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Die vielfach bewährte Leit- und Messtechnik von ABB steuert und regelt im Fernheizwerk Neukölln in Berlin die Anlagen optimal. Durch den neu integrierten Wärmespeicher der Power-to-Heat-Anlage lässt sich die Fernwärme- und Stromproduktion zeitlich von der Wärmelieferung entkoppeln.

Der größte Wärmespeicher Berlins steht im Stadtteil Neukölln. Ursprünglich lagerten indem riesigen Tank mitten auf dem Gelände des Fernheizwerks (FHW) Neukölln Millionen Liter Heizöl, mit denen das Heizwerk Fernwärme für zahlreiche Gebäude im Stadtteil Neukölln erzeugte. Seit Anfang des Jahres 2015 dient der 22 m hohe Tank nach einem Umbau für 2,8 Millionen Euro als Wärmespeicher. Statt Heizöl lagern dort nun zehn Millionen Liter heißes Wasser. „Der Wärmespeicher allein reicht aus, um an einem frostigen Wintertag ungefähr 3.250 Haushalte 24 Stunden lang mit Fernwärme zu versorgen“, erklärt Robert Tomasko, Leiter Fernwärmeerzeugung des FHW Neukölln.

Sieben Blockheizkraftwerke

Das Heizwerk erzeugt umweltfreundliche Fernwärme in einem Gebiet mit ungefähr 160.000 Einwohnern, Gewerbebetrieben und öffentlichen Einrichtungen in Neukölln und Kreuzberg. Die Versorgung erfolgt über ein fast 100 km langes Leitungsnetz und 1.150 Übergabestationen. Pro Stunde können bis zu 3.500 m 3 Heizwasser mit einer Temperatur von 75 bis 110 °C durch die Trassen gepumpt werden. „Zur Erzeugung der Fernwärme werden fünf Heißwasser- und zwei Dampfkessel mit verschiedenen Brennstoffen betrieben“, sagt Tomasko. Sieben Blockheizkraftwerke (BHKW) mit zusammen circa 10 MW elektrischer und circa 11,5 MW thermischer Leistung produzieren Wärme und Strom mithilfe der hocheffizienten Kraft-Wärme-Kopplung (KWK). Der bei der Wärmeerzeugung anfallende Strom wird für die Eigenversorgung genutzt und zum größten Teil ins öffentliche Netz eingespeist.

Einbindung in bestehendes System

Gesteuert und geregelt werden die Anlagen des FHW Neukölln über das Leitsystem Freelance von ABB. „Da wir mit Freelance zufrieden sind, war es für uns naheliegend, auch den neuen Wärmespeicher, die Power-to-Heat-Anlage und die BHKW-Anlagen in das bestehende Leitsystem einzubinden“, erklärt Tobias Bachmann, Projektleiter des FHW Neukölln. Dabei sollten der bereits bestehende Erzeugungspark des Heizwerks und die neuen Anlagen regelungs- und steuerungstechnisch miteinander verknüpft werden. „Zudem war es wichtig, die Flexibilität der Anlagen zu erhöhen, um optimal auf die Schwankungen im Fernwärmenetz reagieren zu können“, erklärt ABB-Projektleiter Bodo Hubrig die anspruchsvolle Aufgabenstellung.

Mit dem starken Ausbau von Solar- und Windkraftanlagen steigt der Bedarf an flexibel regelbaren konventionellen Kraftwerken stetig. Wie viel Strom in erneuerbaren Energieanlagen erzeugt wird, ist immer wetterabhängig. Produzieren sie zu wenig Strom, sinkt die Frequenz im Stromnetz. In diesem Fall müssen konventionelle Kraft werke wie das FHW Neukölln innerhalb kürzester Zeit mehr Strom produzieren. Erzeugen Solar- und Windkraftanlagen zu viel Strom, muss die Produktion in konventionellen Kraftwerken schnell heruntergefahren oder sogar komplett abgeregelt werden. Dies wird durch die Bereitstellung von Regelenergie geleistet, die je nach Art innerhalb weniger Sekunden oder Minuten zur Verfügung stehen muss.

Höhere Flexibilität der Anlagen

„Diese geforderte Flexibilität erreichen wir neben der entsprechenden Anlagentechnik auch über die Steuerungs- und Regelungsmöglichkeiten im ABB-Leitsystem, die ein schnelles An- und Abfahren der BHKW-Anlagen ermöglichen“, sagt Bachmann. „Mit der Power-to-Heat-Anlage, die wie ein riesiger Tauchsieder Strom in Fernwärme umwandelt, die dann im Wärmespeicher zwischengelagert werden kann, können wir nun außerdem innerhalb von fünf Minuten bis zu zehn Megawatt vorzugsweise regenerativ erzeugten, überschüssigen Strom aus dem Netz abnehmen. Damit können wir unabhängig von unserer Wärmenachfrage unsere Anlagen optimal betreiben.“ Durch die zeitliche Entkopplung von Fernwärmeproduktion und -bedarf kann außerdem auch dann Strom produziert werden, wenn der für den hocheffizienten KWK-Prozess erforderliche Wärmebedarf der Kunden nicht anliegt. Umgekehrt ist die Wärmeversorgung dadurch auch ohne Stromproduktion gesichert.

„Neben der technischen Einbindung der neuen Anlagen in das bestehende Leitsystem haben wir zahlreiche Komponenten für den hydraulischen Teil des Wärmespeichers geliefert“, sagt Frank Karliczek, Accountmanager der ABB Prozessautomation. „Das ist ein schönes Beispiel für die gute bereichsübergreifende Zusammenarbeit bei uns.“ Neben Frequenzumrichtern für die Pumpen kommen im FHW Neukölln vor allem Durchflussmessgeräte von ABB zum Einsatz.