Laborautomation: Roboter im Einsatz für die Lebensmittel­sicher­heit

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Immer wieder tauchen in Verbrauchermagazinen bedenkliche Nachrichten auf, dass in Lebensmitteln erhöhte Rückstände von Pestiziden enthalten sind. Der Super-GAU für Handel und Hersteller. Unternehmen wie Eurofins Dr. Specht Express GmbH haben sich auf Pestizidanalysen spezialisiert. Mit über 50 Jahren Erfahrung im Nachweis von Pflanzenschutzmitteln hat das Unternehmen einen umfangreichen Erfahrungsschatz.

Von manueller Arbeit zur roboterbasierten Automatisierung

Eurofins Dr. Specht Express GmbH ist ein nach DIN 17025 zertifiziertes Labor und untersucht Lebens- und Futtermittel qualitativ und quantitativ auf insgesamt 800 verschiedene Pestizide. Schnelligkeit ist oberstes Gebot: Wenn vormittags eine Probe eingeht, muss das zugehörige Analyseergebnis spätestens um 16 Uhr vorliegen. Denn von der Analyse hängen kritische Prozesse ab, etwa wenn ein Container mit Lebensmitteln im Hafen wartet oder eine Produktion stillsteht, bis die Probe untersucht wurde. Auch unter größtem Zeitdruck muss die Analysequalität verlässlich hoch bleiben.

Bislang hat das Laborpersonal sämtliche Prozessschritte, die bei der Pestizidanalytik anfallen, manuell durchgeführt. Aber: Diese Art von Routinearbeit haben etwas Monotones und verlieren mit jeder neuen Generation an Fachkräften an Beliebtheit. Angesichts des Fachkräftemangels ist es für Arbeitgeber ein entscheidender Wettbewerbsvorteil, dem Laborpersonal repetitive „Handarbeit“ abzunehmen.

„Chemielaborantinnen und -laboranten haben Pipettieren und Titrieren gelernt, aber in der modernen Arbeitswelt ist es nicht mehr sinnvoll, diese Prozesse manuell durchzuführen. Vielmehr entwickelt sich das Berufsfeld dahin, dass sie das Wissen aus ihrer Ausbildung anwenden, um Roboter entsprechend zu bedienen."

Dr. Alexander Zahm, Geschäftsführer von Eurofins Dr. Specht Express GmbH

Eurofins entschied sich aus 2 zentralen Gründen dafür, die Pestizidanalyse zu automatisieren: 

  1. Damit die Labormitarbeitenden Kapazitäten für anspruchsvollere Aufgaben haben.
  2. Den steigenden Anforderungen an Qualität und Durchsatz gerecht zu werden. 

Das Schwesterlabor lieferte eine inspirierende Erfolgsgeschichte: Die Eurofins WEJ Contaminants GmbH hatte bereits gute Erfahrungen mit der automatisierten Aufbereitung von Lebensmittelproben für die Mykotoxin-Analytik gemacht. Darüber entstand der Kontakt zum Systemintegrator Elbatron, der auch mit der Sonderanfertigung für Eurofins beauftragt wurde. Elbatron unterstützt Eurofins seit 2016 bei der Industrialisierung individueller Laboranalytik.

Nur die Probeneingabe geschieht noch manuell. Dann arbeitet die Anlage 12 Stunden ohne Zutun der Labormitarbeitenden autonom.

Kollege Roboter übernimmt

Eine zentrale Herausforderung bei der Konzeption der automatisierten Anlage war es, die komplexen Prozesse im Labor auf einzelne automatisierbare Bewegungsabläufe zu reduzieren. Die Anlage war das erste Automatisierungsprojekt, entsprechend häufig mussten die Verantwortlichen umdenken. „Zu Beginn war es kaum vorstellbar, was die Roboter an Tätigkeiten abnehmen können. Entsprechend hat Eurofins sich gemeinsam mit dem Partner Elbatron Stück für Stück an die Lösung herangetastet. Hinzu kommt der extrem hohe Anspruch an Genauigkeit in den Prozessen, insbesondere beim Dosieren. Hier kommt dem Labor der Umstand zugunsten, dass Roboter eine geringe Fehlerquote bei einer hohen Wiederholgenauigkeit erreichen. 

