Die Zukunft der Biodiversität: Wie Cobots neue Lebensräume für Stadttiere schaffen

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Zwischen Beton und Asphalt ist Platz für Neues – wenn Mensch und Maschine zusammenarbeiten. In einem Forschungsprojekt der Technischen Universität München (TUM) zeigt sich, wie Robotik zur Biodiversität beitragen kann: Eine modular aufgebaute Nistfassade schafft neue Lebensräume für Stadtbewohner wie Haussperlinge oder Igel. Unterstützt wird das Projekt vom kollaborativen Roboter GoFa von ABB, der beim 3D-Druck und der Nachbearbeitung der Fassadenelemente präzise Hand in Hand mit den Forschenden arbeitet.

Architektur trifft Ökologie

Alte Dachvorsprünge, Ritzen in Fassaden, hohle Bäume – Rückzugsorte für Tiere in Städten werden immer seltener. Das Team aus Architektur- und Ökologie-Forschenden der TUM will das ändern. Ihr Ziel: Gebäudehüllen als Träger von Biodiversität begreifen.

Ein erstes sichtbares Ergebnis steht seit Juli 2025 an der Südpolstation, einem Kinder- und Jugendzentrum in München-Neuperlach. Dort wurde der erste Prototyp der sogenannten Nistfassade installiert – gefertigt aus keramischem Recycling-Ton. Die Module bieten Vögeln und Kleintieren nicht nur ein Zuhause, sondern verbessern auch das Mikroklima: Ihre Tiefe und Form sind so berechnet, dass sich die Oberfläche selbst verschattet und im Sommer weniger aufheizt.

Präzision durch Cobots

Rund 100 Module, jedes geometrisch einzigartig, wurden im 3D-Druckverfahren hergestellt. Eine Herausforderung für die Produktion – denn der weiche Tonstrang muss exakt aufgetragen werden. Hier kam der Cobot GoFa von ABB Robotics zum Einsatz. Er unterstützt beim präzisen Materialauftrag, bei der Nachbearbeitung und beim schonenden Handling der empfindlichen Tonbauteile.

Im universitären Umfeld ist diese Flexibilität entscheidend: Versuchsanordnungen ändern sich häufig, Materialien reagieren unvorhersehbar. Cobots wie GoFa schaffen hier den Spagat zwischen Präzision, Sicherheit und Anpassungsfähigkeit. Die Forschenden programmierten den Roboter über die Software RobotStudio. Bewegungsabläufe ließen sich dort simulieren und mit Python-Skripten verknüpfen – bei Bedarf sogar direkt per Handführung anpassen.

„Die Interaktion mit dem Roboter war erstaunlich intuitiv. Wir konnten GoFa schnell in unsere Prozesse integrieren – ganz ohne aufwändige Schulungen.“

Julia Larikova, Doktorandin an der Professur für Digitale Fabrikation

Digital geplant, adaptiv gefertigt

Bevor die keramischen Module gedruckt wurden, modellierte das Team ihre Geometrien digital – basierend auf Klimadaten, Gebäudeausrichtung und den Bedürfnissen der jeweiligen Tierarten. So entstanden gezielt Rückzugsorte, die ökologisch sinnvoll platziert sind. Das additive Verfahren stellte hohe Ansprüche: Ton beginnt bereits während des Druckens zu trocknen, was präzise Abstimmung von Temperatur, Feuchtigkeit und Druckgeschwindigkeit erforderte.

GoFa überzeugte hier mit seiner Kraftbegrenzung und integrierten Drehmomentsensoren – ideale Voraussetzungen für die sensible Nachbearbeitung. Die fertigen Module sind so konstruiert, dass sie sich in gängige hinterlüftete Fassadensysteme integrieren lassen. Sie können leicht gereinigt oder ausgetauscht werden – ein wichtiger Punkt für langfristige Nutzung im urbanen Raum.

Für Fassaden, die leben

In den kommenden Jahren begleiten die Forschenden das Projekt wissenschaftlich. Sensoren und Kameras messen Mikroklima, Oberflächenfeuchtigkeit und Tieraktivität. Die Daten fließen in die Weiterentwicklung der Geometrien ein – mit dem Ziel, künftig noch artenfreundlichere Strukturen zu schaffen. Für ABB Robotics zeigt das Projekt, wie weit sich Robotik über die industrielle Fertigung hinaus entwickeln kann.

„GoFa wurde für genau solche kooperativen Szenarien entwickelt. Er macht es möglich, dass kreative und ökologische Ideen technisch Realität werden.“

Robert Löbach, Cobot-Experte bei ABB

Nachhaltig bauen, natürlich denken

Europa steht vor einer Sanierungswelle: Millionen Gebäude sollen im Zuge des Green Deal energetisch modernisiert werden. Das Konzept der Nistfassade nutzt diese Entwicklung – indem es Sanierung und Artenschutz verbindet. Die vorgefertigten Module lassen sich ohne zusätzlichen Flächenbedarf in bestehende Fassaden integrieren. So entstehen Gebäude, die nicht nur Energie sparen, sondern auch Lebensräume.

Was hier entsteht, ist mehr als Architektur – es ist ein Ausblick darauf, wie Technologie den Dialog zwischen Mensch, Stadt und Natur neu gestalten kann. Wenn Cobots wie GoFa helfen, Biodiversität in Beton zu drucken, wird aus Robotik Zukunftsgestaltung.

Das Forschungsprojekt „Nistfassade"

Die modularen Nistfassaden entstehen im Rahmen eines interdisziplinären Forschungsprojekts der Technischen Universität München. Beteiligt sind die Professur für Digitale Fabrikation (Julia Larikova, Prof. Dr. Kathrin Dörfler) und der Lehrstuhl für Terrestrische Ökologie (Dr. Fabio Sweet, Prof. Dr. Wolfgang Weisser). Das Projekt ist Teil des Leuchtturmvorhabens zum Neuen Europäischen Bauhaus „Creating NEBourhoods Together“ sowie des EU-Projekts ECOLOPES.

Gefördert wurde die Forschung von der Stiftung Artenschutz und Technik, unterstützt durch den Industriepartner Tonality GmbH und Feierwerk e. V. – Südpolstation.

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