Autonome mobile Roboter (AMR) mit KI: Eine Revolution für die Industrie?

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Autonome mobile Roboter (AMR) sind schon lange im Einsatz, vor allem in Produktion und Logistik. In den letzten Jahren haben sie sich dank KI und 3D-Bildverarbeitung jedoch rasant weiterentwickelt. Daher könnten AMR viele Prozesse bald völlig revolutionieren.

ABB Robotics hat das Potenzial von AMR früh erkannt. Bereits im Jahr 2021 wurde das eigene Portfolio durch die Übernahme der ASTI Mobile Robotics Group, einem der traditionellen Marktführer in diesem Segment, um mobile Roboter erweitert.

Um diese Strategie weiter zu stärken, übernahm ABB im Jahr 2023 auch Sevensense Robotics, ein Schweizer Unternehmen, das auf die VSLAM-Technologie (Visual Simultaneous Localization and Mapping) spezialisiert ist. Die KI-gestützte Technologie gilt als ein Game Changer, die es AMR ermöglicht, sich völlig selbständig in einer gänzlich unbekannten Umgebung zu orientieren und dort präzise und zielsicher durch komplexe und unvorhersehbare Verkehrssituationen zu navigieren.

Diese Fähigkeit erweitert die Einsatzmöglichkeiten von autonomen mobilen Robotern enorm, was erhebliche Auswirkungen auf die industriellen Prozesse haben wird. Perspektivisch ist es sogar denkbar, dass uns AMR in Zukunft auch jenseits von Industriehallen begegnen, z.B. in Krankenhäusern, Restaurants und Supermärkten.

Was sind autonome mobile Roboter?

Autonome mobile Roboter sind weit mehr als nur selbstfahrende Fahrzeuge. Denn sie können sich selbständig mit ihrer Umwelt austauschen. Einige konkrete Beispiele hierfür:

01Automatische Beladung und Entladung: AMR können mit verschiedenen Mechanismen ausgestattet sein, um sich selbständig zu be- und entladen. Zum Beispiel können sie über eine Gabelstablergabel verfügen, die es ihnen ermöglicht, Paletten oder Behälter aufzunehmen oder abzusetzen.
02Informationen verarbeiten: AMR können Informationen über die zu transportierenden Objekte verarbeiten. Das versetzt sie in die Lage, auf Veränderungen entsprechend zu reagieren und ihre Aktionen anpassen, um ihre Handlungsanweisungen möglichst effizient umzusetzen.
03Reaktionsfähigkeit: AMR können mit verschiedenen Sensoren wie QR-Codes, Kameras oder Laserscannern ausgestattet sein, um Hindernisse zu erkennen und ihre Fahrbahn entsprechend anzupassen.
04Koordination mit anderen Systemen: AMR können mit anderen Maschinen, Systemen oder dem Bedienpersonal kommunizieren, um Informationen auszutauschen und ihre Aktivitäten zu koordinieren. Beispielsweise können sie sich mit Lagerverwaltungssystemen verbinden, um Aufträge zu erhalten, ihren Transportplan anzupassen oder bei spezifischen Aufgaben zu unterstützen.

Welche Rolle spielt KI bei den AMR?

In einer Werkshalle oder einem Lager, in der sich mehrere Personen und Fahrzeuge bewegen, kann es zu unermesslich vielen verschiedenen Verkehrssituationen kommen. Jede davon im Voraus zu durchdenken und für alle adäquate Verhaltensweisen zu programmieren, ist nahezu unmöglich.

Daher beschränkte sich der Einsatz von AMR lange auf festverlegte Magnetbahnen, die für sie reserviert waren. Und so kamen für sie nur Prozesse in Frage, die so gleichmäßig ablaufen, dass man sie über feste Bahnen abwickeln kann.

KI ermöglicht es den AMR, auch mit Situationen zurechtzukommen, für die ihnen keine exakten Handlungsanweisungen einprogrammiert wurden. Denn sie versetzt die Systeme in die Lage, nach allgemeinen Grundsätzen, wie etwa „Kollisionen mit Menschen vermeiden“, selbständig die jeweils bestmögliche Entscheidung zu treffen, um dieses Ziel zu erreichen – z.B. bremsen, ausweichen oder sogar beschleunigen, um den Weg rechtzeitig freizumachen.

