Fahrerlose Transport­systeme (FTS) mit KI: Ein Durchbruch für die Industrie 4.0 – und noch viel mehr?

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Fahrerlose Transportfahrzeuge (FTF) bzw. fahrerlose Transportsysteme (FTS) oder auch Autonome Mobile Roboter (AMR) kommen vor allem in Produktion und Logistik zum Einsatz. Dort bieten sie eine Vielzahl von Vorteilen, darunter verbesserte Effizienz, Kostenreduzierung, Sicherheit und Nachhaltigkeit. Dank der Fortschritte im Bereich der künstlichen Intelligenz (KI) und der 3D-Bildverarbeitung können sie immer flexibler eingesetzt werden, was sie zu einer der wichtigsten Säulen der Industrie 4.0 macht.

Fahrerlose Transportfahrzeuge sind weit mehr als nur selbstfahrende Fahrzeuge. Daher trifft die Bezeichnung „autonome mobile Roboter“ eigentlich besser zu. Denn ein fahrerloses Transportsystem kann sich selbständig mit seiner Umwelt austauschen. Einige konkrete Beispiele hierfür:

01Automatische Beladung und Entladung: FTS können mit verschiedenen Mechanismen ausgestattet sein, um sich selbstständig zu be- und entladen. Zum Beispiel können sie über eine Gabelstablergabel verfügen, die es ihnen ermöglicht, Paletten oder Behälter aufzunehmen oder abzusetzen.
02Informationen verarbeiten: FTS können Informationen über die zu transportierenden Objekte verarbeiten. Sie können dann entsprechend darauf reagieren und ihre Aktionen anpassen, beispielsweise um das richtige Ziel zu erreichen oder spezifische Handlungsanweisungen für bestimmte Objekte zu befolgen.
03Reaktionsfähigkeit: FTS können mit verschiedenen Sensoren wie Kameras, Laserscannern etc. ausgestattet sein, um Hindernisse zu erkennen und ihre Fahrbahn entsprechend anzupassen.
04Koordination mit anderen Systemen: FTS können mit anderen Maschinen, Systemen oder Bedienpersonal kommunizieren, um Informationen auszutauschen und ihre Aktivitäten zu koordinieren. Beispielsweise können sie sich mit Lagerverwaltungssystemen verbinden, um Aufträge zu erhalten und ihren Transportplan anzupassen, Hinweise zu erhalten oder bei spezifischen Aufgaben zu unterstützen.

KI & Deep Learning sorgen für eine Zeitenwende

In einer Werkshalle oder einem Lager, in der sich mehrere Personen und Fahrzeuge bewegen, kann es zu unermesslich vielen verschiedenen Verkehrssituationen kommen. Jede einzelne davon im Voraus zu durchdenken und für jede davon adäquate Verhaltensweisen zu programmieren, ist nahezu unmöglich.

Daher beschränkte sich der Einsatz von fahrerlosen Transportsystemen lange auf festverlegte Magnetbahnen, die für sie reserviert waren. Deswegen kamen sie nur für Prozesse in Frage, die so gleichmäßig ablaufen, dass man sie über feste Bahnen abwickeln kann.

KI-Systeme werden über Deep Learning trainiert, indem sie mit großen Datenmengen “gefüttert” werden. Durch das Training mit diesen Daten kann das System Muster in den Trainingsdaten erkennen und generalisieren, um daraus Handlungsempfehlungen abzuleiten und das System dadurch kontinuierlich zu optimieren.

Ziel ist es, die KI so zu trainieren, dass sie in der Lage ist, richtige Entscheidungen auch in Situationen zu treffen, die für sie noch unbekannt sind.

In der Praxis bedeutet das: FTS, deren künstliche Intelligenz auf diese Art trainiert wurde, brauchen keine genauen Anweisungen mehr, wie sie z.B. auf jede einzelne Verkehrssituation reagieren sollen. Denn sie können generelle Verhaltensmuster begreifen, wie z.B. “Kollisionen mit Menschen vermeiden”. Und sie sind in der Lage, komplexe Situationen zu interpretieren und aufgrund dessen die bestmöglichen Entscheidungen zu treffen.

Wie funktioniert Deep Learning genau?

