Rekordverdächtig: Roboter im rasanten Zusammenspiel

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Intro

Die Familie hält zusammen. So könnte man ein erfolgreiches Automatisierungsprojekt bei ABB STOTZ-KONTAKT zusammenfassen. Aber beginnen wir der Reihe nach: Als ABB-Tochter entwickelt und fertigt STOTZ-KONTAKT Produkte für die elektrische Ausrüstung und Automatisierung von Gebäuden, Maschinen und Anlagen. Ihre Palette von Motorschutzschaltern zählt zu den umfangreichsten im Markt. Daher werden bei der der Produktion viele verschiedene Bauteile benötigt – was eine Automatisierung zur Herausforderung macht.

„Die Klemme mit vormontierter Schraube kommt in fünf Varianten zum Einsatz, die Fesselfeder weist sogar acht Varianten auf. Hinzu kommt: Federn verheddern oder verklumpen leicht. Wir waren also auf der Suche nach einer Lösung, die zum einen in der Lage ist, die Variantenvielfalt in den Griff zu bekommen und zum anderen eine flexible Teilezuführung bietet. All das bei einer Taktzeit von knapp unter zwei Sekunden.“

Marco Sturm, Production Development Specialist bei ABB STOTZ-KONTAKT

Mit einer hauseigenen Robotics-Division ist die ABB-Familie denkbar gut für die Umsetzung solch komplexer Automatisierungsvorhaben gewappnet. Und darüber hinaus holte sie sich auch noch weitere Unterstützung vom Automatisierungs-Spezialisten OKU Automation mit ins Boot.

Doppelte Zuführung pro Roboterzelle zur Einhaltung der Taktzeit

Das Ergebnis sind zwei robotergestützte Fertigungszellen – zur Handhabung der Klemmen sowie der Fesselfedern – die beide im Prinzip denselben Prozess verfolgen: Das Schüttgut gelangt über Bunker und Steigförderer in die Anlage und muss für den weiteren Prozess mittels Robotik und Vision-Technologie positionsgenau vereinzelt werden. Die beiden Zellen sind an die Fertigungslinie angebunden und bestücken ein Werkstückträgersystem, welches einen Puffer innerhalb der Fertigungslinie bildet. Die Experten der OKU Automation übernahmen hierbei die mechanische Konstruktion und den Aufbau, während ABB Robotics die Programmierung von Zuführung, Roboter, Vision- und Gesamtsystem verantwortete.

Doch was sich so simpel beschreiben lässt, erwies sich in der Umsetzung als durchaus komplex – gerade im Hinblick auf die Taktzeit.

„Wir hatten recht früh realisiert, dass eine Zuführung pro Anlage nicht ausreicht, wenn der Roboter jedes Teil in weniger als zwei Sekunden erkennen, greifen und ablegen soll“.

Alexander Bräunling, Vertriebsingenieur bei ABB Robotics

Die beiden Anlagen sind daher zweibahnig ausgeführt, sprich: Federn und Klemmen werden über Vibrationsbunker auf jeweils zwei Vibrationsplatten gefördert. Aufgrund der erzeugten Vibrationen verteilen sich die Teile gleichmäßig auf den Platten. Zum Einsatz kommt hier das ABB-Funktionspaket Asycube, das eine Schnittstelle zur Zuführtechnik des Herstellers Asyril bietet. Das Funktionspaket besteht aus einer vorkonfigurierten Benutzeroberfläche und Hardwarekomponenten, die ABB-Roboter und Zuführungstechnologie zu einem einheitlichen System kombinieren.