Dafür werden KI-Systeme über Deep Learning trainiert, indem sie mit großen Datenmengen “gefüttert” werden. Durch das Training mit diesen Daten kann das System Muster in den Trainingsdaten erkennen und generalisieren, um daraus Handlungsempfehlungen abzuleiten und das System dadurch kontinuierlich zu optimieren.

 

Wie funktioniert Deep Learning genau?

Grundsätzlich kann man sagen, dass ein Deep-Learning-System aus mehreren Schichten künstlicher Neuronen besteht, die miteinander verbunden sind. Diese Schichten werden als neuronale Netze bezeichnet. Jede Schicht im neuronalen Netzwerk verarbeitet Informationen und gibt diese an die nächste Schicht weiter. Die Eingabeschicht nimmt die Daten auf, die Ausgabeschicht liefert das Ergebnis. Dazwischen liegen versteckte Schichten, die die Daten verarbeiten.

Beim Training ist ein Deep-Learning-System auf eine große Menge an Daten angewiesen, um zu lernen, wie es ein bestimmtes Problem lösen kann. Hierbei verwendet man bei neuen Systemen Erfahrungswerte aus vergleichbaren Systemen, um diese kontinuierlich über die gesamte Laufzeit mit realistischen systembezogenen Daten zu ergänzen. Das Training besteht aus zwei Hauptphasen: der Vorwärts- und der Rückwärtspropagation, sowie historischer und präskriptiver Datenanalyse.

In der Vorwärtspropagation wird das Eingangssignal durch die Schichten des neuronalen Netzes geleitet, wobei jede Schicht die Ausgabe an die nächste Schicht weitergibt. Jede Schicht enthält eine Anzahl von künstlichen Neuronen, die durch mathematische Funktionen miteinander verbunden sind. Diese mathematischen Funktionen transformieren die Eingabe und geben sie an die nächste Schicht weiter. In jeder Schicht werden die Parameter der mathematischen Funktionen so angepasst, dass das System eine bestimmte Aufgabe besser lösen kann.

Nachdem die Daten durch die Schichten des neuronalen Netzes geleitet wurden, wird das Ergebnis mit dem tatsächlichen Ergebnis verglichen. Dieser Vergleich gibt an, wie gut das System bei der Lösung des Problems abschneidet. Basierend auf diesem Feedback wird das System angepasst, und das Training geht in die nächste Runde.

In der Rückwärtspropagation werden Anpassungen an den Gewichtungen und Biases der Neuronen in den Schichten durchgeführt, um das Ergebnis zu verbessern. Dieser Prozess wird iterativ durchgeführt, bis das System eine bestimmte Genauigkeit erreicht hat.

Die Genauigkeit des Deep-Learning-Systems hängt von der Größe und Qualität der Trainingsdaten, der Architektur des neuronalen Netzes sowie von anderen Faktoren ab. Ein gut trainiertes Deep-Learning-System kann beispielsweise in der Bilderkennung eingesetzt werden, um Objekte in Bildern zu identifizieren oder in der Spracherkennung, um menschliche Sprache zu verstehen und zu übersetzen.

Allgemein versetzen Deep-Learning-Systeme Programme in die Lage, komplexe Probleme zu lösen, die mit herkömmlicher Programmierung kaum zu bewältigen sind.

VSLAM: Der Durchbruch für die Navigation von autonomen mobilen Robotern

Die beste KI nützt den mobilen Robotern allerdings wenig, wenn sie nicht wissen, wo sie sind und wohin sie fahren. Auf GPS-Signale können sie sich dabei nicht verlassen, denn die sind in Werks- und Lagerhallen oft viel zu schwach.

Deshalb ist die Visual-SLAM oder VSLAM-Technologie (Visual Simultaneous Localization and Mapping) eine weitere Schlüsseltechnologie für AMR. Sie vereint KI und 3D-Bildverarbeitung. Dies ermöglicht es den AMR, intelligente Entscheidungen zu treffen und in dynamischen Umgebungen zwischen festen und beweglichen Objekten zu unterscheiden..