Grundsätzlich kann man sagen, dass ein Deep-Learning-System aus mehreren Schichten künstlicher Neuronen besteht, die miteinander verbunden sind. Diese Schichten werden als neuronale Netze bezeichnet. Jede Schicht im neuronalen Netzwerk verarbeitet Informationen und gibt diese an die nächste Schicht weiter. Die Eingabeschicht nimmt die Daten auf, die Ausgabeschicht liefert das Ergebnis. Dazwischen liegen versteckte Schichten, die die Daten verarbeiten.

Beim Training ist ein Deep-Learning-System auf eine große Menge an Daten angewiesen, um zu lernen, wie es ein bestimmtes Problem lösen kann. Hierbei verwendet man bei neuen Systemen Erfahrungswerte aus vergleichbaren Systemen, um diese kontinuierlich über die gesamte Laufzeit mit realistischen systembezogenen Daten zu ergänzen. Das Training besteht aus zwei Hauptphasen: der Vorwärts- und der Rückwärtspropagation, sowie historischer und präskriptiver Datenanalyse.

In der Vorwärtspropagation wird das Eingangssignal durch die Schichten des neuronalen Netzes geleitet, wobei jede Schicht die Ausgabe an die nächste Schicht weitergibt. Jede Schicht enthält eine Anzahl von künstlichen Neuronen, die durch mathematische Funktionen miteinander verbunden sind. Diese mathematischen Funktionen transformieren die Eingabe und geben sie an die nächste Schicht weiter. In jeder Schicht werden die Parameter der mathematischen Funktionen so angepasst, dass das System eine bestimmte Aufgabe besser lösen kann.

Nachdem die Daten durch die Schichten des neuronalen Netzes geleitet wurden, wird das Ergebnis mit dem tatsächlichen Ergebnis verglichen. Dieser Vergleich gibt an, wie gut das System bei der Lösung des Problems abschneidet. Basierend auf diesem Feedback wird das System angepasst, und das Training geht in die nächste Runde.

In der Rückwärtspropagation werden die Anpassungen an den Gewichten und Biases der Neuronen in den Schichten durchgeführt, um das Ergebnis zu verbessern. Dieser Prozess wird iterativ durchgeführt, bis das System eine bestimmte Genauigkeit erreicht hat.

Die Genauigkeit des Deep-Learning-Systems hängt von der Größe und Qualität der Trainingsdaten, der Architektur des neuronalen Netzes sowie von anderen Faktoren ab. Ein gut trainiertes Deep-Learning-System kann beispielsweise in der Bilderkennung eingesetzt werden, um Objekte in Bildern zu identifizieren oder in der Spracherkennung, um menschliche Sprache zu verstehen und zu übersetzen.

Allgemein versetzen Deep-Learning-Systeme Programme in die Lage, komplexe Probleme zu lösen, die mit herkömmlicher Programmierung kaum zu bewältigen sind.

Visual-SLAM-Technologie: Wie FTS die Welt wahrnehmen

Die beste KI nützt den mobilen Robotern allerdings wenig, wenn sie nicht wissen, wo sie sind und wohin sie fahren. Auf GPS-Signale können sie sich dabei nicht verlassen, denn die sind in Innenräumen – und vor allem in Werks- und Lagerhallen – entweder zu schwach oder gar nicht verfügbar bzw. zu ungenau.

Deshalb ist die Visual-SLAM-Technologie (Visual Simultaneous Localization and Mapping) eine weitere Schlüsseltechnologie für FTS. Sie basiert auf der Verwendung von 3D-Kameras, mit denen die Transportsysteme ihre Umgebung analysieren und aufgrund deren Bilddaten sie sich mithilfe von Algorithmen orientieren.

Durch die Verwendung von Visual-SLAM-Technologie können FTS aber nicht nur eine Route berechnen, sondern auch Hindernisse und Gefahren erkennen – und vermeiden. Und so sicher und effektiv ihre Aufgaben ausführen.

Wie funktioniert Visual-SLAM-Technik genau

Die Technologie basiert auf der Verwendung von 3D-Kameras, die an dem mobilen Gerät befestigt sind. Die Kameras erfassen Bilder von der Umgebung, die dann von einem Computer verarbeitet werden, um eine Karte der Umgebung zu erstellen. Diese Karte wird verwendet, um die Position des Geräts innerhalb der Umgebung zu bestimmen.

