Reparieren statt wegwerfen: Start-up refurbisht Platinen per Cobot

Gefällt mir
Bookmark
Intro

Was viele als Elektroschrott entsorgen, ist für Repartly ein Geschäft mit Wachstumspotenzial: Das Gütersloher Start-up repariert und überholt Elektronikplatinen und schenkt damit alten und defekten Haushaltsgeräten ein neues Leben. Drei Cobots sind seit Kurzem für die Technikprofis im Einsatz. Das Roboter-Abo von ABB macht das möglich.

Die Waschmaschine streikt, der Kühlschrank fällt aus oder der Fernseher flackert: Früher oder später sind die meisten Haushaltsgeräte kaputt oder haben eine Macke. Laut Statistischem Bundesamt landen in Deutschland jedes Jahr rund eine Million Tonnen ausgediente Elektro- und Elektronikgeräte auf dem Elektroschrott. Ein nicht unerheblicher Teil davon wäre eigentlich noch weiter zu gebrauchen, wenn er denn repariert werden könnte.

Disruption einer Branche

Dass sich der Aufwand durchaus lohnt, beweist Repartly, ein Start-up aus Gütersloh, das die Platinen ausgedienter oder defekter Haushaltsgeräte repariert und aufarbeitet – im Fachjargon „Refurbishing“ genannt. Im Jahr 2021 ging das Unternehmen an den Markt. „Gestartet sind wir mit Elektroniken für Waschmaschinen“, berichtet Lennart Osthoff, Geschäftsführer und Gründer von Repartly. Heute bieten er und sein Team ein breites Portfolio an refurbished Elektroniken und Mechanik-Bauteilen sämtlicher namhafter Markenhersteller – seien es Waschmaschinen, Trockner, Geschirrspüler, Backöfen, Induktionsherde, Mikrowellen, Kühlschränke oder hochpreisige Küchenmaschinen. Mit seinem nachhaltigen Geschäftsmodell will das Start-up raus aus der Wegwerfgesellschaft hin zu mehr Kreislaufwirtschaft. „Je länger sich ein Gerät im Einsatz befindet“, erklärt Osthoff, „desto besser ist seine Ökobilanz. Mit anderen Worten: Wer repariert, spart erheblich Geld, Ressourcen und Emissionen.“

Reparatur innerhalb eines Tages

Für die Kunden von Repartly funktioniert das denkbar einfach. Ein erster Chat mit den Gütersloher Experten klärt die Fehlerursache. Ist die Elektronik defekt, unterstützt Repartly mit einer Versand-Reparatur und vermittelt auch lokale Techniker vor Ort. „Noch am selben Tag des Wareneingangs wird die Elektronik von uns repariert und voll funktionstüchtig wieder an den Kunden zurückgeschickt“, verspricht Osthoff, „und das zum vorab vereinbarten Fixpreis.“ Ist die Elektronik nicht mehr zu reparieren, erhält der Kunde umgehend eine E-Mail mit einem Angebot für ein generalüberholtes Ersatzteil.

Robotics-as-a-Service

Aktuell repariert das fünfköpfige Team von Repartly pro Monat eine 4 stellige Anzahl an Elektroniken europaweit– Tendenz steigend. Um auch bei zunehmenden Auftragsvolumen Same-Day-Services sicherstellen zu können, hat sich das junge Unternehmen Hilfe von drei kollaborativen ABB-Robotern (Cobots) vom Typ GoFa ins Haus geholt. Das Besondere: per monatlichem Leasing.

