Was Roboter bewegt: ABB-Steuerungen von der revolutionären S1 bis OmniCore

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Maschinen motiviert nichts. Antriebslos sind sie deswegen noch lange nicht. Ganz im Gegenteil: Dank leistungsstarken Motoren können Industrieroboter komplexe Bewegungen ausführen und schwere Lasten heben. Dafür sorgt nicht zuletzt die Robotersteuerung, mit denen sich die Abläufe überhaupt erst koordinieren lassen.

Man stelle sich vor, wie eine Stahlkonstruktion mit mehreren Achsen wendig – und ohne fremde Hilfe – Autoteile verschweißt. Die Szene spielt sich seit Jahrzehnten in den Produktionshallen vieler Hersteller ab. Und auch in der Lebensmittel- und Getränkebranche leisten Industrieroboter unschätzbare Hilfe, wenn auch bei anderen Tätigkeiten als dem Punktschweißen. Vielen Industrierobotern gemein sind eine hohe Wendigkeit, Präzision und Geschwindigkeit, die sie zu einer unumgänglichen Automatisierungstechnologie machen.

Damit Roboter jedoch so reibungslos und schnell zusammenspielen, dass der Schweißlaser die richtige Stelle trifft oder ein Saugwerkzeug akkurat einen Schokoriegel vom Transportband greift, müssen sich die Bewegungen der Roboter exakt koordinieren lassen. Steuerungen spielen deshalb eine genauso essenzielle Rolle wie die Mechanik selbst. Und sie haben sich seit Mitte der Siebzigerjahre ebenso rasant entwickelt. Während die Evolution der Roboterkinematik Schritt für Schritt erfolgte, haben sich Steuerungen, Bedienerschnittstellen – einschließlich Mensch-Maschine-Schnittstellen (MMS) – und deren Softwaresysteme von Grund auf verändert.

Meister der Steuerung

Los ging es 1974: Mit dem IRB 6 brachte ABB den ersten vollelektrischen Industrieroboter mit einer Traglast von sechs Kilogramm auf den Markt, der die bis dahin üblichen hydraulischen Lösungen rasch in den Schatten stellte. Er arbeitete leiser, genauer und verfügte über die S1, die erste Robotersteuerung von ABB. Die Voraussetzungen für diesen technologischen Sprung waren Mitte der Siebzigerjahre ideal: Intel hatte wenige Jahre zuvor den ersten Mikroprozessor auf den Markt gebracht. Auch Steuerungen und Getriebe hatten sich weiterentwickelt, sodass die findigen ABB-Ingenieurinnen und Ingenieure um Björn Weichbrodt auf die Idee kamen, beides zu kombinieren. Bediener entlastete die S1 mit bis dahin unbekannter Einfachheit: Eine vierstellige LED-Anzeige, zwölf Drucktasten und eine rudimentäre Softwareunterstützung für die Achseninterpolation und Bewegungssteuerung machten den Umgang mit dem IRB 6 ansatzweise intuitiv.

Auf diese große Errungenschaft folgten weitere erfolgreiche Versionen der S-Steuerung. Sie alle machten die Steuerungsprozesse und die Leistung der Roboter stets ein Stückweit besser. Unter den vielen Varianten sticht die S4 aus dem Jahr 1994 hervor, veränderte sie die bis dahin bestehende Steuerungslandschaft doch ähnlich fundamental wie die S1. Mit der S4 ließen sich erstmals sechs externe Achsen, alle Schweißparameter sowie die sechs Achsen des Roboters steuern. Und nicht nur das: Dank der S4 arbeiteten Bediener und Roboter noch reibungsloser zusammen, da die Steuerung das „Teach Pendant“ umfasste. Die an Windows angelehnte Umgebung bot Dropdown-Menüs und Dialogfelder, um die Einrichtung und Bedienung des Roboters weiter zu vereinfachen. Außerdem wurde mit der S4 die bis heute genutzte Programmiersprache RAPID eingeführt.

