Alles aus einer Hand: Prozessleitsystem für Linde

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Bei Minustemperaturen friert’s, doch längst nicht jeder Stoff wird dabei fest. Wasserstoff (H2) etwa geht bei -252,87 Grad Celsius vom gasförmigen in den flüssigen Zustand über – und gehorcht damit anderen Gesetzen als gewöhnliches Wasser (H20). Dieses Phänomen machen sich Hersteller von Wasserstoff für den Transport zunutze: Flüssig lässt sich weitaus mehr H2 von A nach B bringen als im gasförmigen Zustand. Mit Unterstützung von ABB hat Wasserstoff-Experte Linde erfolgreich seine Verflüssigungskapazitäten verdoppelt.

H2 beeindruckt nicht nur mit niedrigen Temperaturen: Auch die Entstehung von Wasserstoff gibt Grund zum Staunen, entsteht er doch – vereinfacht gesagt – als Nebenprodukt aus der chemischen Reaktion von Wasser und Methan oder von Wasser und Kohlenstoffmonoxid. Mit Steamreformern, einer Schlüsseltechnologie der Wasserstoffproduktion, stellen Unternehmen wie die Linde AG auf diese Weise gasförmigen Wasserstoff für Industriekunden her. Vor allem die chemische Industrie, aber auch medizintechnische Unternehmen setzen jedoch auf flüssigen Wasserstoff, etwa zur Kühlung oder Synthese.

Industrielle Prozesse erweitert

Bei Linde in Leuna stand deshalb vor einigen Jahren ein Technologieausbau zur Verflüssigung von Wasserstoff an. Zur Verflüssigung erzeugen spezielle Turbinen die sehr niedrigen Temperaturen. Hatte das Unternehmen lange Zeit gasförmigen Wasserstoff produziert, kam aufgrund der hohen Nachfrage nach der flüssigen Variante bald die erste Verflüssigungsanlage hinzu – und 2020 die zweite mit angepasster Technologie. Bei der neuen Anlage kommen effiziente Turbokompressoren mit Gaslager und miniaturisiertem Antrieb zum Einsatz, um die Turbine zu bewegen – ein wichtiger Schritt hin zu einem ölfreien und verschleißarmen Betrieb mit hohem Wirkungsgrad Wasserstoffproduktion.

Mit den zwei Verflüssigungsanlagen produziert Linde den stark nachgefragten flüssigen Wasserstoff nahezu ausfallsicher: Steht eine Anlage still, etwa aufgrund einer Wartung, läuft die Wasserstoffherstellung in der anderen weiter. In isolierten Tanks lagern Unternehmen wie Linde das fertig verflüssigte Produkt anschließend. Hier lässt er sich für den Transport zu den Abnehmern schnell abtanken.

Prozessleitsystem aus einer Hand

„Die hohe Nachfrage erforderte neben der zweiten Verflüssigungsanlage ein adaptiertes Prozessleitsystem“, erläutert Bodo Hubrig, Teamleiter Service bei ABB, der den Ausbau der Kapazitäten bei Linde begleitete. Das Unternehmen in Leuna setzte in Zusammenarbeit mit ABB auf optimierte Abläufe. ABB steuerte dazu Hard- und Softwarelösungen aus einer Hand bei, die die Prozesse der Verflüssigungsanlagen inklusive Tanklager ausfallsicher automatisieren – und so noch effizienter machen.

Dreh- und Angelpunkt der Neuerungen sind die redundanten Freelance Fieldcontroller AC800F von ABB. Mit ihnen stellt Linde sicher, dass unter anderem Prozesse wie Reinigen, Verdichten und Entspannen in der zweiten Verflüssigungsanlage energieschonend und sicher ablaufen.

Dazu ermöglichen diese Controller eine präzise Steuerung einzelner Komponenten wie Sensoren, Aktoren und Regelventile. Eine sicherheitsgerichtete Steuerung von HIMA schaltet die gesamte Anlage bei Grenzwertüberschreitungen automatisch ab. Die exakt aufeinander abgestimmten Prozesse verringern unnötigen Energieverbrauch und damit indirekt auch CO₂-Emissionen.

Neben der Freelance-Software stellte ABB die entsprechenden Controller bereit, die durch die gesamte Anlage hindurch Pumpen, Verdichter oder Regelarmaturen aktivieren. Die vielseitig einsetzbare Hardware von ABB bot Linde die nötige Flexibilität für die umfassende Anlage.

In einer Branche, die einer strengen Beobachtungspflicht unterliegt, schafft die intuitive Visualisierung die nötige Transparenz – und damit die Grundlage für zeitnahes Eingreifen.

Bodo Hubrig, Teamleiter Service bei ABB

Visualisierung zentraler Systeme

Wo zahlreiche Prozesse zusammenlaufen, ist zudem Durchblick gefragt. ABB integrierte deshalb mit 800xA ein geeignetes DCS aus der Ability Suite, das Bedienern auf einen Blick wesentliche Prozesse der beiden Verflüssigungsanlagen und acht weiterer Systeme übersichtlich darstellt, darunter auch die Steamreformer. Prozesswerte und Produktflüsse bildet 800xA grafisch ab und unterstützt damit Bediener bei der täglichen Kontrolle. „In einer Branche, die einer strengen Beobachtungspflicht unterliegt, schafft die intuitive Visualisierung die nötige Transparenz – und damit die Grundlage für zeitnahes Eingreifen, wenn Abläufe es erfordern“, erläutert Hubrig.

Apropos Prozesse: Um die Wasserstoffproduktion nicht zu beeinträchtigen, arbeiteten Linde und ABB in Leuna nach einem wohlkoordinierten Plan, der Stillstände auf ein Minimum reduzierte. „Wir unterbrachen die Produktion nur innerhalb bestimmter Zeitfenster, damit Wasserstoffverflüssigung und -transport weitestgehend ungestört weiterlaufen konnten. Die neuen Turbinen testeten wir in einem ersten Schritt zudem ohne Produkt, um die Sicherheit der Anlage zu gewährleisten.“

Auch der Transport der Tanks erwies sich als logistische Herausforderung: Damit die bis zu 30 Meter langen Konstruktionen sicher in Leuna ankamen, mussten Straßen gesperrt und die Routen genau geplant werden. Die Prozesslösung von ABB hat sich bewährt: „Seit 2022 läuft die Verflüssigung bei Linde dank ABB mit doppelter Kapazität und ermöglicht eine wirtschaftliche wie sichere Herstellung von Wasserstoff“, so Hubrig