Die 2000er: Papst, Sommer­märchen und die Geschichte des goldenen Roboters

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Intro

Wir gehen in Runde vier unserer Serie „50 Jahre ABB Robotics“. Diesmal dreht sich alles um die 2000er Jahre. Fangen wir vorne an: Der Wechsel ins neue Jahrtausend wurde aus IT-Sicht mit großer (An-)Spannung erwartet. Konnte das Y2K-Problem, auch als Millennium-Bug bekannt, rechtzeitig gelöst werden und würden die weltweiten Computersysteme zuverlässig von 1999 auf 2000 umspringen? Oder würde es zum IT-GAU kommen, da die Systeme auf das Jahr 1900 zurückfallen? Spoiler: Alles ging gut und die (IT-)Welt drehte sich weiter.

Das noch junge Millennium war nicht arm an Highlights: Europa bekam eine einheitliche Währung. Wir wurden Papst. Wir feierten ein Sommermärchen. Und wir bekamen mit Angela Merkel erstmals eine Bundeskanzlerin. Und in der Roboterentwicklung? Die Steuerungen rückten immer mehr in den Vordergrund: Effizienter, multifunktionaler und sicherer. Die Softwareentwicklung wurde virtueller, und der Einsatz von Industrierobotern steuerte auf Rekorde zu. Eindrucksvollstes Beispiel: Der 13. März 2002. Als erstes Unternehmen verkaufte ABB weltweit 100.000 Roboter. Während die ABB-Roboter damals noch leuchtend orange waren, wurde der 100.000ste Roboter zur Feier dieses Meilensteins mit Gold besprüht und von Harley Davidson in den USA zum Lichtbogenschweißen erworben.

Industrierobotik in den 2000er Jahren: Von MultiMove …

Weniger spektakulär, dafür prägender für die Zukunft war die im Jahr 2004 eingeführte fünfte Generation der Industrierobotersteuerung, die IRC5. Sie markierte einen wichtigen Entwicklungsschritt. Ein hervorstechendes Merkmal der IRC5 war die neue Funktion MultiMove, mit der bis zu vier ABB-Roboter plus Werkstückpositionierer und andere Servogeräte – insgesamt bis zu 36 Achsen – vollständig koordiniert gesteuert werden können. Die Verwendung von nur einer Steuerung für bis zu vier Roboter minimiert die Installationskosten und steigert die Qualität und Produktivität. Gleichzeitig ergeben sich völlig neue Anwendungsmöglichkeiten:

Die IRC5

1Zwei Lichtbogen-Schweißroboter können im Tandembetrieb am selben Werkstück arbeiten und dabei sogar eine Wärmequelle halten, um beim Abkühlen ein Verziehen durch Schrumpfung zu verhindern.
2Mehrere Roboter können gemeinsam ein dünnes Werkstück halten, um zu verhindern, dass es verbiegt.
3Zwei oder mehr Roboter können eine Last heben, die die Tragkraft eines einzelnen Roboters übersteigt.

Auf der Suche nach einer schlanken Robotersteuerungslösung entwickelte ABB ein modulares Konzept für die IRC5, bei dem die Funktionen logisch in Steuerungs-, Achsantriebs- und Prozessmodule aufgeteilt sind. Diese befinden sich in jeweils eigenen, standardisierten Schaltkästen, die gestapelt, nebeneinander angeordnet oder um bis zu 75 Meter voneinander getrennt werden können.

 

… zu SafeMove

Um die Sicherheit der Anwender zu gewährleisten, die mit Industrierobotern zusammenarbeiten, verwendete man traditionell Zäune und kostspielige Schutzvorrichtungen. Sicherheit geht auch smarter. So entwickelte ABB im Jahr 2007 mit SafeMove eine Lösung, bei der diese teuren Schutzvorrichtungen durch eine unabhängige, kompakte, effiziente und rekonfigurierbare elektronische Antriebsüberwachung ersetzt werden. SafeMove läuft auf einem unabhängigen Computer im Schaltschrank. Das System ermöglicht eine zuverlässige, fehlertolerante Überwachung der Geschwindigkeit und Position des Roboters sowie die Erkennung ungewollter bzw. verdächtiger Abweichungen. Wird ein Sicherheitsrisiko erkannt, führt SafeMove einen Nothalt durch, der den Roboter in Bruchteilen einer Sekunde zum Stillstand bringt. Außerdem bietet das System neue Funktionen wie elektronische Positionsschalter, programmierbare Sicherheitszonen, sichere Geschwindigkeitsbegrenzungen, einen sicheren Stillstand und einen automatischen Bremsentest. Das Ergebnis: Roboter und Menschen können sicher und effizient Seite an Seite arbeiten. Und zwar lange bevor es Cobots gab.

