Richtig Gas geben
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Deutschland ist die Drehscheibe des europäischen Gashandels. Hier landen die wichtigsten Pipelines an; die hiesige Speicherlandschaft ist die viertgrößte der Welt. Die Liberalisierung des Energiemarktes hat die Geschäftsfelder der Gasindustrie stark verändert. Heute muss nicht nur auf jahreszeitliche Zyklen, sondern auf Abrufe in Stundenfrist reagiert werden. Dies stellt höchste Anforderungen an Prozesse, Anlagen, Systeme und Geräte.
Gas birgt einiges an Explosionsgefahr. Nicht nur, dass Erdgas je nach Lagerstätte aus bis zu 99 % hochentzündlichem Methan besteht; das Thema Gasversorgung war in den vergangenen Jahren auch politisch gelegentlich explosiv – sei es, dass sich Russland und die Ukraine um Gaslieferungen streiten oder Ex-Kanzler Gerhard Schröder in seiner aktiven Zeit den Vertrag der Nord-Stream-Pipeline unterschreibt und später im Aufsichtsrat der Betreibergesellschaft sitzt.
Weniger explosiv ist die Entstehung einer Erdgaslagerstätte. Abgestorbenes Plankton sinkt allmählich ab und wandelt sich in einen Faulschlamm um, der im Laufe von Jahrmillionen von weiteren Sedimenten überdeckt wird. Schließlich sorgen hohe Drücke und Temperaturen in der Erdkruste ab ungefähr 2 km Tiefe dafür, dass aus der organischen Substanz Erdgas wird. Durch den gleichen geologischen Prozess entsteht Erdöl, das oft zusammen mit Erdgas vorkommt.
Der Energieträger Gas spielt eine wesentliche Rolle im deutschen Energiemix. Über 20 % des Primärenergieverbrauchs entfallen auf Gas; ungefähr die Hälfte aller Wohnungen sind mit Gas beheizt. Zugleich importiert Deutschland 93 % seines Gasbedarfs, 40 % allein aus Russland. Über die Ostsee-Pipeline Nord Stream fließen jährlich ungefähr 50 Mrd. m³ Erdgas von Russland über 1.224 km nach Lubmin bei Greifswald. Wichtigste Lieferländer nach Russland sind Norwegen und die Niederlande, die gemeinsam ungefähr 50 % des deutschen Gasbedarfs liefern.
Die größten Pipelines besitzen einen Durchmesser von circa 1 m; in ihnen steht das Gas unter einem Druck von ungefähr 100 bar. Das landesweite 60-bar-Netz in Deutschland ist sehr gut ausgebaut. Die städtischen Netze haben 20 bar Druck; in den einzelnen Haushaltsanschlüssen ist der Gasdruck dann bis auf 1 bar reduziert.
„Deutschland stellt für den Energieträger Gas die europäische Drehscheibe dar“, sagt Dirk Junge, Account Manager für die Gasindustrie bei der ABB Automation GmbH. „Deshalb ist hier die Speicherlandschaft besonders ausgeprägt.“ Bei der unterirdischen Speicherung von Gas unterscheidet man zwischen Kavernen- und Porenspeichern. Die Kavernen befinden sich in Salzstöcken, die vor allem in Norddeutschland liegen. Sie werden durch Solung – die zielgerichtete Spülung mit Wasser – in den Salzkörpern geschaffen.
Typische Dimensionen einer Kaverne sind ungefähr 300 mal 50 m. Das sie umgebende Salz hat viele vorteilhafte Eigenschaften, die es zu einem optimalen Medium für die Gaseinlagerung machen: Es ist sehr druckbeständig, dicht und besitzt zudem gewisse selbstheilende Kräfte, um etwaige Risse wieder mit Salzmineralen zu verschließen. Bei den Porenspeichern – sie liegen vor allem im süddeutschen Raum – handelt es sich meist um abgebaute Erdgas- und Erdölfelder. Insgesamt verfügt Deutschland über ein Speichervolumen von ungefähr 20 Mrd. m3 – das ist Platz vier in der Welt hinter Russland, der Ukraine und den USA.
