Small Modular Reactors (SMR): Das grüne Comeback der Kernenergie – auch auf See?

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Neue Entwicklungen bei kleinen modularen Reaktoren (Small Modular Reactors oder SMR) eröffnen Chancen für eine klimaneutrale Zukunft der Schifffahrt. ABB ist technologisch bereit für diesen Schritt.

Die internationale Schifffahrt steht vor einem gewaltigen Umbruch. Rund 90 Prozent des globalen Warenverkehrs erfolgen über See – doch die Branche verursacht fast drei Prozent der weltweiten CO₂-Emissionen. Mit wachsendem Druck, bis 2050 klimaneutral zu werden, sind neue Energiequellen dringend gesucht. Wasserstoff, Ammoniak und E-Fuels gelten als Alternativen. Sie stoßen jedoch an Grenzen: Die Herstellung ist teuer, die Verfügbarkeit oft noch begrenzt. Immer häufiger taucht deshalb eine Technologie in der Diskussion auf, die lange Zeit als zu riskant galt – die Kernenergie. Genauer gesagt: Small Modular Reactors (SMRs), also kleine, modulare Kernreaktoren, die als kompakte Energiequelle in Betracht gezogen werden – auch für Schiffe.

Was sind Small Modular Reactors (SMR)?

SMR-Konzepte unterscheiden sich grundlegend von klassischen Atomkraftwerken. Sie sind deutlich kleiner, bestehen aus modularen Komponenten und können in Fabriken vorgefertigt werden. Ein SMR oder Kompaktreaktor liefert in der Regel zwischen 5 und 50 Megawatt (MW) elektrische Leistung – genug, um ein großes Containerschiff über die Ozeane zu treiben.

Im Gegensatz zu herkömmlichen Reaktoren benötigen SMRs keine ständige Brennstoffzufuhr und erzeugen weniger Abfall. Moderne Reaktortypen wie Hochtemperatur-, Flüssigmetall- oder Salzschmelzreaktoren arbeiten außerdem mit passiven Sicherheitssystemen. Das ist ein wichtiger Unterschied, denn es bedeutet, dass SMRs gewissermaßen „per default“ abgesichert sind: Im Notfall ist kein (menschliches) Eingreifen nötig, um sie stabil zu halten. Diese neuen Konzepte – oft als Generation IV bezeichnet – machen den atomaren Antrieb zu einem ernstzunehmenden Kandidaten für die Dekarbonisierung der Schifffahrt.

Wichtige Unterschiede zu herkömmlichen Kernkraftwerken:

  • Sicherheit: SMRs nutzen passive Kühlsysteme, die ohne externe Stromversorgung funktionieren. Statt Pumpen und Ventile übernehmen Schwerkraft und Wärmeleitung den Kühlkreislauf.
  • Bei steigender Temperatur beginnt das Kühlmittel von selbst zu zirkulieren, gibt Wärme an Wärmetauscher ab und sorgt so für eine selbstregulierende Kühlung. Dadurch bleibt der Reaktor auch bei Stromausfall stabil – eine Kernschmelze wie in klassischen Anlagen ist physikalisch nahezu ausgeschlossen.
  • Zusätzlicher Sicherheitsfaktor: die kompakte Größe. Ein SMR erzeugt nur einen Bruchteil der Leistung eines Großreaktors, wodurch das radioaktive Inventar und auch die sogenannte Nachzerfallswärme (Restwärme nach Abschaltung) deutlich geringer sind.
  • Selbst im theoretischen Störfall würde die freigesetzte Energie um Größenordnungen kleiner ausfallen als bei Reaktoren vom Typ Tschernobyl oder Fukushima.
  • Zudem sind viele SMR-Designs unterirdisch installiert oder vollständig abgeschirmt, was das Risiko äußerer Einwirkungen minimiert.
  • Brennstoff und Abfall: Durch moderne Brennstofftechnologien wie TRISO-Partikel entsteht deutlich weniger radioaktiver Abfall. Viele SMR-Designs sind so ausgelegt, dass sie über Jahrzehnte ohne Nachbetankung laufen und am Ende als versiegelte Einheit zurückgeführt werden können.
  • Leistung und Einsatz: Mit einer elektrischen Leistung von 5 bis 300 MW (bzw. 300 MWe – „Megawatt elektrisch“) sind SMRs kleiner und flexibler als herkömmliche Reaktoren und eignen sich für Inselnetze, industrielle Anwendungen – oder eben den Antrieb von Schiffen.

Entwicklungsstand: SMR-Technologien befinden sich weltweit in der Demonstrations- und frühen Kommerzialisierungsphase.

  • Russland hat mit der Akademik Lomonosov bereits eine schwimmende Anlage mit zwei SMR-Reaktoren in Betrieb genommen.
  • In China wird derzeit der landbasierte Reaktor Linglong One gebaut.
  • Weitere Projekte laufen in den USA, Kanada, Großbritannien und Südkorea, befinden sich aber noch in der Genehmigungs- oder Testphase.

SMRs verbinden die Vorteile der Kernenergie mit modernen Sicherheitsstandards und geringerer Abfallmenge. Sie gelten als Schlüsseltechnologie für eine CO₂-freie Energiezukunft – sowohl an Land als auch auf See.

Von Norwegen bis Südkorea: Die Vision der nuklearen Schifffahrt

Was bis vor Kurzem wie Science-Fiction klang, nimmt so langsam konkrete Gestalt an: In Norwegen arbeitet das Projekt NuProShip (Nuclear Propulsion in Shipping) an einem kommerziell tragfähigen Null-Emissionsantrieb für Hochseeschiffe. Der Fokus liegt auf Reaktoren mit einer Leistung zwischen fünf und 15 Megawatt – ideal für Tanker oder große Frachter. Eine Studie des norwegischen Green Shipping Program zeigt: Bereits 2035 könnte das erste kommerzielle Schiff mit einem kleinen modularen Reaktor in Betrieb gehen.

Bild: Adobe Stock

Auch in anderen Ländern wächst das Interesse. In Südkorea erhielt der Entwurf eines 15.000 TEU-Containerschiffs mit SMR-Antrieb die erste Zulassung („Approval in Principle“). In Großbritannien wird an regulatorischen Rahmenbedingungen für einen Rolls-Royce SMR gearbeitet – und Italien diskutiert sogar über den Einsatz von Kompaktreaktoren auf Superyachten.

Diese Dynamik zeigt: Die maritime Welt bereitet sich aktiv auf den Einsatz von Small Modular Reactors vor – unterstützt von internationalen Organisationen wie der International Atomic Energy Agency (IAEA) und der Nuclear Energy Maritime Organization (NEMO), die derzeit globale Standards und Sicherheitsrichtlinien erarbeiten.