Perfekter Kreislauf: Zeit, dass sich was dreht

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Beim Thema Nachhaltigkeit machen wir keine Kompromisse und setzen uns ehrgeizige Ziele: So wollen wir bis zum Jahr 2030 für 80 Prozent unserer Produkte und Lösungen einen zirkulären Ansatz umsetzen, der den gesamten Lebenszyklus umfasst. Voraussetzung hierfür ist, dass alle relevanten Produktdaten über den gesamten Lebenszyklus zur Verfügung stehen. Dazu zählen etwa Informationen zu Werkstoffen, Komponenten und Prozessen. Das geht nur mit einer entsprechend stringenten Digitalisierung, um die großen Datenmengen handhabbar, zugänglich und nutzbar zu machen. Wie wir das Zirkularitätskonzept anpacken und welche Rolle die Digitalisierung dabei spielt, zeigen die folgenden Beispiele. 

Beispiel 1: Verfügbarkeit von Daten zum CO2-Fußabdruck 

ABB verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz, der die Bereiche Lösungsdesign, Materialbeschaffung, Betrieb, Logistik, Abfallvermeidung sowie Effizienz- und Lebensdaueroptimierung aus Sicht des Unternehmens und des Kunden umfasst. Um ein solches System erfolgreich umzusetzen, sind umfangreiche Informationen zum ökologischen Fußabdruck des Produkts notwendig, beispielsweise in Form des CO2-Äquivalents. Die Europäische Kommission arbeitet derzeit an der Einführung eines digitalen Produktpasses (DPP), der solche Informationen bereitstellen soll.

Das Wichtigste zum Kreislaufprinzips bei ABB und zum digitalen Produktpass kurz erklärt.

Eine weitere Orientierungshilfe ist die ISO 14067 aus der Normenreihe ISO 14060. Sie behandelt die Quantifizierung, Überwachung, Berichterstattung und Validierung von Treibhausgasemissionen. Zudem definiert die ISO 14067 den sogenannten CO2-Fußabdruck eines Produkts (PCF) als Summe der emittierten und entzogenen Treibhausgasmengen über seinen Lebenszyklus hinweg, angegeben als CO2-Äquivalent. 

Doch damit nicht genug: Beinhaltet der PCF auch das CO– Äquivalent der Komponenten, der Produktion und der Intralogistik, wird dies als „Cradle-to-Gate“ (von der Wiege bis zum Werkstor) bezeichnet. Ein „Cradle-to-Grave“-PCF (von der Wiege bis zum Lebensende des Produkts) beinhaltet zusätzlich den CO-Fußabdruck des weiteren Produktlebenswegs einschließlich Transport, Installation, Nutzung und Wiederverwertung bzw. Entsorgung. 

In Deutschland hat der ZVEI (Verband der Elektro- und Digitalindustrie) eine Initiative ins Leben gerufen, an der auch ABB aktiv beteiligt ist. Ziel ist es, den Austausch von CO2-Fußabdruck-Informationen zwischen Unternehmen mithilfe offener Standards und Industrie 4.0-Technologien zu ermöglichen. Entsprechend wurde ein Demonstrator entwickelt, der einen Schaltschrank mit Komponenten von 14 verschiedenen Herstellern umfasst.  

Dabei werden Industrie 4.0-Standards wie die QR-Code-basierte Identifizierung von Komponenten und die Abrufbarkeit des PCF jeder Komponente über eine Verwaltungsschale (Asset Administration Shell, AAS) umgesetzt. Eine AAS ist eine technologie- und herstellerneutrale, interoperable Umsetzung eines digitalen Zwillings, der den gesamten Lebenszyklus eines Assets – in diesem Fall: eines Produktes – umfasst.  

Mithilfe des digitalen Zwillings jedes Produktes sowie des Schaltschranks, der auch die Endmontage beinhaltet, kann der korrekte Cradle-to-Gate-CO2-Fußabdruck für den Schaltschrank ermittelt werden.

Hintergrund Kreislaufwirtschaft & Zirkularitätskonzept

Das Konzept der Kreislaufwirtschaft basiert auf einem geschlossenen System, bei dem Produkte und ihre Komponenten möglichst häufig genutzt und wiederverwendet werden. Werden diese nicht mehr benötigt oder funktionieren sie nicht mehr, gibt es zwei Alternativen: Reparatur oder eine anderweitige Wiederverwendung. Am Ende ihres Lebenszyklus werden sie zerlegt und ihre Komponenten und Rohstoffe zur Herstellung neuer Produkte genutzt.

Beispiel 2: Optimierter Materialfluss in der Bergbauindustrie

Digitalisierung und digitale Zwillinge können in der Bergbauindustrie dazu beitragen, die Nachhaltigkeit zu verbessern. Da der Bergbau zwischen 4 und 7 % der weltweiten CO2-Emissionen und rund 6 % des weltweiten Energieverbrauchs verursacht, haben sich einige Hauptakteure das Ziel gesetzt, bis 2050 CO2-neutral zu werden. Um dies zu erreichen, ist ein ganzheitlicher Ansatz erforderlich, der den Energieverbrauch und CO2-Ausstoß optimiert, beginnend bei der Grube bis zum Verladehafen. Das ABB-Forschungskonzept Material Flow Digital Twin (MFDT) hilft, die notwendige Transparenz zur Verfolgung des kontinuierlichen Materialflusses zu gewährleisten. Durch die Verwendung von MFDT können aktivitätsbasierte Analysen nach den Richtlinien des Weltklimarats IPCC erstellt werden, um einen Online-Überblick über die gesamte Wertschöpfungskette und die damit verbundenen Emissionen zu liefern. Digitale MFDT-Technologien wie Zustandsschätzung, Quantifizierung der Unsicherheit, Was-wäre-wenn-Analysen und Flussoptimierung können strategische Maßnahmen zur Reduzierung der Emissionen in Bergbauprozessen identifizieren. 

