Cobot-Schweißen: Mach einfach! Cobots - ideale Schweißerlehrlinge

Ein ABB Cobot, der Schweißen kann.
Gefällt mir
Bookmark
Intro

„Vormachen“ und „Nachmachen“ sind die wohl ältesten pädagogischen Muster, um manuelle Fertigkeiten zu vermitteln. In der produzierenden Industrie wurde der imitative Ansatz zur sogenannten Vier-Stufen-Methode weiterentwickelt und um erklärende Komponenten ergänzt, so dass der Lernende auch weiß, weshalb er welchen Arbeitsschritt zu machen hat. Durch die Mensch-Maschine-Kollaboration fällt das Modell wieder in seine archaischen Grundelemente zurück: Zeigen, fehlerfrei nachmachen. Und das ganz ohne verbale Kommunikation, ohne Widerspruch. Wir sprachen mit Thomas Reisinger, Experte für Cobots und Industrieroboter bei ABB, wie erfahrene Schweißer ihr Wissen auf Cobots übertragen und wie Cobot-Schweißen eine ganze Industrie verändert. 

 

Zu den klassischen Cobot-Anwendungen gehören Maschinenbestückung, Materialhandhabung oder Montageaufgaben. Wie kam es zu dem eher untypischen Einsatz von Cobots für Schweiß- und Fügeprozesse? 

Thomas Reisinger: Not macht ja bekanntlich erfinderisch. Seit geraumer Zeit fehlen deutschlandweit zahlreiche Schweißer. Laut einem bekannten Jobportal gibt es derzeit über 10.000 offene Stellen für Schweißer. Ein Trend, der anhalten wird. Denn in den kommenden Jahren werden weitere erfahrene Schweißer altersbedingt aussteigen. Zugleich fehlt es der Branche an qualifiziertem Nachwuchs. Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, setzen Betriebe zunehmend Cobots für Schweißaufgaben ein. 

Stichwort Cobot-Schweißen: Wie sieht das Zusammenspiel zwischen Schweißer und Cobot genau aus? 

Die Aufgabe des Schweißers besteht darin, als Ausbilder dem Cobot spezifische Schweißaufgaben beizubringen. Er überträgt sein Wissen und seine Fertigkeiten auf den Cobot. Dies geschieht, ohne eine Zeile Code programmieren oder komplizierte Befehle eingeben zu müssen. Denn mit Lösungen wie dem Easy Teach Device kann der Schweißer den Programmiercode automatisch generieren. Er nimmt den Cobot buchstäblich an die Hand und überträgt seine Schweißexpertise, indem er den Roboterarm entlang des gewünschten Schweißpfades führt. Der Cobot speichert die Bewegung ab und kann den Schweißvorgang nun autonom in konstant hoher Qualität ausführen. Wie bei so vielen Cobot-Anwendungen handelt es sich also beim Cobot-Schweißen nicht um eine klassische Kollaboration, bei dem sich Mensch und Maschine einen Arbeitsbereich teilen und Hand in Hand arbeiten, sondern hier macht man sich die Möglichkeiten der Cobots für die einfache Programmierung zunutze. 

Thomas Reisinger ist Technology Manager bei ABB Robotics.

Thomas Reisinger ist Technology Manager bei ABB Robotics. In dieser Funktion treibt er unter anderem die Einführung von Cobots für kleine und mittelständische Unternehmen voran. 

Bevor er zu ABB kam, promovierte er in Steuerungstheorie an der Technischen Universität Braunschwig. Seit 2007 arbeitete er für ABB im Konzernforschungszentrum, im Engineering sowie im Operations Management, bevor er die Rolle des Technology Managers übernahm. 

Wie schnell kann ein Schweißer lernen, einen Cobot zu programmieren? 

