Netze clever führen

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Das Beispiel der Netze Augsburg GmbH zeigt, dass es möglich ist, allein auf Basis importierter Daten sowie weniger Messwerte das Niederspannungsnetz zu führen. Das Unternehmen hat sich für das Netzleitsystem Network Manager von ABB entschieden. Es vereinfacht die Betriebsführung – die Mitarbeiter der Leitwarte können schneller auf veränderte Netzsituationen reagieren.

Die Produktivität steigern, Betriebs- und Wartungskosten senken, Ausfallzeiten minimieren sowie Kunden mit zuverlässigen Stromlieferungen versorgen und ihnen umfassenden Service bieten – die Anforderungen an Energieversorger sind vielfältig. Insbesondere durch die Energiewende und den schnellen Ausbau regenerativer Energien ist es für Verteilnetzbetreiber entscheidend, den Zustand ihrer Netze zu kennen, zu überwachen und flexibel auf veränderte Situationen reagieren zu können. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, beauftragte die Netze Augsburg GmbH 2006 ABB damit, ihr ein neues Netzleitsystem zu erstellen.

Ausschlaggebend für eine erfolgreiche Umsetzung ist der effektive Einsatz spezieller Informationstechnologie. Insbesondere wenn das Niederspannungsnetz topologisch in einem SCADA-System (Supervisory, Control and Data Acquisition) modelliert wird, ist der Schritt zur Online-Netzberechnung nicht mehr weit. Netze Augsburg entschied sich für das Netzleitsystem Network Manager von ABB, womit die Mitarbeiter der zentralen Leitwarte den Betrieb optimal führen können.

„Abgeleitet von der Topologie und der zyklischen Netzberechnung können wir die Lastflüsse untersuchen und auch die Selektivität und Staffelung der Sicherungen beurteilen.“
Bildschirmsicht des ABB Network Manager: Der Versorgungsbereich einer Ortsnetzstation ist im aktuellen Schaltzustand ausgeleuchtet.
Bildschirmsicht des ABB Network Manager: Der Versorgungsbereich einer Ortsnetzstation ist im aktuellen Schaltzustand ausgeleuchtet.

Einheitliche Netzführung über alle Spannungsebenen hinweg

In den Network Manager werden täglich relevante Daten aus einem Geoinformationssystem (GIS), einem System für Energiedatenmanagement (EDM) und aus SAP importiert. Mit diesen unterschiedlichen Informationen lässt sich das Hoch und Mittelspannungsnetz ergänzend und das Niederspannungsnetz vollständig und automatisch im Leitsystem modellieren. Das ermöglicht eine einheitliche Netzführung über alle Spannungsebenen hinweg. Zudem sparen die Modellierung und die auf sie aufbauende Online-Netzberechnung Sensoren ein und helfen, dezentrale Einspeisungen einer Ortsnetzstation zuzuordnen. Auf der Grundlage dieser Informationen können die Leitstellenmitarbeiter Rückspeisungen aus dem Niederspannungsnetz erkennen.

Für die Betriebsführung bei Netze Augsburg bot es sich an, auch Niederspannungsnetzbereiche visuell auszuleuchten. Diese Darstellung veranschaulicht, welcher Netzbereich beziehungsweise welcher Kabelabschnitt oder Verteilerschrank von einer Ortsnetzstation versorgt wird.

Die Aussage basiert immer auf einem aktuellen Schaltzustand, da alle vom Normalzustand abweichenden Schaltzustände per Nachführung in der Leitwarte aktualisiert werden.
Indem das Netz im Computerbild gezielt umgefärbt wird, lässt sich überprüfen, wie ein Stromkreis verläuft, welche Parallelkabel im Spiel sind oder ob zwei Ortsnetztransformatoren über das Niederspannungsnetz gekuppelt sind. „Abgeleitet von der Topologie und der zyklischen Netzberechnung können wir die Lastflüsse in Betrag und Richtung untersuchen und auch die Selektivität und Staffelung der Sicherungen beurteilen. Anhand der Navigation im Netzbild stehen uns diese Informationen schnell zur Verfügung“, erläutert Werner Falchner, Bereichsleiter Leittechnik/Leitwarte Strom der Netze Augsburg. Da die Niederspannungsdaten täglich aus einem GIS importiert werden, kann die Betriebsführung die Techniker vor Ort auf Basis dieses aktuellen georeferenzierten Weltbildes unterstützen. Zusätzlich helfen importierte und hinterlegte Straßenkarten, Luftbilder oder Katasterkarten.