Die zweite Generation des Virtual Robot

2004 wurde gemeinsam mit der IRC5 die zweite Generation von Virtual Robot eingeführt. Virtual Robot ist ein einzigartiges Konzept, bei dem mit dem gleichen Code, wie er auch zur Steuerung des echten Roboters dient, das Robotersystem auf einem PC simuliert wird. Die neue Version ermöglicht es, noch mehr Steuerungscodes zu simulieren, um mehr Transparenz zwischen der virtuellen und der echten IRC5-Steuerung zu schaffen. So können bereits im Offline-Betrieb präzise Programme erstellt werden, die sofort voll einsatzfähig sind und damit die Vorlaufzeit verkürzen und die Einrichtungskosten senken. Aufbauend auf dieser Kerntechnologie funktioniert die Simulations- und Offline-Programmiersoftware RobotStudio von ABB, die bis heute unerreichte Maßstäbe setzt.

Steuerung und Verkabelung in einer kompakten Roboterzelle?

Genau das schaffte das 2006 eingeführte FlexLean-Konzept von ABB. Auf Basis von FlexLean lassen sich kompakte, modulare Roboterzellen bauen, in denen die Steuerung und Verkabelung auf einer Plattform vormontiert sind. Zentraler Aspekt des Konzepts ist die Erkenntnis, dass kundenspezifische Lösungen, mehrere technische Spezifikationen und spezielle Software eine Hauptursache für Kosten und Unsicherheiten beim Engineering darstellen.

FlexLean bietet Automobilherstellern Zellen für die geometrische Montage und das Ausschweißen, die mit einer Reihe von vordefinierten Konfigurationen und einer breiten Palette an Roboterprodukten ausgestattet sind. Das Ergebnis dieser Technologie und Standardisierung sind Zellen, die mit der manuellen Fertigung in Niedriglohnländern konkurrieren können. Heute gibt es unter dem Produktnamen OmniVance weitere standardisierte Fertigungszellen für viele Industrien, zum Beispiel OmniVance FlexArc für das Schweißen.  

Die Fernwartungstechnologie von ABB

Eingeschränkte Performance oder andere Probleme mit Robotern haben mitunter erhebliche Auswirkungen auf die Produktion. Bis ein Servicetechniker am Roboterstandort angekommen ist, um das Problem zu behandeln, gehen Zeit und Geld verloren. Mit der 2007 eingeführten Fernwartungstechnologie konnte ABB die Ausfallzeiten der Maschinen und den Wartungsaufwand vor Ort erheblich reduzieren.

Die in den Roboter integrierte Technologie liest die Daten der Steuerung aus und sendet sie direkt an ein Service-Center, wo sie automatisch analysiert werden. Dadurch, dass der Service-Center Zugriff zu allen relevanten Informationen über den Zustand der Roboter hat, kann der Supportexperte aus der Ferne die Ursache einer Störung feststellen und dem Nutzer rasche Unterstützung beim Neustart des Systems bieten. So können viele Probleme gelöst werden, ohne dass ein Techniker überhaupt anreisen muss. Das spart Energie und schont die Umwelt.

Ist ein solcher Eingriff dennoch erforderlich, kann das Problem mithilfe der vorhergehenden Ferndiagnose rasch und mit minimalem Aufwand gelöst werden. Diese automatische Analyse gibt nicht nur einen Alarm aus, sobald eine Störung am Roboter auftritt, sondern ist auch in der Lage, möglicherweise bevorstehende Schwierigkeiten vorherzusagen.

 

Neue Roboteranwendungen

ABB brachte 2007 das FlexFinishing-System einschließlich RobotWare Machining FC (Force Control) auf den Markt. Das System eignete sich für feine Bearbeitungsvorgänge – besonders für das Schleifen, Entgraten und Polieren von Gussteilen. Die Roboteranwendung kombiniert auf einzigartige Weise fünf innovative Elemente miteinander:

  • Die neueste ABB-Robotersteuerung IRC5 mit einer Hochgeschwindigkeits-Sensorschnittstelle. 
  • Eine Programmierumgebung, die es dem Roboter ermöglicht, die optimale Bahn selbst zu finden. 
  • Eine Rückkopplungsschleife zur Regelung des Werkzeugdrucks.  
  • Eine Rückkopplungsschleife zur Anpassung der Werkzeuggeschwindigkeit.
  • Ein benutzerfreundliches, vorprojektiertes Produktpaket. 

Die Anwendung ermöglicht eine einfache, effiziente Programmierung, wobei der Kraftsensor zur Definition der Bewegungsbahn des Roboters verwendet wird – der Bediener bewegt den Roboter einfach per Hand und gibt ihm so den groben Weg vor. Der Roboter tastet das Werkstück ab, zeichnet die genaue Bahn auf und generiert ein entsprechendes Programm. Dieser innovative Ansatz verbessert nicht nur die Qualität der fertigen Teile, sondern verkürzt auch die Gesamtprogrammierungszeit um bis zu 80 Prozent, reduziert die Zykluszeiten des Roboters um 20 Prozent und verlängert die Lebensdauer der Schleifwerkzeuge ebenfalls um 20 Prozent.

 

In unseren Artikeln über die vergangenen fünf Jahrzehnte findest Du die ganze Geschichte von ABB Robotics. Von der Entwicklung des ersten modernen Industrieroboters über die Robo-Revolution in der Automobilindustrie bis zu den Lehren, die ABB Robotics aus Bill Gates Erfolg zog.

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