Hoch­automatisierte Produktion von Gehäusen für Elektro­antriebe

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Intro

Das Sondermaschinenbauunternehmen Paul Köster, ein langjähriger ABB-Partner mit Sitz in Medebach, hat für den Druckgussspezialisten GF Casting Solutions Werdohl eine modulare Produktionslinie für Antriebseinheiten von Elektrofahrzeugen realisiert. Ab sofort übernehmen vierzehn ABB-Roboter Montageprozesse und das Materialhandling und leiten als Schrittmacher der hochautomatisierten Anlage verschiedene Gehäusetypen sicher und effizient durch den komplexen Prozess.

Vom Getriebegehäuse bis zum Cabrioverdeck: Der Automobilzulieferer GF Casting Solutions stellt eine Vielzahl von Leichtbau-Druckgussteilen für die Automobilindustrie her, bearbeitet und veredelt diese. Am Standort Werdohl werden unter anderem Gehäuse für Antriebseinheiten von Elektrofahrzeugen final bearbeitet.

Das richtige Bauteil zur richtigen Zeit am richtigen Ort

Bevor ein Gehäuse die Hallen in Werdohl verlässt, durchläuft es mehrere präzise aufeinander abgestimmte Schritte: Bearbeitung, Reinigung, (Vor-)Montage und Dichtheitsprüfung. Um diesen anspruchsvollen Prozess vollständig zu automatisieren, hat Paul Köster, ein Anbieter von maßgeschneiderten Komplettsystemen mit den Schwerpunkten Dichtheitsprüfung, Montagetechnik und Automation, für GF Casting Solutions eine herausragende modulare Produktionsanlage geschaffen. Das Ziel war es, anstelle einer starren Verkettung eine flexible Anlage zu entwickeln, die den dynamischen Anforderungen des Elektrofahrzeugbaus gerecht wird. In dieser Anlage verarbeiten 14 Roboter, 16 Montagestationen und acht Dichtheitsprüfmaschinen vier verschiedene Gehäusetypen für Elektro-Antriebseinheiten.

Das Herzstück der Anlage ist eine 50 Meter lange Linearachse, an der drei ABB-Roboter des Typs IRB 6700 die Beladung der Bearbeitungszentren mit Werkstücken übernehmen. Ein von  Paul Köster entwickelter Universalgreifer ermöglicht den Wechsel zwischen verschiedenen Bauteiltypen ohne Greiferwechsel. Ein intelligentes Lagersystem mit Pufferplätzen zwischen den einzelnen Zellen sowie insgesamt drei Vertikallifte gewährleisten einen unterbrechungsfreien Materialfluss in der gesamten Anlage.

„Die verschiedenen Gehäusevarianten müssen auf einer Linie unterschiedlichen Bearbeitungsschritten zugeführt werden. Da die Maschinen teilweise doppelt belegt sind, ist die Koordination der Taktzeit besonders knifflig. Grundsätzlich lautete die Herausforderung für unsere Automations-Spezialisten: die richtigen Teile zur richtigen Zeit an den richtigen Ort bringen, um die Gesamtausbringung der Linie zu optimieren.“

Christopher Köster, Geschäftsführer der Paul Köster GmbH

Um eine hohe Verfügbarkeit zu gewährleisten, sind die Anlagenprozesse so gestaltet, dass beispielsweise in Zelle 1 nicht verfügbare Roboter in eine Parkposition am Ende der Bahn gebracht werden. So können die verbleibenden Roboter ungehindert weiterarbeiten und den Materialfluss lückenlos aufrechterhalten.

Geschmeidig von Zelle zu Zelle

In Zelle 1 gibt es zwei Beladepunkte mit Fördertechnik. Hier platzieren die Mitarbeitenden Bauteile, wie beispielsweise Hinterachsgehäuse, auf ein Umlaufband oder in ein Übergaberegal. Dieser manuelle Arbeitsschritt ist einer der wenigen in der ansonsten hochautomatisierten Anlage. Auf der anderen Seite des Übergaberegals werden die Teile automatisiert von einem der drei IRB-6700-Roboter entnommen und zur passenden Bearbeitungsstation gebracht. Nach den ersten Bearbeitungsschritten gelangen die Bauteile ins Übergaberegal der Zelle 2, wo sie vom zweiten Roboter abgeholt werden.

In Zelle 2 werden verschiedene Vormontageoperationen durchgeführt. Frisch bearbeitete Bauteile werden an einer Reinigungsstation von Kühl- und Schmiermittelresten sowie Metallspänen befreit. Die Vormontage diverser Einzelkomponenten erfolgt ebenfalls in Zelle 2, in Zusammenarbeit zwischen ABB-Robotern vom Typ IRB 4600 und Montagemaschinen von Paul Köster. Nach abgeschlossener Vormontage platziert der nächste Handling-Roboter IRB 6700 die Bauteile zurück ins Übergaberegal für die nächsten Bearbeitungsschritte.

