Professor Dr. Clemens Hoffmann im Interview

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Ihr Institut hat bereits 2009 gezeigt, dass eine Versorgung mit regenerativ erzeugtem Strom möglich ist. Woran hakt es bei der Umsetzung?

Der Ausbaukurs der erneuerbaren Energien läuft zu niedrig. Das liegt daran, dass sklavisch an der 45-%-Marke des Ausbaus im Stromsektor für 2025 festgehalten wird. Da wir diesem Ziel bereits deutlich nähergekommen sind als gedacht, wird auf einen Kurs eingebremst, der dreifach flacher ist, als es für das Erreichen der Ziele für 2050 notwendig wäre.

Worin sehen Sie die größten Herausforderungen hinsichtlich der Integration erneuerbarer Energien?

Die größte Herausforderung ist derzeit, die Investitionstätigkeit auf das notwendige Maß zu heben. Unter den Mengenbeschränkungen des EEG-Ausschreibungsverfahrens können zwar die klimapolitischen Ziele Deutschlands für 2025 gehalten werden; für 2050 werden sie aber definitiv verfehlt. Mit dem derzeitigen Ausbaugrad würden wir dauerhaft etwa zwei Drittel des heutigen CO2-Ausstoßes emittieren.

Wie muss das Netz gestaltet werden?

Im Bereich der Übertragungsnetze sehen wir einen Ausbaubedarf von etwa 30 % gegenüber unserer heutigen Kapazität. Das liegt insbesondere an der Übertragung von Windleistung über weite Strecken von Nord nach Süd. Im Bereich der Verteilnetze gibt es einen größeren vertikalen Leistungsfluss von unten nach oben, verursacht durch die photovoltaischen Anlagen. Allerdings gibt es bei der Photovoltaik auch große Potenziale der lokalen Nutzung durch Elektromobilität oder Wärmepumpen. Insofern wird der Verteilnetzausbau moderat bleiben können.

Welche Rolle spielt die Kopplung der Sektoren Strom, Wärme und Verkehr für die Integration erneuerbarer Energien?

Die Sektorkopplung ist der entscheidende Hebel, um die naturgemäßen Überleistungen erneuerbarer Energiequellen zu kompensieren. Jeder Sektor hat eine andere Signatur. Elektroautos können etwa einen Tag an Überleistung aufnehmen. Eine Wärmepumpe ist unter der Voraussetzung großer Speicher in der Lage, viele Wochen an Überschussleistungen aufzunehmen, die sich allerdings nicht rückverstromen lässt. Die Elektrolyse kann noch größere Energiemengen speichern, die einen Rückkehrwirkungsgrad von 30 bis 40 % in den Stromsektor haben. Die Prozesse der chemischen Industrie können ebenfalls große Leistungen und Energien darstellen, die dann indirekt in den hergestellten Materialien stecken. Unsere Analysen haben gezeigt, dass eine Versorgung mit erneuerbaren Energien möglich ist, wenn diese Flexibilitätsoptionen in der richtigen Weise orchestriert werden.

Vielfach ist von den Kosten der Energiewende die Rede. Was halten Sie davon?

Das ist fatal. Die Energiewende ist ein Investitionsvorhaben, dessen Kosten den Einnahmen gegenüberzustellen sind. Das sind im Wesentlichen die Kosten für fossile Energieträger, die wir mit dem Ausbau der Erneuerbaren sparen. In Deutschland sind das derzeit rund 90 Mrd. Euro im Jahr. Die Energiewende ist ein attraktives Renditeobjekt, für das die Politik Modelle der Beteiligung zugunsten der Verbraucher schaffen sollte. Darüber hinaus ist sie als Konjunkturprogramm entscheidend wichtig für die Schaffung neuer, zukunftsweisender Arbeitsplätze und sollte deutlich stärker vorangetrieben werden.