„Schoggihasen“ perfekt in Form geschleudert

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Intro

In Pratteln läuft die Schokoladenproduktion auf Hochtouren: HALBA hat eine hochmoderne „Hasenanlage“ in Betrieb genommen, die mit der vollautomatisierten AWEMA-Linie beeindruckende 120 Schokoladenhasen pro Minute herstellt.

Die Schweiz ist das Schokoladenland par Excellence. Dort wurden sowohl zartschmelzende Schokolade wie auch Milchschokolade erfunden. Die Schweiz ist weltbekannt für die dort produzierte Schoggi. Und sie weist den höchsten Pro-Kopf-Konsum überhaupt auf.

Rund 20.000 Tonnen Schokolade werden hier jährlich produziert

„Was Hohlfiguren aus Schokolade betrifft, sind wir ein absolutes Osterhasenland“, erklärt Valentin Thöny, Leiter Engineering bei HALBA. Während in anderen Ländern beispielsweise auch Weihnachtsmänner aus Schokolade stark nachgefragt werden, seien die Schweizerinnen und Schweizer in dieser Beziehung fast ganz auf Ostern ausgerichtet. Deshalb wird die neue Produktionslinie der Einfachheit halber „Hasenanlage“ genannt, auch wenn sich damit Schokoladen-Hohlfiguren beliebiger Form – sowohl mit als auch ohne Schminkdekoration – herstellen lassen.

HALBA ist eine Division der Coop Genossenschaft. Sie entstand 2017 aus einer Fusion von Chocolats Halba mit Sunray, bekannt für Nüsse und Snacks. Deren einziger Produktionsstandort ist Pratteln in der Schweiz. Mit einer jährlichen Produktion von etwa 20.000 Tonnen Schokolade beliefert HALBA hauptsächlich Coop, während rund ein Drittel für den Export bestimmt ist.

Die Vorteile der Automatisierung

Ursprünglich wollte HALBA eine teils manuell bediente bestehende Anlage zur Produktion von Schokohasen automatisieren lassen, entschied sich dann aber aus Effizienzgründen, auf eine neue Linie zu setzen und holte Angebote ein. Der Auftrag ging schließlich an AWEMA. Das Unternehmen im thurgauischen Oberneunforn hat sich auf die Realisierung von maßgeschneiderter Anlagen für die Süßwarenindustrie spezialisiert und ist für Schokoladenhersteller weltweit im Einsatz.

In der Schokoladenindustrie erfolgt das Be- und Entladen der Hohlkörperschleudern bisher mehrheitlich manuell. Diese eher monotone Arbeit ist körperlich sehr fordernd und schlägt für die Unternehmen in laufenden Kosten zu Buche. Durch die Automatisierung verringern sich die laufenden Produktionskosten der Anlage. Gleichzeitig kann das Personal für Arbeiten eingesetzt werden, die dem Unternehmen einen größeren Nutzen stiften – und für die Mitarbeitenden interessanter sind.

Produktionslinie dieser Größe ist immer eine Sonderanfertigung

„Von Bestellung bis Inbetriebsetzung im Februar 2023 verging lediglich ein Jahr. Dabei ist eine so große Schokoladenlinie immer eine Sonderanfertigung. Das Zusammenspiel der einzelnen Komponenten muss genau auf die Kundenwünsche ausgerichtet werden“, erklärt Erwin Bucheli, verantwortlich für das Marketing bei AWEMA.

Nach dem Schminken der Osterhasen und dem Eingießen der flüssigen Schokolade ist das Schleudern der Hohlkörper ein entscheidender Schritt. Damit wird der Hase in Form gebracht. Das Bestücken der Schleudern – bei manueller Leistung eine sehr eintönige Arbeit – sollte in der neuen Linie von Robotern in enger Taktzeit ausgeführt werden. Dafür kontaktierte AWEMA die Marti Systeme AG in Unterägeri, eine Spezialistin für robotergestützte Automationstechnik.

Bei HALBA sind zwei ABB-Roboter für die Bestückung der Hohlkörperschleudern installiert. (Bild: ABB)

Zwei Roboter mit Traglast von 155 kg und Reichweite von 2,85 m im Einsatz

„Wir setzen für unsere Automationslösungen primär ABB-Roboter ein, sind als ‚ABB Value Provider‘ ein autorisierter Partner“, so Nils Anderer, Projektleiter Robotik bei Marti Systeme. Für die Bestückung der Hohlkörperschleudern des Typs HFR-186, von denen zwei in der neuen Linie nebeneinander installiert sind, wählte er den ABB-Roboter IRB 6700 in Kombination mit der Verfahrachse IRBT 6004, um den Robotern einen zusätzlichen Freiheitsgrad für diese komplexe Aufgabe zu verleihen.