Die Ausbildung zum Schweißer dauert je nach Vorkenntnissen zwischen 12 und 20 Wochen. Die Ausbildung zum Cobot-Lehrer dauert gerade einmal 20 Minuten. Da keine klassische Programmierung notwendig ist, muss der Bediener lediglich die einzelnen Bedienelemente erlernen.  

Das Cobot Arc Welding Package ermöglicht Erstanwendern einfaches und qualitativ hochwertiges robotergestütztes Schweißen ohne tiefgreifende Programmierkenntnisse. Durch dieses Paket wird der kollaborative Roboter GoFa zu einem Schweißroboter.

Schaffen sich Schweißer durch den Wissenstransfer perspektivisch ab? 

Keinesfalls – für den Schweißer ist der Cobot ein Werkzeug, das ihm Arbeit abnimmt und den Arbeitsplatz sogar attraktiver macht. Denn beim manuellen Schweißen ist der Schweißer Gasen und Dämpfen ausgesetzt. Durch den Einsatz von Cobots kann er sich beim Schweißprozess entfernen und ist somit nicht mehr den Emissionen ausgesetzt. Auch in Sachen Ergonomie sind Cobots eine Hilfe. Denn die Schweißarbeiten werden durch die notwendige Schutzausrüstung und teilweise schwer zugänglichen Schweißpunkte erschwert, was zusätzliche körperliche Herausforderung für den Menschen darstellt. Wenn Cobots den Schweißprozess übernehmen, können sich Facharbeiter auf andere wertschöpfende Aufgaben konzentrieren, wie die Qualitätsprüfungen und Nachbearbeitungen. 

Ein Schweißer programmiert einen Cobot mittels Mensch-Roboter-Kooperation.

Weshalb nutzt man bei Schweißaufgaben zunehmend Cobots und nicht wie bisher klassische Industrieroboter? 

Hier kommt neben dem Fachkräftemangel ein zweiter Trend ins Spiel, der den Einsatz des Cobot-Schweißens begünstigt: Die Individualisierung in der Produktion. Das heißt, die Variantenvielfalt geht hoch, die Losgrößen gehen runter. Nicht selten wird ein Cobot mehrmals pro Tag umgeschult, da nur kleine Stückzahlen zu produzieren sind. Zudem sind die Geometrien, die ein Cobot übernimmt, in der Regel nicht sonderlich komplex. Industrieroboter können komplexe Geometrien schweißen und sind für Low-Mix-High-Volume ausgerichtet. Das heißt, es wird eine begrenzte Anzahl von Produktvarianten oder Produkttypen hergestellt (Low-Mix). Die Produktionsmengen für diese wenigen Varianten sind jedoch sehr hoch (High-Volume). So übernehmen Industrieroboter sich wiederholende Aufgaben mit hoher Genauigkeit und Geschwindigkeit, etwa innerhalb einer vollautomatisierte Schweißstraße für die Massenproduktion. Entsprechend unterscheiden sich die Zielmärkte und Zielkunden: Cobots zielen auf kleine Betriebe und mittelständische Unternehmen ab, für die ein Industrieroboter nicht wirtschaftlich ist. So ermöglicht das Cobot-Schweißen gerade kleineren Betrieben eine flexible und kosteneffiziente Produktion. 

Welche Rolle spielt künstliche Intelligenz?

Viele ABB-Teams aus unterschiedlichen Fachrichtungen sowie Wissenschaftler aus aller Welt arbeiten momentan an äußerst spannenden Konzepten für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz. Im aktuellen Kontext würde ich eher von Machine-Learning sprechen. Der Cobot legt das generierte Prozesswissen in einer Datenbank ab und greift bei wiederkehrenden Prozessen auf dieses Wissen zurück. Durch Machine-Learning können Cobots sich an neue Aufgaben anpassen, ohne dass sie komplett neu programmiert werden müssen. Zudem führt Machine-Learning dazu, dass Cobots ihre Bewegungen und Aktionen selbstständig optimieren, um beispielsweise Energie zu sparen oder Aufgaben schneller zu erledigen.