömbach, Wörnersberg, Pfalzgrafenweiler und Waldachtal an. Seine Leistungen reichen von der Wassergewinnung und -aufbereitung bis zum Transport des Wassers zu den Endkunden. Das Rohwasser, rund 650.000 m³ pro Jahr, wird über drei Tiefbrunnen gefasst und in das Wasserwerk Erzgrube gefördert, wo es in mehreren Schritten zu Trinkwasser hoher Qualität aufbereitet wird.

Die speicherprogrammierbare Steuerung AC500 bietet gute Voraussetzungen für das Fernwirken in dem Wasserwerk (Bild: ABB)

In seinen Anlagen setzt der Wasserversorger aus dem Nordschwarzwald traditionell einiges an ABB-Technik ein. So geht die Zusammenarbeit bis in die späten 90er zurück. 1996/97 wurden die speicherprogrammierbaren Steuerungen Procontic T200 und AC31 als Steuerungs- und Fernwirktechnik im Wasserwerk und den Außenstationen installiert. Nach ihrer Abkündigung wurden diese Steuerungen im Jahr 2015 durch SPSen der Baureihe AC500 ersetzt, die ebenfalls von ABB stammen. Doch damit nicht genug: Als übergeordnetes Leitsystem fungiert Symphony Plus von ABB mit dem Anlagen-Informationssystem PGIM Aqua für die Archivierung. Der Bereitschaftsdienst des Wasserversorgers kann bei Bedarf über ein Tablet aus der Ferne auf das Leitsystem zugreifen. Zudem setzt der ZVS Frequenzumrichter, magnetisch-induktive Durchflussmesser sowie Niederspannungsprodukte von ABB in seinen wassertechnischen Anlagen ein.

„Nur mit modernster Technik lässt sich der Betrieb eines Wasserwerks wie dem unseren mit vertretbarem Personalaufwand aufrechterhalten und die Dokumentationspflicht erfüllen. Ohne sie wären deutlich mehr Ressourcen nötig“, erklärt Matthias Kirgis. Als Wassermeister beim Zweckverband Wasserversorgung Schwarzbrunnen ist er zuständig für die Technik im Wasserwerk und den Außenstationen des ZVS.

21 Steuerungen im Einsatz

Die speicherprogrammierbare Steuerung AC500 bietet gute Voraussetzungen für das Fernwirken in solchen Anlagen. Da die SPS das Fernwirkprotokoll schon integriert hat, ist keine zusätzliche Hardware erforderlich. Es wird auch keine zusätzliche Software benötigt, denn die erforderlichen Funktionsbausteine sind bereits Inhalt der Programmiersoftware für die AC500. Durch die Möglichkeit zweier unabhängiger Ethernet-Schnittstellen kann die integrierte Schnittstelle ausschließlich für das Fernwirken genutzt werden. Die Daten können dabei wahlweise in drei verschiedenen Modi gesendet werden: auf Anforderung, bei Datenänderung oder auch zyklisch auf Basis einer voreingestellten Zeit. 

Insgesamt 21 AC500-CPUs vom Typ PM 573-ETH sind in den wassertechnischen Anlagen des ZVS verbaut: zwei im Wasserwerk und die restlichen in den 19 Außenstationen (Hochbehälter, Übergabeschächte, Druckerhöhungsanlagen, Turbine zur Stromerzeugung sowie drei Tiefbrunnen).

AC500-CPUs vom Typ PM 573-ETH (Bild: ABB).

Die Verbindung zu den SPSen der Außenstationen erfolgt über Glasfaserkabel, bleiummantelte Kupferkabel oder per UMTS über Mobilfunk zu jenen Stationen, die kein eigenes Steuerkabel haben. Die Steuerungen in den Außenstationen verfügen zusätzlich über Bedienpanel vom Typ CP620 für die Vor-Ort-Bedienung. Alle Außenstationen, bis auf den Hochbehälter, laufen autark. Sollte einmal die Kommunikation zum Wasserwerk gestört sein, füllen sie trotzdem den Hochbehälter weiter. 

„Gibt es ein Problem, erhält der Bereitschaftsdienst über ein an das Leitsystem angekoppeltes Alarmierungssystem eine detaillierte Meldung über Ort und Art der Störung. Das erleichtert die Entscheidung, ob sofort reagiert werden muss. Ist beispielsweise ein Zulaufschieber gestört, wird die Meldung „Zulaufschieberstörung“ übermittelt und ich kümmere mich um das Problem, bevor zu wenig Wasser in einem Behälter ist“.