Porenspeicher lassen sich nur vergleichsweise langsam befüllen und entleeren. Sie eignen sich deshalb gut für den saisonalen Ausgleich. „Für den heutigen tagesaktuellen Handel auf dem Gasmarkt sind die in Stundenfrist beschickbaren Kavernenspeicher besser geeignet“, sagt Dirk Junge. „Das bedeutet zugleich hohe Leistungsanforderungen an Prozesse, Systeme und Geräte.“ Beim Einspeichern muss das Gas zunächst gemessen, dann gesäubert und anschließend mit einem Druck von bis zu 160 bar in den Untergrund gebracht werden. Beim Ausspeichern wird das Gas dann erwärmt, expandiert, getrocknet und wieder gemessen.
Die Speicher besitzen ein komplexes Wegesystem. Die optimale Nutzung der Wege ist ein komplexer Prozess, der heute automatisch gesteuert wird. Die Automatisierung von Gasanlagen reicht über die klassische Leittechnik und den Einsatz von Controllern weit hinaus. Gefordert ist Prozesskompetenz für komplexe Abläufe und Einrichtungen. Das Prozessleitsystem übernimmt Aufgaben, die früher manuell erfolgten.
Weil viele Speicher als kritische Infrastrukturen mit besonderen Pflichten und Anforderungen für den Betreiber verbunden sind, spielt die Cybersecurity bei einem steigenden Automatisierungsgrad eine wichtige Rolle. „Der wache Blick auf kritische Infrastrukturen und deren etwaige Verletzlichkeit durch Cyberangriffe sowie deren systematische Abwehr sind unverzichtbar“, sagt Dirk Junge. „Dieses Themenfeld spielt derzeit eine große Rolle bei unseren Kunden.“
Die Gaswirtschaft in Deutschland ist durch jeweils ungefähr zehn namhafte Transport- und Speicherunternehmen charakterisiert. Deren Geschäftsmodell hat sich mit der Liberalisierung am Energiemarkt gewandelt. Früher waren alle Transportunternehmen frei in ihrer wirtschaftlichen Entscheidung, in bestimmte Abschnitte des Leitungsnetzes zu investieren. Seit der Regulierung des Gasmarktes durch das novellierte Energiewirtschaftsgesetz 2005 entscheidet die Bundesnetzagentur alle fünf Jahre über die Zulässigkeit von Investitionen ins Leitungsnetz. Dadurch verlieren die Unternehmen Gestaltungsmöglichkeiten und die Investitionsbereitschaft sinkt. Für Speicherunternehmen besteht eine generelle Herausforderung darin, dass ihnen die Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit bei Gas – anders als bei der 90-Tage-Reserve von Öl – nicht vergütet wird. Kein Kubikmeter der eingespeicherten Gasmenge ist staatlich; jeder Kubikmeter gehört privaten Unternehmen. Zusätzlich hat die Regulierung die Unternehmensstrukturen der Gasbetriebe aufgebrochen; diese konnten zuvor alles aus einer Hand anbieten. Statt eines Betriebs mit vielen Sparten und der Möglichkeit der – zumindest zeitweiligen – Querfinanzierung sind heute viele Einzelbetriebe getrennt zu betrachten und müssen sich jeweils allein rechnen.
Während Transport und Netzdienste noch auskömmliche Erlöse verwirklichen, ist die Situation für Speicher besonders anspruchsvoll geworden. Verfügbarkeit, Flexibilität, Effizienz und Verlässlichkeit sowohl im Saisongeschäft als auch im Gashandel erfordern ein ausgeklügeltes Speichermanagement. Eine Lösung könnte für Speicherbetreiber darin bestehen, sich noch stärker als früher als Profitcenter zu verstehen und in die Optimierung ihrer Prozesse zu investieren.