Herzstück der neuen Anlage sind drei ABB-Sechsachsroboter vom Typ IRB 1200. Ihre große Reichweite und Arbeitshöhe, gepaart mit dem großen Bewegungsumfang prädestiniert sie für filigrane Applikationen dieser Art. Zudem passen die Dimensionen der Roboter gut zur Baugröße der Roboter-Anlage. Darin werden die Proben nun vollautomatisch mit einer hohen Präzision und Wiederholgenauigkeit bis zum messfertigen Probenextrakt aufbereitet. 

Nach der Eingabe der Proben befüllen Roboter die Trays, die jeweils zehn Proben fassen. In einer Rüstzeit sind bis zu 200 Proben prozessierbar, insgesamt lassen sich in 24 Stunden bis zu 400 Proben bearbeiten. Nach der Bestückung mit Probenbehältern fahren die Trays mit den Proben an einem Fließband zur Dosierstation. Dort entnimmt ein Roboter mit einer Pipette die benötigte Menge Flüssigkeit – die Dosierung erfolgt auf den Mikroliter genau. An den Probenbehältern sind QR-Codes mit Informationen zur Art der Probe angebracht, die vom Roboter gescannt werden. Nach Extraktion und einer Salzzugabe schüttelt ein Roboter die Probe. Anschließend wird sie in eine Zentrifuge mit insgesamt 16 Plätzen gegeben. Nach dem Zentrifugieren füllt ein Pipettierarm die behandelte Probe in die Vials. Die Mitarbeitenden im Labor müssen zum Schluss nur noch die messfertigen Vials entnehmen.

Lieber Schauen statt Lesen? Hier gibt es die Story als Video

Vollautomatische Probenaufbereitung für die Pestizidanalytik

Ausgelegt wurde die Roboter-Anlage mithilfe der bewährten Planungssoftware RobotStudio. „RobotStudio ist ein wesentliches Argument für unsere Zusammenarbeit mit ABB, da kaum eine Software auf dem Markt unsere Anforderungen auf diesem Qualitätsniveau erfüllt. Besonders gerne greifen wir auch auf die VR-Funktion von RobotStudio zurück“, berichtet Rainer Herrmann. Dank der Erfahrung von Elbatron in der Laborautomation und der Flexibilität der eingesetzten ABB-Roboter erfolgen jetzt auch komplizierte Arbeitsschritte automatisiert. Manuell erfolgt nur noch die Probeneingabe – und zwar so, dass die Anlage 12 Stunden ohne weitere Eingriffe der Labormitarbeitenden autonom arbeiten kann. Das System ist darauf ausgelegt, auch einen 24-Stunden-Betrieb abzubilden, wenn ein wachsendes Auftragsvolumen dies in Zukunft erforderlich macht.

Für Eurofins ist die robotergestützte Automatisierungslösung ein Gewinn auf ganzer Linie. Dank ihrer hohen Wiederholgenauigkeit und der geringen Fehlerquote im Vergleich zum Menschen helfen die Roboter dem Labor, immer striktere Qualitätsstandards zuverlässig einzuhalten. Im manuellen Prozess lag die Schwankungsbreite der Ergebnisse im zweistelligen Bereich. Mit der Roboteranlage ist sie auf unter 5 Prozent gesunken – bei einem höheren Durchsatz. Die frei gewordenen Kapazitäten nutzen die Labormitarbeitenden, um die Analyseprozesse weiter zu optimieren und neue Methoden der Pestizidanalyse voranzutreiben. In Zukunft ist es denkbar, die Anlage zu erweitern und auch weitere Schritte im Analyseprozess zu automatisieren. „Die Automatisierungslösung hat unsere Anforderungen voll erfüllt und bietet Potenzial für zukünftige Projekte“, resümiert Dr. Alexander Zahm.

Die komplexen Prozesse beim Probenhandling im Analyselabor übernehmen jetzt 3 ABB-Roboter vom Typ IRB 1200