Der sechsachsige IRB 6700 ist ein robuster, wartungsarmer Industrieroboter der 7. Generation von ABB. Er gilt als leistungsfähigster Roboter mit den niedrigsten Gesamtbetriebskosten in der 150–300 Kilogramm-Klasse. In Pratteln stehen zwei IRB 6700 mit einer Traglast von 155 kg und einer Reichweite von 2,85 m zum Einsatz – die durch die Bewegung auf der Verfahrachse erweitert wird.

Greifwerkzeug kann beidseitig je zwei Gussformen greifen

Die hohe Traglastfähigkeit mag beim Handling von Schokoladehohlkörpern erstaunen. Doch allein das raffinierte, spezifisch für diesen Einsatz von Marti Engineering konstruierte Greifwerkzeug wiegt rund 100 kg. Damit lassen sich beidseitig je zwei Gussformen greifen. So kann der Roboter in einem Arbeitsschritt ausgehärtete Formen von der Schleuder entnehmen und diese – mit einer 180-Grad-Drehung des Greifwerkzeugs – mit den zuvor vom Förderband aufgenommenen neuen Formen bestücken.

Das raffiniert konstruierte Greifwerkzeug für diese Anwendung. (Bild: ABB)

Das raffiniert konstruierte Greifwerkzeug für diese Anwendung.

Der Roboter setzt die Formen gleich nach Aufnahme in Rotation, damit sich die Schokolade bereits in dem Schritt zu verteilen beginnt. Er muss dann mit dem Arm exakt die Drehung der Schleuder nachverfolgen, um Formen davon zu entnehmen und die neuen aufzusetzen. Und das nach einem ausgeklügelten Belegungsmuster, um die Formen zur richtigen Zeit – je nach Produkt nach sieben bis zehn Minuten auf der Schleuder – zu entfernen und zur Weiterverarbeitung aufs Förderband zu legen.

„Dies zu programmieren ist sehr anspruchsvoll. Die ABB-Software RobotStudio, mit der sich das zuerst simulieren lässt, hat uns dabei sehr geholfen. Aus meiner Sicht ist diese Simulationssoftware einzigartig. Die vorgängigen Simulationen waren auch bei der Inbetriebsetzung überaus hilfreich.“

Nils Anderer, Projektleiter Robotik bei Marti Systeme.

Roboter müssen Zyklus von 24 Sekunden einhalten

Nach dem Eingießen der Schokolade in die Form müssen die Formen möglichst schnell in Rotation versetzt werden, damit sich die Masse gleichmäßig verteilen kann. Entscheidend im Gesamtablauf war, die angestrebte Zykluszeit zu erreichen. „So müssen die Roboter einen Zyklus von 24 Sekunden einhalten, in dem sie neue Formen aufnehmen, geschleuderte Formen von der Anlage greifen, die neuen aufsetzen, die bearbeiteten auf das Förderband legen und wieder neue aufnehmen“, rechnet Thöny vor.

Die Gesamtanlage darf nie stillstehen. Jede kleine Störung kann langwierige Folgen haben. Logisch, denn die flüssige Schokolade, die mit rund 32 Grad Celsius in die Formen gegossen wird, erstarrt nach einer Weile. Hat der Schleudervorgang nicht wie vorgesehen funktioniert, entsteht Ausschuss.

Ostern kann kommen. (Bild: ABB)

Gute Voraussetzungen für genussreiche Ostertage

Die Schokoladenlinie läuft rezeptgesteuert. Im Leitsystem sind rund 70 Produkte mit ihren Parametern gespeichert, in ihrer Mehrheit Schokohasen unterschiedlicher Größe, Zusammensetzung und Aussehen. Rezeptabhängig verarbeitet diese neue Hasenlinie 100 bis zu 700 kg Schokolade pro Stunde. Meist rund um die Uhr. Vollautomatisch. „Es ist lediglich jeweils ein Linienführer vor Ort, der ein Auge auf die Gesamtproduktion wirft, bis hin zur Verpackungsstation“, so Thöny.

In einer neuen, spezifisch konstruierten, komplexen Anlage wie der Hasenlinie bei HALBA sind immer technische „Kinderkrankheiten“ zu bewältigen. „Die hielten sich aber in Grenzen“, erklärt Thöny. „Wir sind mit dieser vollautomatischen Anlage sehr zufrieden. Sie läuft so, wie wir uns das vorgestellt haben, exakt getaktet.“ Das sind gute Voraussetzungen für genussreiche Ostertage 2025