Ein Haus aus dem 3D-Drucker: ABB-Roboter unterstützt Bau der DRK-Zentrale

Ein ABB-Roboter unterstützt den Bau der DRK-Zentrale per 3D-Druck.
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Additive Fertigungsverfahren mithilfe von 3D-Druckern kommen bislang vor allem in der industriellen Produktion zur Anwendung. Dass die Technologie auch im Baugewerbe großen Nutzen entfalten kann, beweist ein wegweisendes Leuchtturmprojekt des 3D-Druck-Pioniers Georgios Staikos: Erstmals wurde mit der Zentrale des Deutschen Roten Kreuzes des Kreisverbands Warendorf Beckum e.V. in Nordrhein-Westfalen ein Nichtwohngebäude zu Teilen im 3D-Druck-Verfahren errichtet. Zum Einsatz kommt ein ABB-Sechsachsroboter, der das Baumaterial in hohem Tempo präzise an den erforderlichen Stellen aufträgt. Die Auftraggeber profitieren dadurch nicht nur von einer sehr schnellen und effizienten, sondern auch von einer besonders nachhaltigen Bauweise.

Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) nimmt bundesweit zahlreiche wichtige Aufgaben wahr, die von hoher gesellschaftlicher und sozialer Relevanz sind: Dazu zählt beispielsweise die Durchführung von Blutspendeaktionen sowie von Maßnahmen der Ersten Hilfe und des Katastrophenschutzes. Darüber hinaus fungiert das DRK häufig auch als Träger von Kindertagesstätten und offenen Ganztagsschulen. So auch der DRK-Kreisverband Warendorf Beckum e.V. in Nordrhein-Westfalen. Aufgrund des hohen gesellschaftlichen Engagements verbunden mit einem zunehmenden Aufgabenspektrum verzeichnete der Verband in den vergangenen Jahren ein erhebliches Wachstum. Dies führte zu einem höheren Personalbedarf, sodass das bisherige Bürogebäude am Rathaus in Neubeckum an seine Kapazitätsgrenzen stieß.

Um das Platzproblem effektiv zu lösen, planten die Verantwortlichen den Bau einer neuen Verwaltungszentrale. Ziel dabei war es, die verfügbare Fläche für den DRK-Kreisverband mit seinen 8.500 Mitgliedern von 450 auf gut 1000 Quadratmeter mehr als zu verdoppeln. Das neue Verwaltungsgebäude sollte neben modernen Schulungsräumen auch 20 Büros sowie die obligatorischen Sozial- und Sanitärräume beherbergen. Wichtig war zudem, dass sich der Neubau von der kommunalen Öffentlichkeit als Begegnungszentrum für alle Generationen nutzen lässt. Für die bauliche Umsetzung sollte die auf dem Grundstück in Neubeckum bereits befindliche DRK-Fahrzeughalle um ein weiteres Gebäude ergänzt werden.

In enger Zusammenarbeit mit einem namhaften Architekturbüro erarbeiteten die zuständigen Mitarbeitenden des Kreisverbands ein innovatives Konzept. Dieses setzt in besonderem Maße auf eine moderne Bauweise. Dabei soll der Neubau als herausragendes Leuchtturmprojekt im Rahmen des Programms „Digitalisierung der Bauwirtschaft und Innovatives Bauen“ vom Land Nordrhein-Westfalen gefördert werden. Ziel ist es, das Bauprojekt mit einem Investitionsvolumen von 3,8 Millionen Euro bis zum Jahresende 2024 fertigzustellen.

Innovative, zukunftsorientierte und nachhaltige Bauweise war gefragt

„Eine fundierte Analyse und Bewertung unseres Verbands kam nach allen Abwägungen zu dem Ergebnis, dass der Neubau möglichst innovativ, zukunftsorientiert und klimafreundlich durchgeführt werden soll. Wichtig war uns, dass die eingesetzten Technologien im Rahmen des Bauvorhabens sowohl in ökonomischer als auch ökologischer Sicht konsequent weiterentwickelt werden“, definieren Prof. Dr. Karl-Uwe Strothmann und Detlef Weißenborn, Präsident und Vorstand des DRK-Kreisverbandes Warendorf Beckum und damit Bauherr, die Kernanforderungen an das Projekt. So sieht das ehrgeizige Baukonzept den Einsatz neuartiger, leichter und besonders nachhaltiger Materialien vor. Dazu zählen etwa Geo-Polymer-Zement, Holz-Zement-Stein, Schaum-Zement für die Isolierung sowie eine Carbon-Decke. Die Verwendung dieser innovativen Baustoffe soll dazu beitragen, CO₂ in großem Umfang zu reduzieren. Um das Gebäude möglichst energieautark zu gestalten, soll es mit Photovoltaik-Anlagen und Energiespeichersystemen ausgestattet werden.

