Laborautomation: Roboter für höheren Durchsatz

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Menschliche Fähigkeiten lassen sich nicht ersetzen. Doch was tun, wenn es nicht ausreichend Menschen gibt, um bestimmte Aufgaben zu übernehmen? Vor allem in Laboren fehlt zusehends Personal. Industrieroboter und kollaborative Roboter (Cobots) schaffen Abhilfe: Sie können Mitarbeitende bei manuellen, monotonen und stets wiederkehrenden Aufgaben unterstützen. Dabei erzielen sie schnellere Durchlaufzeiten und helfen, die Reproduzierbarkeit zu verbessern – in großen wie in kleineren Laboren.

Labore sind unersetzlich: Im Gesundheitswesen liefern sie schnell und präzise Ergebnisse, um Krankheiten schnell zu diagnostizieren, Krankheitserreger frühzeitig zu erkennen oder die Heilung einleiten zu können. Forschungseinrichtungen in Unternehmen oder an Hochschulen hingegen bringen die Medikamentenentwicklung voran oder unterstützen bei Pharma- oder Chemie-Experimenten. Zudem sind Labore mit ihren Analytikfähigkeiten – etwa zur Sicherstellung der Reinheit und Sicherheit von Lebensmitteln – unabdingbar.

Die Arbeit im modernen Labor kann jedoch monoton, anstrengend und teils sogar gefährlich sein. Roboter kommen deshalb zunehmend in Laborumgebungen zum Einsatz, wo sie beispielsweise repetitive Prozesse im Liquid-Handling – dem Befüllen, Abgeben, Mischen und Transport von Flüssigkeiten – übernehmen. Die Mitarbeitenden profitieren von der Effizienz und Präzision ihrer stillen, aber unermüdlichen Helfer, die sich einfach programmieren und intuitiv bedienen lassen.

Nahtlose Mensch-Roboter-Kollaboration

Mit ihrer Flexibilität und ihrem reduzierten Platzbedarf machen Industrieroboter und kollaborative Roboter (Cobots) – bei Bedarf als Reinraumvariante – die Vorzüge der Automatisierung Laboren jeglicher Größe zugänglich. Besonders wichtig sind dabei eine schnelle Installation und Zuverlässigkeit.

Jedes Labor kann problemlos die Lösung aus den ABB-Cobots GoFa und YuMi sowie klassischen sechsachsigen Robotern auswählen, die zur jeweiligen Anwendung passt, ohne dass sich Mitarbeitende Gedanken zum Installationsaufwand machen müssen. Über eine intuitive grafische Benutzeroberfläche lassen sich bestehende Programme und vorprogrammierte Blöcke zur Steuerung verschiedener Aktionen – von Roboterbewegungen über Signalanweisungen bis hin zur Kraftsteuerung – anpassen, was ein Plus an Flexibilität bietet.

Die Robotik-Lösungen von ABB können noch mehr. Die sicherheitszertifizierte SafeMove-Technologie von ABB ermöglicht es Robotern, ohne Sicherheitsumhausung mit ihren menschlichen Laborkollegen zusammenzuarbeiten. Die Labormitarbeitenden greifen über sensorüberwachte Bereiche auf die Analysegeräte zu. Kollisionen mit einem Roboter müssen sie daher nicht befürchten. Dringt eine Person in den Sicherheitsbereich ein, drosseln die Roboter ihre Bewegung auf ein sicheres Tempo oder kommen zum Stillstand. Entfernt sich der Mensch, beschleunigen die Roboter wieder auf Normaltempo.

Diese Technologie nutzt die MVZ Medizinische Labore Dessau Kassel GmbH. Der zum Patent angemeldete Arbeitstisch Lab Table II eignet sich für die Prä- und Postanalytik. Zwei ABB-Industrieroboter vom Typ IRB 1300 ermöglichen in einer Reinraum-Variante eine nahtlose Mensch-Roboter-Kollaboration. Durch diese Automatisierung erreicht das System einen Durchsatz von bis zu 160 Proben pro Stunde.