Flexibler und sicherer mit IRC5

Im Jahr 2004 machte ABB mit der fünften Generation ihrer Industrierobotersteuerung, der IRC5, einen weiteren großen Schritt nach vorn. Mit MultiMove bot die IRC5 eine neue Funktion, um bis zu vier ABB-Roboter plus Werkstückpositionierer und andere Servogeräte – insgesamt bis zu 36 Achsen – vollständig koordiniert zu steuern. Die Verwendung von nur einer Steuerung für bis zu vier Roboter minimiert die Installationskosten und steigert die Qualität und Produktivität. Gleichzeitig ergeben sich völlig neue Anwendungsmöglichkeiten: Zwei Lichtbogen-Schweißroboter können etwa im Tandembetrieb am selben Werkstück arbeiten und dabei sogar eine Wärmequelle halten, um beim Abkühlen ein Verziehen durch Schrumpfung zu verhindern. Und: Zwei oder mehr Roboter können auch eine Last heben, die die Tragkraft eines einzelnen Roboters übersteigt. Auf der Suche nach einer schlanken Robotersteuerung entwickelte ABB ein modulares Konzept für die IRC5, bei dem die Funktionen logisch in Steuerungs-, Achsantriebs- und Prozessmodule aufgeteilt sind.

Im Jahr 2007 bot ABB überdies mit SafeMove eine Lösung, bei der teure Schutzvorrichtungen durch eine elektronische Antriebsüberwachung ersetzt werden können. SafeMove läuft auf einem unabhängigen Computer im Schaltschrank der IRC5. Das System ermöglicht eine zuverlässige, fehlertolerante Überwachung der Geschwindigkeit und Position des Roboters sowie die Erkennung ungewollter bzw. verdächtiger Abweichungen. Das Ergebnis: Roboter und Menschen können sicher und effizient Seite an Seite arbeiten.

In dieser Hinsicht spielt auch die cloudbasierte Service-Suite „Connected Services“ eine wichtige Rolle: Die 2007 eingeführte Fernwartungstechnologie von ABB reduziert Ausfallzeiten der Maschinen und den Wartungsaufwand vor Ort erheblich. Dazu liest die in den Roboter integrierte Technologie die Daten der Steuerung aus und sendet diese direkt an ein entferntes Service Center zur automatischen Analyse. Supportexperten haben so Zugang zu allen relevanten Informationen über den Zustand der Roboter, können aus der Ferne Störungsursachen feststellen und dem Nutzer rasche Unterstützung beim Neustart des Systems bieten. Viele Probleme lassen sich dadurch lösen, ohne dass ein Techniker überhaupt anreisen müsste – das spart Energie und schont die Umwelt. Ist ein solcher Eingriff vor Ort dennoch erforderlich, kann das Supportpersonal das Problem mithilfe der vorhergehenden Ferndiagnose rasch und mit minimalem Aufwand lösen. Über die MyRobot-Website können Nutzer zudem jederzeit und von überall den Status ihrer Roboter überprüfen und auf wichtige Wartungsinformationen zugreifen.

Die Digitalisierung im Blick

Im Jahr 1994, als die S4 auf den Markt kam, brachte ABB auch die Virtual-Robot-Technologie heraus. Mit dem einzigartigen Konzept wird das Robotersystem auf einem PC simuliert. Dabei kommt ein ähnlicher Code zum Einsatz, wie er auch zur Steuerung des echten Roboters dient. 2004 kam mit der IRC5 die zweite Generation von Virtual Robot ins Portfolio. In dieser Version wird noch mehr Steuerungscode simuliert, um absolute Transparenz zwischen der virtuellen und der echten IRC5-Steuerung zu schaffen. So lassen sich bereits im Offline-Betrieb präzise Programme erstellen, die sofort voll einsatzfähig sind, so die Vorlaufzeit verkürzen und die Einrichtungskosten senken. Aufbauend auf dieser Kerntechnologie entwickelte ABB die Software RobotStudio, die eine echte Offline-Programmierung und -Kundenanpassung ermöglicht.