Leitwartenprozesse optimieren

Störungen kommen im Niederspannungsnetz besonders häufig vor. Dementsprechend aufwändig ist es, die Daten für die Berichte an das Forum Netztechnik/Netzbetrieb im VDE (FNN) und an die Bundesnetzagentur zu erfassen. „Diese Prozesse zu optimieren, war eine unserer wesentlichen Anforderungen“, sagt Werner Falchner. Indem die echten, zeitrichtigen Störungsdaten aus dem SCADA-System bereitgestellt und in ein Programm zur Störerfassung und -auswertung übernommen werden, sind Schreib- und Übertragungsfehler ausgeschlossen.

Geplante Versorgungsunterbrechungen lassen sich mit dem Network Manager simulieren und die Zählpunkte ermitteln, die von der Abschaltung betroffen sind. Mithilfe der Topologiefunktion lässt sich eine Liste der betroffenen Haushalte erstellen, die zur Information der Kunden genutzt werden kann.

Rückspeisungen berechnen

„Für die Modellierung von dezentralen Erzeugungsanlagen (DEA) im Niederspannungsnetz haben wir den Ansatz einer Referenzanlage entwickelt“, erläutert Christoph Schwartze, Business Consultant bei ABB. Hier stehen die im lokalen Netzgebiet abgeleiteten Messwerte auch im SCADA-System zur Verfügung und werden in die Lastkalibrierung einbezogen. Wahlweise kann die Einspeiseleistung der DEA auch aus einer Messung der Globalstrahlung oder einer Temperaturmessung abgeleitet werden. Rückspeisungen über einen Ortsnetztransformator werden so sichtbar.

Insgesamt schafft die Zustandsschätzung durchgängig über alle Spannungsebenen im Verteilungsnetz hinweg eine konsistente Datenbasis, auf der sich eine Reihe von Aspekten durch lastflussbasierte Simulationen und Optimierungen realisieren lassen, zum Beispiel die Grenzwertüberwachung auch für nicht gemessene Betriebsmittel. Die Ergebnisse der Netzberechnung können als Anlagenbilder, als ToolTip, als Auslastungseinfärbung in einem Netzbild, als Stationszusammenfassung oder als vollständige tabellarische Ausgabe im SCADA-System angezeigt werden. Und der Network Manager ist schnell: Für eine Lastkalibrierung für ein Netz, das 100.000 Haushalte und Gewerbebetriebe versorgt beziehungsweise 20.000 Knoten umfasst, benötigt er auf aktueller Hardware etwa 20 s. Die Lastflussberechnung basierend auf dem Basisfall dauert nicht einmal 10 s.

„Liegen verschiedene Datenquellen in entsprechender Qualität wie bei den Netzen Augsburg vor, ist der Network Manager das ideale Tool. Ist das nicht der Fall, hat ABB ein weiteres spezielles Verfahren zur Spannungsschätzung für das Niederspannungsnetz entwickelt. Im Rahmen des Smart-Planning-Prozesses wird dabei nicht das gesamte Netz detailliert nachgebildet, sondern lediglich ein ,Fingerabdruck‘ des Netzes zur Beobachtung der kritischen Spannung genutzt“, sagt Britta Buchholz, Leiterin Power System Consulting bei ABB.

„Für die Modellierung von dezentralen Erzeugungsanlagen haben wir den Ansatz einer Referenzanlage entwickelt.“