Power-to-X: Strategische Partnerschaft in der Energie­erzeugung - „Die Chemie stimmt“

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Grüner Strom versorgt nicht nur Industrie und Haushalte mit sauberer Energie. Er lässt sich auch speichern und umwandeln – etwa in Gas, Kraftstoffe oder Chemikalien. Einen solchen Power-to-X-Kreislauf hat das Rostocker Start-up-Unternehmen CYTOK patentiert und damit das Interesse von ABB geweckt. Was beide Unternehmen verbindet und wohin sie mit einer jüngst eingegangenen Partnerschaft steuern, erläutern Manfred Woerl, verantwortlich für die strategische Geschäftsentwicklung im Bereich industrielle Dekarbonisierung bei ABB Energy Industries, und Klaus Schirmer, Geschäftsführer von CYTOK.

Power-to-X gilt als Schüssel, um Strom aus erneuerbaren Quellen zu speichern und umzuwandeln. Was macht den Ansatz von CYTOK so besonders?

Klaus Schirmer: Wir haben ein emissionsfreies Energieversorgungssystem entwickelt, mit dem sich Methan emissionsfrei herstellen, speichern und verbrennen lässt. Strom aus erneuerbaren Quellen dient dabei als Grundlage: Energie aus Windrädern oder PV-Anlagen beispielsweise lässt sich nutzen, um Wasserstoff herzustellen. Bei der sogenannten Wasserelektrolyse spaltet Strom Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff auf. Wasserstoff wiederum bilden die Grundlage für Methan, das sich aktuell kosteneffizienter speichern lässt als Wasserstoff – und etwa zur Stromerzeugung in entsprechenden Kraftwerken verbrannt wird.

Methan gilt als klimaschädliches Gas. Wie verhindert der Ansatz, dass CO2 die Atmosphäre belastet?

Klaus Schirmer: CO2, das bei der Verbrennung von Erdgas entsteht, wird bei unserem Konzept gespeichert, genau wie der Strom. In Fachkreisen spricht man von „Carbon Capture Utilization“, d. h. eine sinnvolle Nutzung zurückbehaltener Emissionen. Da sind wir mit unserem Ansatz angekommen. Der Kohlenstoffdioxid dient zur Herstellung von neuem Methan aus Wasserstoff, der selbst aus „grünem“ Strom entsteht. So gewährleisten wir ebenfalls grünes, weil emissionsfrei erzeugtes Methan und eine CO2-freie Gasverbrennung in einem. Dazu braucht es nicht zwingend neue Infrastruktur: Vorhandene Erdgastechnologie reicht aus, um diese dezentrale Fabrik zu betreiben. Dass der Ansatz funktioniert, haben wir mit einer Referenzanlage in Niedersachsen unter Beweis gestellt.

Von links nach rechts: Atakan Özcay (Division Manager Germany PAEN bei ABB),Manfred Woerl (Geschäftsentwicklung im Bereich industrielle Dekarbonisierung bei ABB PAEN) und Klaus Schirmer (Geschäftsführer von CYTOK) am ABB-Stand auf der H2 Expo in Hamburg.

Als Start-up bewegen Sie sich in einem umkämpften Markt und müssen kapitalintensive Investitionen stemmen. Dabei unterstützt dann ABB?

Manfred Wörl: So ist es. Der patentierte Ansatz von CYTOK bietet Vorteile für beide Seiten. Wir als Konzern können uns weiter differenzieren und ein System anbieten, das für viele B2B-Abnehmer attraktiv sein könnte, beispielsweise aus dem Gebäudesektor. An der Lösung besteht weltweit großes Interesse, auch unter den Kunden von ABB. Für CYTOK ergeben sich durch die Partnerschaft wichtige Kontakte in die Industrie, die für ein Start-up essenziell, aber nicht einfach zu knüpfen sind.

Klaus Schirmer: Das stimmt. ABB weckt Vertrauen, und damit haben wir einen großen Vorsprung gegenüber Wettbewerbern. Die patentierte Kreislauflösung dient als Türöffner, um Interesse bei Markteilnehmern zu wecken und frühzeitig den Anschluss an Power-to-X-Projekte zu finden. Wir nehmen über die Partnerschaft jedoch nicht nur an wichtigen Fachvorträgen und Symposien teil. Dank ABB können wir auch auf versierte Experten zugreifen, um unser System weiterzuentwickeln. Die Expertise von ABB aus der Elektrotechnik oder der Automatisierung von Großkraftwerken hilft uns dabei ungemein.

Stichwort Interesse: Wie wurde ABB auf CYTOK aufmerksam?

Manfred Wörl: ABB geht es um eine effiziente Elektrifizierung zahlreicher Branchen. Wasserstoff spielt dabei eine wichtige Rolle – aber auch weitere Alternativen. Dazu forschen wir intensiv. An Power-to-Gas-Konzepten und dem Kreislaufansatz bei Energiefabriken führt kein Weg vorbei. So stießen wir auf CYTOK und lernten das Unternehmen bei einem ersten gemeinsamen Projekt genauer kennen. Dabei zeichnete sich schnell ab, dass die Chemie stimmt. Das Wissen auf beiden Seiten lässt sich langfristig nutzen – in Dienst einer weltweit nachhaltigen Energieversorgung.

Seit der Partnerschaftsvereinbarung im April ist ein gutes halbes Jahr vergangen. Was steht als nächstes an?

Klaus Schirmer: Wir möchten erste Schritte in bestehenden Projekten für industrielle energieerzeugende Lösungen angehen – nicht nur in Deutschland, sondern international. Dabei gilt es Machbarkeiten aufzuzeigen und Business Cases zu entwickeln. Langfristig wollen wir auch eine dezentrale Energiefabrik an einem der wichtigen Netzknoten in Deutschland bauen, um grünes Methan und grünen Strom hierzulande zu erzeugen.

CYTOK

Das Rostocker Unternehmen besteht seit 2023 und hat sich auf die innovative Systemlösungen für eine nachhaltige Energieversorgung und Energiespeicher mit Power-to-X-Technologie spezialisiert. Neben der patentierten Kreislauf-Technologie konzentriert sich CYTOK auf schüsselfertige Energiefabriken zur Produktion von biogenen Kraftstoffen, etwa für den Straßen- oder Flugsektor. Mit der ABB AG Mannheim unterzeichnete CYTOK im April 2024 einen Vertrag über eine strategische Partnerschaft. Gemeinsam wollen CYTOK und ABB emissionsfreie Lösungen zur Energieversorgung und Energiespeicherung der Zukunft vorantreiben.