In Zelle 3 beginnt der Sauberbereich. Hier werden die Bauteile zuerst in einer Industriewaschmaschine gereinigt. Das Handling im Waschbereich übernimmt ein separater ABB-Roboter innerhalb der Reinigungsanlage. Da der Waschprozess die Bauteile erwärmt, lagert ein Roboter die gesäuberten Bauteile zum Auskühlen in den zweiten Hochregalspeicher ein. Je nach Bauteiltyp werden anschließend verschiedene Verschlussstopfen montiert. Nach der Montage der Verschlussstopfen und dem Eindrehen der Verschlussschrauben werden die Bauteile ins Übergaberegal zu Zelle 4 gelegt.

In Zelle 4 werden die unmontierten Gehäuse auf Dichtheit geprüft und anschließend automatisiert verstiftet. Danach erfolgt die automatisierte Montage eines Kühlrings, nicht ohne vorherige manuelle Vormontage mit kamerabasierter Überprüfung. Anschließend wird das Bauteil zur Kühlring-Schraubstation übergeben und danach geht es in Zelle 5 weiter. Dort finden verschiedene Montageschritte statt, unter anderem der robotergestützte Dichtmittelauftrag sowie die Montage eines Blechdeckels. Nach der Ablage im dritten Vertikallift zum Aushärten des Dichtmittels erfolgt der Übergang zu Zelle 6, wo die fertig montierten Bauteile auf Dichtheit geprüft werden.

Die weiteren Zellen mit unterschiedlichen Montagemaschinen folgen dem gleichen Aufbauprinzip mit Robotern und Pufferregal. Nur am Übergabepunkt zwischen Zelle 5 und Zelle 6 ist statt eines Pufferregals ein dritter Vertikalspeicher installiert. Hier werden die fertig bearbeiteten Bauteile erneut temperiert, bevor sie zur finalen Qualitäts- und Dichtheitsprüfung in Zelle 6 gelangen. Je nach Status des Bauteils legen die Handling-Roboter die Teile auf ein Ausförderband zum Ausschleusen oder führen sie für Nacharbeiten in den Bearbeitungszyklus zurück.

Software-Orchestrierung der komplexen Anlage

Die Entscheidung für ABB-Roboter zur Automatisierung des Handling-Prozesses war einfach: Bei GF Casting Solutions haben sich Roboter dieser Marke bereits bewährt, und das Personal ist im Umgang mit dem ABB-Ökosystem geschult. Die ausgewählten Roboter aus dem ABB-Portfolio entsprachen den Spezifikationen hinsichtlich Reichweite, Tragkraft und Freiheitsgraden.

Auch die eingesetzte Software trägt maßgeblich zum reibungslosen Ablauf bei. In dieser Applikation, bei der jeder Meter zählt, zeigt die Offline-Programmier- und Simulationssoftware RobotStudio von ABB ihre Stärken. Sie bietet die Möglichkeit, Platzierungen sowie die Erreichbarkeit der einzelnen Objekte zu verifizieren. Die Offline-Programmierung vor der Inbetriebnahme wurde via RobotStudio durchgeführt und später 1:1 auf die reale Produktion übertragen. Der Zeit- und Kostenaufwand für physische Tests und Inbetriebnahmen konnte reduziert und Störungen vermieden werden. Falls künftige Anpassungen an der Anlage aufgrund der rasanten Entwicklung im Bereich Elektromobilität erforderlich sind, lassen sich Updates vorab via RobotStudio validieren. Zudem sind alle Handling-Roboter mit der Sicherheitssoftware SafeMove von ABB ausgestattet, um die Schnittstellen an den Übergaberegalen abzusichern.

Mit den Lösungen von ABB ist es Paul Köster gelungen, eine flexible, modulare Produktionsanlage zu realisieren, die auf einen durchgängigen Materialfluss optimiert und für künftige Erweiterungen gewappnet ist. In der exakt orchestrierten Anlage sorgt die Kombination aus modernsten Montagetechnologien, anspruchsvoller Steuerungstechnik, intelligenten Kontrollmechanismen und einer zuverlässigen Dichtheitsprüfung dafür, dass nur qualitativ hochwertige Gehäuse das Werk in Werdohl verlassen. «Die Anforderung für die nächste Erweiterung der Anlage haben wir bereits auf dem Tisch», verrät Christopher Köster.