Kooperation zwischen ABB Robotics und Agilent Technologies

ABB Robotics und Agilent Technologies, ein Software-Anbieter für analytische und labortechnische Lösungen, haben eine Kooperation vereinbart, um Laborprozesse durch den Einsatz von Robotik und analytischer Labortechnologie zu automatisieren. Ziel ist es, repetitive Aufgaben wie Probenhandhabung, Tests und Datenverarbeitung effizienter zu gestalten, um die Forschung zu beschleunigen und die Produktivität zu steigern. Die Zusammenarbeit ist Teil der Strategie von ABB Robotics, Automatisierung auf neue Branchen auszuweiten.

Vollautomatisierter Laborprozess für die Lebensmittelanalytik

Für frische verpackte, tiefgekühlte oder verzehrfertige Lebensmittel gelten in Deutschland höchste Sicherheitsstandards. Deren Einhaltung muss kontinuierlich überwacht werden. Zunehmend schnellere Produktzyklen und strenge gesetzliche Anforderungen führen bei Lebensmittelproduzenten und -zulieferern zu immer umfassenderen und schnelleren Kontrollen.

Die Labore müssen demnach ihre Kapazitäten erhöhen, Bearbeitungszeiten verkürzen und eine konstant hohe Qualität sicherstellen. Die Eurofins WEJ Contaminants GmbH hat hierfür eine vollautomatische Prüflinie implementiert. Das Unternehmen gehört zur globalen Eurofins Scientific mit Sitz in Hamburg. Die Lösung arbeitet rund um die Uhr und setzt ABB-Roboter zur Analyse von Lebensmittelproben ein.

Die SCARA-Roboter erledigen die komplette Probenaufbereitung bis zum messfertigen Probenextrakt. Sie übernehmen homogenisierte, exakt eingewogene Lebensmittelproben in Kunststoffröhrchen. Diese führen die Roboter an die entsprechenden Prozessstationen im System heran.

Die Roboterlinie kann bis zu 400 Proben am Tag bearbeiten. Bei der Entwicklung der Lösung trugen die Simulationsmöglichkeiten mit der ABB-Software RobotStudio entscheidend zum Erfolg bei. Dank des innovativen Konzepts kann das Labor effizienter arbeiten. Auch die steigenden Anforderungen an die Lebensmittelanalytik kann die Einrichtung so erfüllen.

Keine Verunreinigung durch Viren und Bakterien

Anders als auf Menschen können sich Viren und Bakterien auf Robotern kaum vermehren. Eine Kontamination beim Probenhandling durch Roboter ist höchst unwahrscheinlich. Weder im Labor selbst, noch bei der Kommissionierung oder beim Versand kommt es zu solchen Übertragungen. Auch menschliches Versagen, Fälschungen oder Manipulationen lassen sich durch Robotereinsatz unterbinden.

Vision-Systeme und intelligente Sensorik sorgen dafür, dass ein Roboter Strichcodes und Verpackungen scannt. Prozesse kann der Helfer so lückenlos dokumentieren. Außerdem unterstützt er in Bereichen, die für Menschen potenziell gefährlich sind. Temperaturen, Gase oder biologisch gefährliche Materialien könnten echten Mitarbeitenden schaden. Roboter reinigen überdies spezielle Flächen und Reagenzgläser oder be- und entladen Zentrifugen. Nicht zuletzt bereiten sie Medikamente vor und pipettieren Flüssigkeiten.

Praktischer Nutzen: Fruchtfliegen umsetzen

Die Roboterautomation im Gesundheitswesen bietet große Chancen für zukünftiges Wachstum. Im Oktober 2019 hat ABB daher den ersten globalen Health Care Hub am Texas Medical Center (TMC) eröffnet. Mit den besten Köpfen aus Wissenschaft und Medizin möchte das Unternehmen neue Roboter- und Automatisierungskonzepte erarbeiten. Von den Entwicklungen sollen Krankenhäuser und medizinische Einrichtungen profitieren. Auch Labore, die Pharmaindustrie und Hersteller medizinischer Geräte gehören zur Zielgruppe. Das TMC ist mit zehn Millionen behandelten Patienten pro Jahr das größte medizinische Zentrum der Welt.