Durch die Verwendung von VSLAM-Technologie können AMR somit nicht nur ihre Umgebung analysieren und eine Route darin berechnen, sondern auch Hindernisse und Gefahren erkennen – und vermeiden. Und so sicher und effektiv ihre Aufgaben ausführen.

Wie funktioniert VSLAM genau?

Die Technologie basiert auf der Verwendung von 3D-Kameras, die an einem mobilen Gerät befestigt sind. Die Kameras erfassen Bilder von der Umgebung, die dann von einem Computer verarbeitet werden, um eine Karte der Umgebung zu erstellen. Diese Karte wird verwendet, um die Position des Geräts innerhalb der Umgebung zu bestimmen.

Visual-SLAM funktioniert durch die Verwendung von Merkmalen in den erfassten Bildern. Merkmale sind markante Punkte in einem Bild, die leicht zu erkennen und zu unterscheiden sind. Diese Merkmale werden dann in der Karte der Umgebung verfolgt und mit den aktuellen Bildern verglichen, um die Position des mobilen Geräts zu bestimmen.

Um die Genauigkeit des Visual-SLAM-Systems zu erhöhen, wird auch die Bewegung des mobilen Geräts berücksichtigt. Das System erfasst kontinuierlich, wie sich das Gerät bewegt, und verwendet diese Informationen, um die aktuelle Position des Geräts zu bestimmen.

Die Vorteile von Visual-SLAM liegen in der Flexibilität und den geringen Kosten im Vergleich zu anderen Ortungstechnologien wie GPS oder Lidar. Die Technologie ermöglicht es, dass die Systeme in hoch dynamischen Umgebungen robust, zuverlässig und präzise agieren. Es kann in einer Vielzahl von Anwendungen eingesetzt werden, wie zum Beispiel in autonomen Robotern, Drohnen oder sogar in mobilen Geräten wie Smartphones.

Die Genauigkeit eines Visual-SLAM-Systems hängt dabei von der Qualität der Kameras und von der Rechenleistung des verbundenen Computers ab. Daher wird es mit jeder Weiterentwicklung dieser Geräte noch präzisere und zuverlässigere Ergebnisse liefern.

Welche Vorteile haben AMR mit VSLAM?

Autonome mobile Roboter (AMR) mit der KI-gestützten VSLAM-Technologie bieten gegenüber herkömmlichen AMR, die auf Magnetbahnen oder anderen festen Wegen fahren, zahlreiche Vorteile:

01Flexibilität: VSLAM-basierte AMR können sich frei im Raum bewegen und Routen dynamisch anpassen, während traditionelle AMR an festgelegte Bahnen gebunden sind. Das ermöglicht es VSLAM-AMR, auf Veränderungen in der Umgebung zu reagieren, wie blockierte Wege oder neue Hindernisse.
02 Schnellere Implementierung: VSLAM-AMR benötigen keine aufwendige Installation von Magnetstreifen oder festen Wegen. Sie kartieren ihre Umgebung automatisch, was Zeit und Kosten bei der Einrichtung spart.
03 Höhere Anpassungsfähigkeit: Durch den Einsatz von KI können AMR in verschiedenen Umgebungen eingesetzt werden, ohne dass große Änderungen vorgenommen werden müssen. Sie lernen ihre Umgebung und passen sich schnell neuen Layouts an.
04 Effizienz und Produktivität: VSLAM-AMR optimieren ihre Routen in Echtzeit und können effizientere Wege finden, um Aufgaben zu erledigen. Dies führt zu einer höheren Produktivität und geringeren Ausfallzeiten.
05 Erweiterte Sicherheit: Dank ihrer Fähigkeit, ihre Umgebung visuell zu erkennen und zu verstehen, können VSLAM-AMR besser auf unerwartete Hindernisse oder Menschen reagieren, was die Sicherheit im Arbeitsbereich erhöht.
06Kosteneffizienz auf lange Sicht: Während die Anfangsinvestition für die KI-gestützte VSLAM-Technologie höher sein kann, sparen Unternehmen langfristig durch geringere Wartungs- und Anpassungskosten, da keine physischen Bahnen gewartet oder neu installiert werden müssen.