Mit Hilfe eines weiteren ABB-Funktionspaktes – Integrated Vision – erfolgt im nächsten Schritt die Teileerkennung. Jeweils eine Cognex-Kamera nimmt ein Bild von der Lage der Teile auf den Vibrationsplatten auf und wertet diejenigen aus, die der Roboter letztlich „abgreifen“ und in den Werkstückträger einlegen kann. Diese klassische Pick-and-Place-Aufgabe erledigt in beiden Zellen der IRB 1100 von ABB. Der sechsachsige Kleinroboter kann hier seine Vorteile voll ausspielen: Er übertrifft ähnliche Roboter seiner Klasse in Bezug auf Traglast und Positionswiederholbarkeit, auch bei beengten Platzverhältnissen, und ist daher für die Handhabung der Klemmen und filigranen Fesselfedern prädestiniert.

Verkürzte Projektzeit dank Simulationssoftware

Für die Simulation der Roboterbewegungen und für die Taktzeitanalyse kam die Simulations- und Offline-Programmiersoftware RobotStudio von ABB zum Einsatz. So waren realistische Simulationen der Pick-and-Place-Prozesse auf die Millisekunde genau möglich. Bei RobotStudio handelt es sich um eine virtuelle Umgebung für die Programmierung und Simulation kompletter Roboterinstallationen.

Möglich macht dies der Virtual Controller, eine Kopie der Original-Robotersoftware inklusive der Konfigurationen, die in der realen Produktion zum Einsatz kommen. Anhand von digitalen Zwillingen der jeweiligen Fertigungszellen lassen sich mittels RobotStudio Zellendesigns offline erstellen und testen, ohne den laufenden Betrieb unterbrechen zu müssen. Dies verkürzt die Projektzeit signifikant und hilft, das Zellendesign vor dem Bau des physischen Pendants zu optimieren. Mithilfe von RobotStudio konnten die Projektpartner die Implementierung beschleunigen und etwaige Störungen im Anlaufprozess vermeiden.

Übergeordnete Programmierung als weiterer, entscheidender Erfolgsfaktor

Ohnehin galt der Programmierung ein besonderes Augenmerk, besonders vor dem Hintergrund der Tatsache, dass Zuführung, Robotik und Bildverarbeitung optimal zusammenspielen müssen, um den hohen Zielen in Sachen Taktzeit gerecht zu werden. So musste das Team in diesem Fall nicht nur jedes der drei Systeme programmieren und in Betrieb nehmen, sondern auch ein übergeordnetes Programm erstellen, das alle drei „Mitspieler“ koordiniert.

„Diese sogenannte ‚Hintergrundtask‘ erledigt ein weiteres Programm in der Robotersteuerung. Wenn etwa keine Teile mehr vorhanden sind, erfolgt eine Meldung an die Kamera. Diese nimmt eine entsprechende Sichtprüfung vor und meldet den Status zurück. Befinden sich tatsächlich keine greifbaren Teile mehr auf der Platte, wird der Bunker angewiesen, entsprechend neue Federn oder Klemmen zu liefern.“

Christian Goy, Applikationsingenieur und Sofware-Spezialist bei ABB Robotics.

Ähnlich verhält es sich im umgekehrten Fall, wenn sich etwa die Federn zu sehr verheddern und Klumpen bilden. Sie werden dann automatisch in eine Auffangschale gegeben.

Fakt ist: Mit einer derart ausgeklügelten Automatisierungsanlage hat sich die ABB STOTZ-KONTAKT entscheidende Vorteile in der Produktion ihrer Motorschutzschalter verschafft. Sie bietet ein hohes Maß an Flexibilität, da sich mehrere Varianten eines Bauteils mit nur einer Zuführung transportieren lassen. Darüber hinaus bringen die Präzision und Schnelligkeit von Robotik ein Plus an Produktivität, Qualität und Liefertreue.

„Wir alle sind begeistert von der Automatisierungslösung, da es sie in dieser Form und in dieser Geschwindigkeit bis dato nicht gab. Mehr noch: Sie eröffnet uns die Möglichkeit, weitere Bereiche unserer Fertigung zu automatisieren, was bisher aufgrund der Komplexität der Teilezuführung kaum denkbar war. Sie ist für uns ein entscheidender Türöffner.“

Thorsten Gerth, Production Development Specialist bei ABB STOTZ-KONTAKT