Diese Forschung hat bereits reiche Früchte getragen. Das Duncan Neurological Research Institute (Duncan NRI) setzt Fruchtfliegen regelmäßig aus einem Fläschchen (‚Vial‘) in ein neues. Ein neuer Arbeitsplatz macht‘s möglich. Ein YuMi-Cobot setzt die Fliegen um, ohne sie vorher mit CO₂ zu betäuben. Das wirkt sich positiv auf die Studienergebnisse aus. Labormitarbeitende sparen so rund 20 Prozent Arbeitszeit. Diese lässt sich wieder für die Forschung nutzen.

„Große Innovationen beginnen am Labortisch. Das erreichen wir vor allem, wenn wir Prozesszeiten verkürzen und Fehlerquoten geringhalten. Gleichzeitig müssen wir hochwertige Daten und Informationen erzeugen können.“

Stefan Heiniger, Leiter Labor-Division bei METTLER TOLEDO

Entwicklung automatisierter Laborarbeitsstationen

In der Nähe von Shanghai hat ABB das „ABB Robotics Open Innovation Lab for Life Science and Healthcare“ aufgebaut. Es ergänzt das Forschungszentrum in Texas. Darüber hinaus ist ABB mit dem KI- und Automationsspezialisten XtalPi eine Kooperation eingegangen. XtalPi möchte die Biowissenschaften und neue Materialien in der chemischen Industrie digital transformieren.

Hierfür hat ABB 2022 einhundert GoFa-Cobots bereitgestellt. Unter der Marke XtalPi Intelligent Automation setzt das chinesische Unternehmen die Cobots ein. Die Lösungen automatisieren Synthese- und Kristallisationsprozesse bei der Entwicklung neuer Medikamente und Materialien.

Dazu gehören Präparationsarbeitsplätze, Verdünnungs- und Filtrationsarbeitsplätze, Reaktionsarbeitsplätze, UPLC-Testarbeitsplätze, Arbeitsplätze mit Handschuhkästen, Probenlager und fahrerlose Transportsysteme (FTS).

Drei SCARA von ABB übernehmen in einer vollautomatisierten Linie die Probenaufbereitung bis zum messfertigen Probenextrakt im Labor von Eurofins. (Bild: ABB)

Software-Integration in bestehende Systeme

Labore setzen häufig komplexe Labor-Management-Plattformen ein. Damit arbeiten sie entsprechend geltenden Gesetzen und Regularien, steuern Abläufe und dokumentieren. Auch hier zeigt sich, dass ABB-Roboter sich flexibel in Laboranwendungen integrieren lassen. Dazu gehören beispielsweise die LabX™-Managementsoftware von METTLER TOLEDO und die damit verbundenen Instrumente.

Die Lösungen optimieren Arbeitsabläufe in Labors und ermöglichen ein Höchstmaß an Rückverfolgbarkeit, Produktivität und Datenmanagement. Forschung, Testungen und die Qualitätskontrolle werden zudem flexibler. Gleichzeitig sollen Markteinführungszeiten verkürzt und dem Arbeitskräftemangel entgegengewirkt werden.

„Große Innovationen beginnen am Labortisch. Das erreichen wir vor allem, wenn wir Prozesszeiten verkürzen und Fehlerquoten geringhalten. Gleichzeitig müssen wir hochwertige Daten und Informationen erzeugen können“, sagt Stefan Heiniger, Leiter der Labor-Division bei METTLER TOLEDO. „METTLER TOLEDO und ABB werden ein leistungsstarkes, intuitives und standardisiertes Toolset anbieten. Dieses wird den Bedürfnissen von Labors aller Art und Größe gerecht. Zudem bietet es ein Höchstmaß an Automatisierung, Geschwindigkeit und Erkenntnisgewinn und senkt Kosten.“