Wie können AMR mit VSLAM die Industrie verändern?

Ausgestattet mit VSLAM können sich die autonomen Roboter – allenfalls noch durch einen großen Not-Aus-Taster beschränkt – völlig frei und unabhängig durch Fabrikhallen und Lager bewegen.

Daher ist es denkbar, dass sie die bislang standardmäßig eingesetzten Förderbänder mehr und mehr ersetzen. Und ohne fest verbaute Elemente können Produktionsstraßen in flexible Produktionszellen verwandelt werden, mit denen sich die Produktion sehr viel schneller und agiler umstellen lässt.

Das macht den Einsatz von AMR zu einem echten Game Changer. Denn der Trend geht zu immer individuelleren Produkten mit immer kleineren Losgrößen. Darüber hinaus erzeugen die gestörten Lieferketten einen immer größeren Druck auf Unternehmen, ihre Fertigung möglichst flexibel zu gestalten. Beides lässt sich mit einer schnell skalierbaren AMR-Flotte besser realisieren als mit fixierten Produktionsstraßen.

AMR lassen sich dabei nahtlos in digitale Netzwerke integrieren und sammeln Echtzeitdaten über ihre Aktivitäten, den Materialfluss und den Zustand der Produktionsumgebung, was sie zu einem zentralen Element der Industrie 4.0 macht. Diese Daten können von immer mehr vernetzten Maschinen genutzt werden, um Produktionsprozesse zu optimieren. Nicht zuletzt wären sie auch in der Lage, nebenbei Maschinen zu überwachen und einen eventuellen Wartungsbedarf frühzeitig zu erkennen, was die Instandhaltung planbarer macht und Stillstände reduziert.

Das AMR-Portfolio von ABB

Das AMR-Portfolio von ABB umfasst drei verschiedene Baureihen, die sich jeweils für verschiedene Einsatzgebiete eigenen: Flexley Tug, Flexley Mover und Flexley Stack. Die Version T702 der Flexley-Tug-Reihe ist bereits mit VSLAM-Technologie verfügbar. Die Integration in die anderen Modelle wird in Kürze erfolgen.

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AMR-Lösungsportfolio

AMR im Alltag: Wo könnten uns autonome mobile Roboter bald begegnen?

Die KI-gestützte VSLAM-Technologie macht AMR extrem flexibel. Innerhalb von kürzester Zeit können sie sich damit in neuen Umgebungen zurechtfinden. Und diese Technologie sorgt dafür, dass AMR gefahrlos an Orte fahren können, an denen Menschen unterwegs sind.

Daher ist es sehr gut denkbar, dass sie bald auch jenseits ihrer angestammten Industriehallen auftauchen. Gerade in Bereichen, die stark vom Fachkräftemangel betroffen sind, kann eine Investition in autonome mobile Roboter schon bald wirtschaftlich werden. Hier einige Beispiel:

01Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen: In medizinischen Einrichtungen könnten AMR Medikamente, Proben, und Mahlzeiten direkt zu den Patientenzimmern liefern. Außerdem ist es denkbar, sie auch für Desinfektionsaufgaben einzusetzen. Dadurch würde das knappe Personal entlastet und das Infektionsrisiko gesenkt.
02Einzelhandel: In Supermärkten und Einkaufszentren könnten AMR die Mitarbeitenden bei der Bestandsaufnahme und dem Transport von Waren unterstützen. Außerdem wären sie in der Lage die Kunden zu den gesuchten Produkten zu führen.
03Hotels: In Hotels könnten AMR Gepäck und Zimmerservice-Bestellungen direkt zu den Zimmern liefern.
04Bildungseinrichtungen und Büro: In großen Bürogebäuden oder Universitätscampussen bestünde die Möglichkeit, dass AMR Dokumente, Post und andere Güter zwischen Abteilungen oder Gebäuden transportieren.
05Reinigungsdienste: In Flughäfen, Bahnhöfen oder Einkaufszentren könnten autonome mobile Reinigungsroboter Böden reinigen und Abfälle beseitigen.