Als bedeutendste Innovation bei diesem besonderen Bauprojekt gilt jedoch die Art und Weise der Erstellung von Außen- und Innenwänden: So werden weite Teile der Fassade mithilfe des 3D-Druckverfahrens gefertigt. Der Bau eines Nichtwohngebäudes mit diesem Verfahren ist in der Geschichte der deutschen Bauindustrie bisher einzigartig. Anders als bei der herkömmlichen Bauweise lässt sich mittels 3D-Druck die Erstellung von Fassadenelementen und Innenwänden weitgehend automatisieren – zudem sind Form und Ausrichtung der Wände höchstflexibel definierbar. Dabei wird zunächst ein digitales Modell der zu fertigenden Komponenten erstellt, an den Drucker übertragen und direkt vor Ort an der Baustelle umgesetzt.

ABB-Knickarmroboter für schnellen, effizienten und flexiblen 3D-Druck

Um das Baumaterial an den vorgesehenen Stellen des Gebäudes schnell und effizient aufzutragen, kommt ein sechsachsiger Knickarmroboter von ABB zum Einsatz. Darauf ist eine Spritzdüse montiert, die den Baustoff gleichmäßig und mit hoher Geschwindigkeit abgibt. Der Roboter wurde auf einer Schiene und einer höhenverstellbaren Bühne installiert, sodass sich auch größere Abschnitte in einem einzigen Zyklus drucken lassen. Insgesamt wurden im Rahmen dieses Bauprojekts 150 Quadratmeter an Innenwänden und 130 Quadratmeter an Außenfassaden per 3D-Druck erstellt. Dabei wurden circa 90 Tonnen Material verbraucht. Die Druckzeit hierfür betrug etwa 100 Stunden. Eine Besonderheit besteht darin, dass sämtliche Komponenten vor Ort und unter wechselnden Wetterbedingungen gedruckt werden können. Dadurch lässt sich – verglichen mit konventionellen Methoden – die Bauzeit um den Faktor vier verkürzen und die Effizienz des gesamten Workflows auf der Baustelle entscheidend erhöhen.

Die für den 3D-Druck verwendeten Baustoffe entsprechen in vollem Umfang den Anforderungen des DRK-Kreisverbands in puncto Umweltfreundlichkeit: So kamen beispielsweise recycelter Bauschutt und weitere ressourcenschonende Materialien zum Einsatz. „Die neue Technologie stellt zweifelsohne ganz neue Anforderungen an den altbekannten Baustoffbeton. Hierbei müssen die bautechnischen Anforderungen ebenso wie Nachhaltigkeitsaspekte erfüllt werden. Von entscheidender Bedeutung in diesem Kontext ist ein hohes Maß an Erfahrung und Know-how der beteiligten Unternehmen“, konstatieren Karl-Uwe Strothmann und Detlef Weißenborn. So wurde bei dem Bauvorhaben eine innovative Rezeptur des Herstellers Sika eingesetzt, die alle für den 3D-Druck entscheidenden Eigenschaften besitzt. Die gedruckten Bauteile erfüllen sämtliche statischen Anforderungen, weisen eine ansprechende Optik auf und eignen sich optimal, um eine angenehme Raumatmosphäre zu erzeugen.

Der Bau der Innenwände und Fassaden eines Hauses per 3D-Druck mit Hilfe eines ABB Knickarmroboters.

Pionier des Gebäude-3D-Drucks mit im Boot

Kreativer Kopf und Vater des wegweisenden Bauprojekts ist der Beckumer Unternehmer Georgios Staikos, der als Pionier des 3D-Drucks von Gebäuden gilt. Der Inhaber der STAIKOS 3D GmbH und Gesellschafter der Innovationszentrum Westfalen GmbH hat nach dem deutschlandweit ersten 3D-Druck-Wohnhaus nun auch die erste 3D-gedruckte Nichtwohnimmobilie realisiert.

„Um unsere Anforderungen an ein nachhaltiges und höchst innovatives Gebäude passgenau zu adressieren, mussten wir die richtigen Partner mit dem erforderlichen Sachverstand ins Boot holen. Das Innovationszentrum Westfalen, die STAIKOS 3D GmbH sowie ABB als Lieferant der Robotertechnologie haben sich diesbezüglich für uns als Glücksgriffe erwiesen. So können wir mit dem Neubau unseres Verwaltungsgebäudes modernste Bauverfahren wie den 3D-Druck mit dem Einsatz nachhaltiger Baustoffe und maximaler Effizienz kombinieren. Für die Zukunft planen wir, den 3D-Druck von Gebäuden durch die konsequente Weiterentwicklung der Technologie und die Vereinfachung von Genehmigungsverfahren weiter voranzutreiben. Dabei fungiert der ABB-Roboter als optimale Plattform für unseren Großformat-Polymerdrucker, der – verglichen mit einem fest installierten Portaldrucker – wesentlich mehr Flexibilität bei der additiven Fertigung von Innenwänden und Fassaden bietet. So ebnen wir gemeinsam mit unserem starken Partner ABB den Weg für durchgängig automatisierte und digitalisierte Prozesse auf der Baustelle der Zukunft.“

Georgios Staikos, Inhaber der STAIKOS 3D GmbH & Gesellschafter der Innovationszentrum Westfalen GmbH