Beispiel 3: Unsere „Mission to Zero“ 

Die „Mission to Zero“ von ABB ist ein Konzept für ein CO2-neutrales Ökosystem zur Energieversorgung von Industriebetrieben, Wohngebäuden und Städten.  

Die Mission zielt darauf ab, einen nachhaltigeren Betrieb durch die Digitalisierung und Integration von IoT-Daten aus Produktion, Energieversorgung und Gebäuden eine ressourcenschonendere Betriebsweise zu ermöglichen und damit die Ziele der CO2-Neutralität und Energieautarkie zu erreichen. Die Mission to Zero umfasst auch die Entwicklung von digitalen Zwillingen, um Energieerzeuger (Windkraft oder Solaranlagen) sowie Energieverbraucher (Strom für Gebäude, Heizung, Ladestationen für Elektrofahrzeuge) digital zu integrieren und so eine ganzheitliche Optimierung zu ermöglichen.

Lüdenscheid Mission zu Zero

Eine Installation am Standort der ABB-Tochter Busch-Jaeger in Lüdenscheid zeigt, wie auf diese Weise die Energiewende und Nachhaltigkeit vorangetrieben werden können. Die installierte Technik umfasst eine Solaranlage mit einer Leistung von 1.100 MWh/Jahr sowie ein skalierbares ABB OPTIMAX®-Energiemanagementsystem. An sonnigen Tagen kann der gesamte Strombedarf des Standorts gedeckt werden, wodurch der CO2-Ausstoß um 630 t pro Jahr reduziert wird. 

Anforderungen und Industrie 4.0-Technologien

Aus beschriebenen Anwendungsbeispielen ergeben sich 2 zentrale Voraussetzungen für eine digitale Lösung bzw. ein lebenszyklusbasiertes Nachhaltigkeitskonzept: 

  • Die Asset-Lebenszyklusinformationen müssen während des Lebenszyklus im digitalen Zwilling gesammelt werden. 
  • Die IT-Infrastruktur muss in der Lage sein, die Daten des digitalen Zwillings zu speichern, bereitzustellen und zu vernetzen. 

Damit die Infrastruktur in der Lage ist, digitale Zwillinge zu speichern, bereitzustellen und zu vernetzen, müssen verschiedene Anforderungen erfüllt sein: 

  • Abbildung von physischen Objekten in digitale Zwillinge, z.B. durch industrielle IoT- und cyber-physische Systeme (CPS) 
  • Interoperabilität aller beteiligten Instanzen, wie z. B. IT-, OT- und ET-Systeme verschiedener Unternehmen 
  • lebenslange Verfügbarkeit der Informationen durch Langzeitspeicherung 
  • Unveränderlichkeit und Konsistenz der Informationen. 

Es gibt bereits Technologien, die teilweise die Anforderungen erfüllen, um digitale Zwillinge zu speichern, bereitzustellen und zu vernetzen. Eine eindeutige Identifizierung von Assets kann z. B. über einen weltweit eindeutigen QR-Code oder NFC-Tag realisiert werden (wie in der IEC 61406-1 beschrieben). Dadurch kann stets eine Verbindung zwischen dem physischen Objekt und seinem digitalen Zwilling hergestellt werden. 

Die Verbindung zwischen physischen Objekten und digitalen Zwillingen kann durch industrielle Feldbusse, Ethernet-basierte industrielle IoT-Technologien oder interoperable Technologien wie OPC UA realisiert werden. Durch Integration von herstellerspezifischen Modellen in standardisierte AAS- oder OPC UA-Informationsmodelle kann die Interoperabilität erreicht werden. Außerdem ermöglichen digitale Konzepte wie die AAS die Einbindung von digitalen Zwillingen in Simulationen. 

Durch Analysen und Optimierungen mit Hilfe von Machine Learning (ML) oder künstlicher Intelligenz (KI) können große Datenmengen aus digitalen Zwillingen und digitalen Infrastrukturen nutzbringend eingesetzt werden.  

Digitale Zwillinge können auch helfen, Umweltgesetze und Nachhaltigkeitsvorschriften zu erfüllen, da eine fachgerechte Wiederaufbereitung von Produkten ohne Materialverluste oder Freisetzung von Gefahrstoffen nur mit Hilfe von digitalen Zwillingen möglich ist.  

Dokumentationsanforderungen, die z. B. von RoHS- und WEEE-Richtlinien oder der REACH-Verordnung verlangt werden, können mit Hilfe von digitalen Zwillingstechnologien und -modellen erfüllt werden, die Veränderungen über den Lebenszyklus hinweg berücksichtigen und langfristigen Zugang garantieren. 

Die aktuell in der EU verhandelte Regulierung „Ökodesign für nachhaltige Produkte“ sieht ebenfalls den Einsatz von digitalen Zwillingen für den Informationsfluss entlang der Wertschöpfungskette vor – Stichwort ist hier der „digitale Produktpass“. 

Dieser Beitrag ist enger Zusammenarbeit mit Dr. Thomas Gamer, Dr. Ralf Gitzel, Dr. Sten Grüner, Dr. Jan-Christoph Schlake und Dr. Marco Ulrich vom ABB Forschungszentrum Deutschland entstanden. In mehreren globalen ABB Forschungszenten werden neue Technologien und Lösungen für alle ABB Geschäftsbereiche erforscht und entwickelt. Digitalisierung und Nachhaltigkeit sind dabei zentrale Forschungsbereiche.