Visual-SLAM funktioniert durch die Verwendung von Merkmalen in den erfassten Bildern. Merkmale sind markante Punkte in einem Bild, die leicht zu erkennen und zu unterscheiden sind. Diese Merkmale werden dann in der Karte der Umgebung verfolgt und mit den aktuellen Bildern verglichen, um die Position des mobilen Geräts zu bestimmen.

Um die Genauigkeit des Visual-SLAM-Systems zu erhöhen, wird auch die Bewegung des mobilen Geräts berücksichtigt. Das System erfasst kontinuierlich, wie sich das Gerät bewegt, und verwendet diese Informationen, um die aktuelle Position des Geräts zu bestimmen.

Die Vorteile von Visual-SLAM liegen in der Flexibilität und den geringen Kosten im Vergleich zu anderen Ortungstechnologien wie GPS oder Lidar. Die Technologie ermöglicht es, dass die Systeme in hoch dynamischen Umgebungen robust, zuverlässig und präzise agieren. Es kann in einer Vielzahl von Anwendungen eingesetzt werden, wie zum Beispiel in autonomen Robotern, Drohnen oder sogar in mobilen Geräten wie Smartphones.

Die Genauigkeit eines Visual-SLAM-Systems hängt dabei von der Qualität der Kameras und von der Rechenleistung des verbundenen Computers ab. Daher wird es mit jeder Weiterentwicklung dieser Geräte noch präzisere und zuverlässigere Ergebnisse liefern.

KI & Visual-SLAM machen FTS zum Game Changer!

Ausgestattet mit trainierter KI und VSLAM können sich die autonomen Roboter – allenfalls noch durch einen großen Not-Aus-Taster beschränkt – völlig frei und unabhängig durch Fabrikhallen und Lager bewegen.

In der Produktion kümmern sich FTS vor allem um den innerbetrieblichen Materialfluss, also um Materialien, Rohstoffe und Halbfertigprodukte die von einem Produktionsbereich zum anderen transportiert werden müssen. Hier können sie Förderbänder ersetzen – und ohne fest verbaute Elemente können Produktionsstraßen in flexible Produktionszellen verwandelt werden, mit denen sich die Produktion sehr viel schneller und agiler umstellen lässt.

Das macht den Einsatz von FTS zu einem echten Game-Changer. Denn der Trend geht zu immer individuelleren Produkten mit immer kleineren Losgrößen. Darüber hinaus erzeugen die gestörten Lieferketten einen immer größeren Druck auf Unternehmen, ihre Fertigung möglichst flexibel zu gestalten.

Weitere Einsatzmöglickeiten für FTS

Neben der Produktion sind autonome mobile Roboter vor allem für den Einsatz in Lagern und Verteilzentren prädestiniert. Dort setzen Unternehmen sie häufig für schwere oder gefährliche Aufgaben ein, für die Mitarbeitende nicht in Frage kommen. So können Unternehmen z.B. den Betrieb im Lager weitestgehend automatisieren um Mitarbeitende für anspruchsvollere Aufgaben, wie z.B. dem Kundendienst, verfügbar zu haben.

In Logistikzentren können sie Artikel nicht nur transportieren, sondern auch selbstständig auffinden bzw. auswählen und sogar kommissionieren, was die Lager-Effizienz extrem verbessert. Niedrigstrom-AMR sind dabei auch sehr energieeffizient.

Perspektivisch können fahrerlose Transportsysteme, die sich in komplexen Umgebungen sicher zurechtfinden, aber bald an einer Vielzahl von Orten eingesetzt werden. Denkbar sind zum Beispiel Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen. Dort könnten sie Materialien, Medikamente und Mahlzeiten zwischen den verschiedenen Abteilungen und Stationen transportieren und so das chronisch knappe Pflegepersonal von manuellen Transportaufgaben entlasten und ihm mehr kostbare Zeit zur eigentlichen Pflege der Patienten verschaffen.

Gleiches gilt für Labore, Supermärkte, Restaurants und Büros. Dort wären neben dem Transport auch Aufgaben wie Bestandsaufnahme, Reinigung oder Überwachung von Sicherheitsrisiken denkbar.

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