Matthias Kirgis, Wassermeister beim Zweckverband Wasserversorgung Schwarzbrunnen

Mehr als nur Wasseraufbereitung

Ihre wichtigsten Funktionen haben die AC500 in der Wasseraufbereitung, der Steuerung des Hochbehälters und in der Auswertung von Messwerten. Im Wasserwerk sind die Geräte unter anderem für die Ansteuerung der Tiefbrunnen zuständig. Sobald der Hochbehälter Wasser anfordert, schaltet die Steuerung im Wasserwerk die Förderpumpe ein, die das Wasser aus dem Reinwasserbehälter pumpt. Sinkt in dem Vorratsbehälter das Niveau, werden die Tiefbrunnen eingeschaltet. Das von dort geförderte Rohwasser durchläuft im Wasserwerk dann verschiedene Aufbereitungsanlagen. Die erforderlichen Niveausteuerungen und Dosierungen sowie die Datenbereitstellung für die Archivierung erledigen die AC500 ebenfalls.  

Zu weiteren Aufgaben der Steuerungen zählen: 

  • Steuerung der Druckerhöhungspumpen im Hochbehälter  
  • Bedienung des Schiebers im Hochbehälter 
  • Druck- und Durchflussmessung in den Übergabeschächten 
  • Zutrittskontrolle in den Außenstationen für den Objektschutz 
  • Übertragung von Messwerten einer Turbine zur Stromerzeugung, die in der Nagoldtalsperre eingebaut ist. 

Eine hohe Versorgungssicherheit ist ein zentrales Anliegen des ZVS. Werden die vorgegebenen Soll- und Grenzwerte unter- oder überschritten, wird der Wassermeister mit einer Störmeldung informiert und kann frühzeitig gegensteuern. „Uns ist noch nie das Wasser ausgegangen“, betont er.  

Steigt der Stromverbrauch einer Pumpe oder eines wichtigen Aggregats, werden Matthias Kirgis die Messwerte angezeigt. „Läuft ein Messwert aus dem Grenzbereich, bekommen wir einen Hinweis und können rechtzeitig instand setzen, bevor es zu einem Ausfall kommt oder wir extrem hohe Stromkosten hätten. Das ist ein großer Vorteil“, sagt er.  

Durchfluss- und Niveauregelung

Elf ABB-Frequenzumrichter der Serien ACS800, ACS550 und ACS600 regeln diverse Pumpen im Wasserwerk sowie die Druckerhöhungspumpen. In den drei Tiefbrunnen regeln sie zum Beispiel die Wassermenge für eine wirtschaftliche Aufbereitung. Gesteuert werden die Frequenzumrichter über die AC500 vor Ort.   

Der Frequenzumrichter für die Zwischenförderpumpe von der Filtergruppe 1 auf die Filtergruppe 2 regelt nicht den Durchfluss. Seine Aufgabe ist es, das Wasserniveau im Jurakornfilter für die Entsäuerung zu halten. Damit der Filter nicht leerläuft, muss die Zwischenförderpumpe aus dem ersten Filter immer genügend Menge fördern. Die Information erhält der Frequenzumrichter über die Steuerung und Niveaumessung.

Energiesparen im Fokus

Wichtig bei den Frequenzumrichtern ist aus Sicht des ZVS nicht nur ein sicherer Betrieb. Bei dem ISO-50001-zertifizierten Wasserversorger hat Energieeffizienz ebenfalls einen großen Stellenwert. Mit den Geräten spart der ZVS Energiekosten ein, indem sie dafür sorgen, dass die Pumpenmotoren am optimalen Betriebspunkt laufen.  

Größter Energieverbraucher sind die Förderpumpen, die den Hochbehälter mit Wasser versorgen. Beim Hochpumpen muss ein Höhenunterschied von 200 m überwunden werden, was energieintensiv ist. Um Energie einzusparen, werden neben den Frequenzumrichtern auch Hocheffizienzpumpen eingesetzt. Die Laufzeiten und angefallenen Kilowattstunden der Förderpumpen werden in Protokolle eingearbeitet, die für die Zertifizierung ausgewertet werden können. 

Dem Hochbehälter des ZVS kommt bei der Wasserverteilung eine zentrale Rolle zu (Bild: ZVS).

Der Service von ABB kommt jährlich mehrere Tage auf die Anlage, um das Leitsystem und die Steuerungen im Wasserwerk und in den Außenstationen zu warten. Muss ein Programmfehler behoben oder eine Anpassung in der Steuerungstechnik durchgeführt werden, erledigen die ABB-Experten dies per Fernzugriff.