Unterstützung für ihre anspruchsvollen neuen Aufgaben finden die Gasunternehmen bei ABB. „Mit umfassender Prozesskompetenz für komplexe Abläufe und Anlagen bringen wir als kompetenter Lösungsanbieter unseren ganzheitlichen Blick ein“, sagt Dirk Junge. Weltweit viele Hundert erfolgreiche Projekte in der Gasindustrie in den vergangenen 50 Jahren sprechen eine deutliche Sprache. Ein Team von erfahrenen Spezialisten garantiert die zuverlässige Umsetzung und ein effizientes Projektmanagement von großen Industrieprojekten. Um im laufenden Betrieb höchste Anlagenverfügbarkeit zu gewährleisten, sind ABB-Experten rund um die Uhr 365 Tage im Jahr einsatzbereit. Aktives Lifecycle-Management bietet nachhaltigen Investitionsschutz, transparente Lebenszykluskosten und Planungssicherheit. Das Spektrum zugehöriger ABB-Produkte ist weit und umfasst Mittel- und Niederspannungsverteilung, intelligente Schaltanlagen, Antriebe, Prozessleit- und Automatisierungstechnik, Sicherheitssysteme, Feldinstrumente und Analyse-Tools.
Seit ungefähr 15 Jahren hat sich Biogas zu einer relevanten Größe auf dem Energiemarkt entwickelt. Im Jahr 2015 hat die Bruttostromproduktion aus Biogas mit ungefähr 30 Mrd. kWh in Deutschland einen neuen Spitzenwert erreicht. Mit dieser jährlichen Strommenge lassen sich ungefähr 8,4 Mio. Haushalte versorgen. Bei der Ausrüstung von Biogasanlagen setzen viele Hersteller auf Technologien von ABB. Ein Beispiel ist die Geisberger Gesellschaft für Energieoptimierung mbH, ein Spezialist für Blockheizkraftwerke (BHKW) und Biogasanlagen. Der Mittelständler verwendet in seinen schlüsselfertigen BHKW für die Biogasverstromung Asynchrongeneratoren von ABB. Die Besonderheit: Geisberger hat vor vier Jahren wegen Änderungen im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) die Firmenausrichtung grundlegend geändert. Das Unternehmen hat eine Entwicklungsoffensive gestartet und erheblich investiert.
Die Aggregatetechnologie wurde für die Regelenergie weiterentwickelt, um den neuen Anforderungen in der Stromproduktion gerecht zu werden. Heute ist Geisberger der einzige Hersteller weltweit, der die Asynchrontechnologie für das deutsche Nieder- und Mittelspannungsnetz zertifiziert hat. Der Leistungsbereich geht von 75 bis 560 kW. „Hier kommen hohe eigene Kompetenz von Geisberger und seinem Team sowie die intensive Zusammenarbeit mit ABB positiv zum Tragen“, sagt Jonas Spoorendonk, Local Business Unit Manager Motors & Generators bei ABB. „Wir unterstützen auch kleinere Mittelständler sehr gerne, um dann gemeinsam die Früchte zu ernten.“ Das Geschäft von Geisberger wächst heute wieder stark – im Jahr 2016 wird das Unternehmen ungefähr 100 Generatoren von ABB beziehen. Mit dem Erfolg belegt Geisberger, wie sich die Energiewende gerade auch für Mittelständler in wachsendes Geschäft ummünzen lässt.
Gas findet nicht nur in seinem ursprünglichen Aggregatzustand Verwendung. Wirtschaftlich und technisch immer wichtiger wird LNG (Liquefied Natural Gas). Auf dem Gebiet des LNG hat ABB zuletzt einen Fünfjahresvertrag für die größte schwimmende Anlage der Welt abgeschlossen. Die Prelude – ihr zukünftiger Standort liegt zunächst vor der australischen Westküste – ist 488 m lang, 74 m breit und wiegt bei voller Beladung 600.000 t. Die Beweglichkeit der Anlage ermöglicht Öl- und Gasunternehmen die Erschließung von sonst unrentablen Feldern. ABB liefert Motoren, Generatoren, drehzahlgeregelte Antriebe sowie Niederspannungsschaltanlagen und übernimmt das Service- und Lifecycle-Management für die elektrischen Anlagen sowie den Service und Support für Motoren externer Anbieter. Die elektrischen Anlagen werden 14 Gasanlagenmodule antreiben, womit die Prelude jährlich 5,3 Mio. t Flüssigprodukte erzeugen kann. ABB wird einen Ersatzteilbestand, einen Reparaturservice und einen Schulungsbetrieb aufbauen und sowohl telefonisch als auch vor Ort rund um die Uhr technischen Support bereitstellen.