„Als Start-up hat uns das Robotics-as-a-Service-Modell von ABB sofort überzeugt. Der Investitionsaufwand ist minimal. Gleichzeitig eröffnet uns die Technologie von ABB ein Höchstmaß an Flexibilität, um im Markt gebrauchter und generalüberholter Elektroniken neue Ideen auszuprobieren und unseren Proof of Concept schlank zu gestalten.“

Lennart Osthoff, Geschäftsführer und Gründer von Repartly

Plus an Produktivität

Klaus, Thomas und Axel, wie das Team von Repartly ihre neuen Cobot-Kollegen liebevoll nennt, entlasten bei monotonen Standardaufgaben wie der Sortierung der Elektroniken im Wareneingang. Dort durchlaufen die Platinen zunächst eine vollautomatische optische Inspektion, bei der sie auf Anomalien und irreparable Brand- oder Feuchtigkeitsschäden analysiert werden. Das Ergebnis wird visuell per Farbcode angezeigt, sodass der Cobot erkennt, in welches der drei Regalsysteme er die betreffende Elektronik zur weiteren Bearbeitung einsortieren muss: Warten auf Kundenfeedback im Fall irreparabler Bauteile (Regalsystem 1), manuelle Werkstatt bei komplexeren Reparaturen (Regalsystem 2) oder die automatisierte Reparaturstation für Routineüberholungen (Regalsystem 3).

Präzises Löten

An der automatisierten Station sind an der neuen Reparaturplattform mit Ladungsträger und Lötkolben die anderen beiden GoFa-Cobots im Einsatz. Sie entfernen alle defekten Bauteile von der Platine, platzieren die neuen und verlöten sie anschließend. Was sich einfach anhört, ist in der Praxis ein kniffliger Prozess, wie der technische Leiter von Repartly, Fabian Wiesing, erklärt: „Aufgrund ihres Alters verhält sich jede Elektronik anders. Erhitzen die Cobots die Platine zu lange, um das Bauteil zu entnehmen, kann sie beschädigt werden.“ Er und seine Kollegen mussten viel testen, um für die unterschiedlichen Elektroniken die richtigen Werte und die entsprechenden Bewegungsabläufe der Cobots festzulegen.

Einfache Programmierung punktet

Mit ihren automatisierten Elektronikreparaturen leistet Repartly Pionierarbeit. Vergleichbare Anwendungen gibt es am Markt nicht. „Von großem Vorteil ist die einfach zu handhabende Software, die ABB für die Programmierung der Cobots zur Verfügung stellt“, betont Wiesing. Bevor Repartly mit der Implementierung der GoFa-Cobots begann, nahm der gelernte Elektroniker an einer einwöchigen Schulung bei ABB Robotics in Friedberg teil. Mit den dort erworbenen Kenntnissen und der intuitiven Lead-Through-Programmierung der ABB-Cobots ließen sich die anspruchsvollen Bewegungsabläufe beim Löten problemlos umsetzen, so der Technikleiter. Einen weiteren Pluspunkt sieht er im End-of-Arm-Ecosystem MATCH, über das Repartly flexibel verschiedene Greifer von Drittanbietern per Plug-and-Play integrieren kann. Das Ergebnis überzeugt. Inzwischen hat das Start-up ihre automatisierte Reparaturstation zum Patent angemeldet.

Bearbeitungszeit halbiert

„Die Cobots können die repetitiven Reparaturprozesse schnell, exakt und in immer gleichbleibend hoher Qualität ausführen“, sagt Fabian Wiesing. Das sei insbesondere bei der Generalüberholung ausrangierter Elektroniken, die Repartly von verschiedenen Recyclingunternehmen in großen Stückzahlen des gleichen Typs angeliefert bekommt, ein enormer Gewinn. Neben der Skalierung ihres Geschäftsmodells sichert sich das Start-up mit der Automatisierung das langjährige technische Know-how seiner Mitarbeitenden, das in die Reparatur- und Refurbishment-Abläufe der Cobots einfließt.

Im Durchschnitt dauert die manuelle Instandsetzung einer Platine 20 Minuten. „Obwohl sich unser Projekt mit den drei GoFa-Cobots noch in einer Art Prototypenphase befindet, konnten wir die Bearbeitungszeit auf Anhieb um die Hälfte reduzieren“, so das positive Resümee des Geschäftsführers Lennart Osthoff. In der gewonnenen Zeit kann sich das Team nun anspruchsvolleren Reparaturen und der Expansion ihres Geschäfts in andere Industriezweige widmen. Elektroniken von Photovoltaikanlagen, Wärmepumpen, Garagentorantrieben und TV-Geräten sind bereits neu im Portfolio.