Einen Höhepunkt der sehr erfolgreichen Digitalisierungsreise von ABB bildet zweifelsfrei OmniCore, die 2018 erstmals auf der Münchner Automatica vorgestellt wurde – und damit erneut Maßstäbe setzte. Statt einer einzelnen Steuerungstechnologie bietet OmniCore eine zentrale Plattform, über die sich alle steuerungsrelevanten Komponenten von Robotern verzahnen und steuern lassen, von KI-, Sensor- und Cloud- bis hin zu Edge-Computing-Systemen. So unterstützt ABB Robotik-Nutzer dabei, ihre Prozesse noch schneller und individueller zu automatisieren. Der Schlüssel dazu liegt in der OmniCore-Plattform selbst, die Zugang zur vielseitigen Technologie von ABB Robotics verschafft.

„OmniCore öffnet die Tür zum gesamten Hard- und Softwareportfolio von ABB Robotics, in beliebiger Kombination und auf einer einzigen Steuerungsplattform. Das schafft unbegrenzte Möglichkeiten und neue Wege der Wertschöpfung.“

Marc Segura, Leiter der Division Robotics bei ABB

Der Entwicklung sehr spezifischer Robotikanwendungen steht dank der skalierbaren, modularen Steuerungsarchitektur nichts im Weg: Mit über 1.000 Hard- und Softwarefunktionen können Anwender ihre Betriebsabläufe ganz einfach planen, ausführen, warten und optimieren. Was praktisch klingt, wirkt sich auch positiv auf die Produktivität von Robotiksystemen aus: Im Vergleich zur bisherigen ABB-Steuerung ermöglicht OmniCore einen bis zu 25 Prozent schnelleren Roboterbetrieb.

Energie intelligent genutzt

Der hohe Stellenwert, den die Nachhaltigkeit bei ABB genießt, zeigt sich auch bei OmniCore. Mit der neuen Plattform können Nutzer den Energieverbrauch ihrer Roboter gegenüber der IRC5-Steuerung um 20 Prozent reduzieren. Regeneratives Bremsen spart darüber hinaus zusätzliche Energie: Beim Abbremsen des Roboters geht kinetische Energie dank OmniCore in das Stromnetz der Fabrik zurück. Nutzer sparen so den Platz, das Geld und die Zeit, die der Aufbau eines externen Energiespeichers benötigen würde – und leisten so einen wichtigen Beitrag zu den eigenen Nachhaltigkeitszielen.

Auch Bedienern erleichtert ABB mit OmniCore den Alltag – selbst dann, wenn das Personal nicht vom Fach ist: Über eine einheitliche Management-Schnittstelle können Bediener die ABB-Roboter intuitiv steuern. Dabei erweitern sie ihre Fähigkeiten bei kritischen Vorgängen wie Schweißen, für die es derzeit nicht ausreichend Fachkräfte gibt. Spezielle Software erleichtert das Lernen: Anwendungen zur einfachen Bedienung einzelner Roboter – von der intuitiven grafischen Programmierung bis hin zu neuesten KI-gestützten Lernverfahren – sorgen dafür, dass sich auch ohne spezielle Programmierkenntnisse schnelle Erfolge mit ABB-Robotern einstellen.

Kein Ende in Sicht

Langfristig sollen Roboter noch interaktiver und intelligenter werden, etwa durch generative KI, die über sogenannte Large Language Models neue Inhalte generiert. Diese können Rückfragen und damit Diskussionsinhalte umfassen, die in naher Zukunft einen sprachlichen Austausch zwischen Mensch und Roboter ermöglichen. OmniCore, soviel steht fest, bildet eine wesentliche Stütze auf dem Weg dorthin: Durch die einfache Integration neuer Technologien in die Architektur stünde selbst eine KI-Lösung vielen Nutzern rasch zur Verfügung – und einem weiteren Meilenstein von ABB Robotics nichts im Weg.

50 Jahre ABB Robotics

In unseren Artikeln über die vergangenen fünf Jahrzehnte findest Du die ganze Geschichte von ABB Robotics. Von der Entwicklung des ersten modernen Industrieroboters über die Robo-Revolution in der Automobilindustrie bis zu den Lehren, die ABB Robotics aus Bill Gates Erfolg zog.

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