Sicherheit auf ganzer Linie
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Frei von unvertretbaren Risiken und Gefahren – das bedeutet Sicherheit. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. In der Praxis umfasst der Begriff viele Aspekte. Sie reichen von Arbeitssicherheit über den bestimmungsgemäßen Betrieb von Maschinen bis hin zu sicheren Prozessen in der Automation. Jüngstes Beispiel für die Expertise von ABB auf diesem Feld ist YuMi. Der Zweiarm-Roboter arbeitet Hand in Hand mit Menschen an den gleichen Aufgaben.
Das Bild lässt schaudern: In 4620 Metern Höhe balanciert Stephan Siegrist auf einer drei Zentimeter breiten Slackline direkt unter dem Gipfel der Dufourspitze. Gefährlich? „Was ich mache, wirkt oft viel wilder und wahnsinniger, als es von innen gesehen ist“, sagt der Schweizer Profi-Alpinist in einem Interview mit der Berner Zeitung. Sicherheit scheint subjektiv und eine Frage des Blickwinkels zu sein. Gleichzeitig sagt Stephan Siegrist aber auch: „Sorgfältige Risikoabschätzung ist Teil meines Berufs.“ An der Dufourspitze sichern ein Klettergurt samt Schlinge und Karabiner zusammen mit einem unter dem Balancierband verlegten Kletterseil den Sportler.
In Unternehmen und Betrieben geht es weniger um die Frage des individuellen Sicherheitsbedürfnisses. Sondern es geht darum, jenes Maß von Sicherheit zu erreichen, das notwendig ist, um die Situation frei von unvertretbaren Risiken zu halten. Dabei bleibt Sicherheit ein Zustand relativer Gefahrenfreiheit, der stets nur für einen bestimmten Zeitraum, eine bestimmte Umgebung oder unter bestimmten Bedingungen gegeben ist. Im Extremfall können sämtliche Vorkehrungen durch einen Meteoriteneinschlag zu Fall gebracht werden. Sicherheitsmaßnahmen können Beeinträchtigungen nicht vollständig ausschließen, sondern sie nur bestmöglich abwehren oder hinreichend unwahrscheinlich machen.
Auf der Basis dieser Definition von Sicherheit werden Regelungen für die Praxis entwickelt. Für Maschinen in der Produktion ist beispielsweise seit Ende 2009 die europäische Maschinenrichtlinie in der Fassung 2006/42/EG verbindlich. Sie enthält grundlegende Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen für das Inverkehrbringen von Maschinen. Um juristisch wirksam zu sein, muss die Maschinenrichtlinie in nationales Recht umgesetzt werden. In Deutschland ist dies durch das Produktsicherheitsgesetz und die auf es gestützte Maschinenverordnung erfolgt. „Als Service für unsere Mitglieder sind alle technischen Regularien zur Maschinenrichtlinie in einer neuen VDMA-Datenbank abrufbar und erläutert“, sagt Birgit Sellmaier vom Fachverband Elektrische Automation des VDMA (Verband deutscher Maschinen- und Anlagenbau). Welche Amtssprache gilt im Land? In welcher Sprache muss die Betriebsanleitung verfasst werden? Muss ich chinesische Prüfer in meine Produktion lassen? – Auch solche Fragen beantwortet die VDMA-Datenbank unter www.vdma.org/dater.
Aufgrund der Maschinenrichtlinie ist der Maschinenhersteller per Norm gefordert, die Ausfallwahrscheinlichkeit der Sicherheitsfunktionen einer Maschine zu bewerten und zu berechnen. Die notwendigen Kennwerte der sicherheitsbezogenen Komponenten werden von den Komponentenherstellern zur Verfügung gestellt. Auf der Grundlage dieser Kennwerte kann der Anwender den Performance Level (PL) oder den Safety Integrity Level (SIL) seiner sicherheitstechnischen Schaltung ermitteln – entweder manuell oder mithilfe eines Berechnungstools. „Schwierigkeiten bereiteten dabei bislang verschiedene Austauschformate und die Intransparenz bei den erforderlichen Parametern“, sagt Birgit Sellmaier. „Im VDMA haben die Hersteller von Automatisierungskomponenten, Werkzeugmaschinen und Berechnungstools jetzt mit dem Einheitsblatt VDMA 66413 ein standardisiertes Datenformat für die sicherheitsrelevanten Kennwerte definiert. Mit der universellen Datenbasis wird erstmals eine einheitliche, neutrale Schnittstelle für den Austausch der Kennwerte von sicherheitsbezogenen Komponenten möglich.“
So wichtig wie die Sicherheitsfunktionen einer Maschine sind die Sicherheit und das Verhalten derer, die sie bedienen. „Wir sind uns im Klaren darüber, dass Arbeitssicherheit ein Reifeprozess ist, der gelebt werden muss“, sagt Thomas Scholl, Leiter des Referats Arbeitsschutz von ABB Deutschland. „Gerade weil immer ein Restrisiko bleibt und es keine absolute Sicherheit gibt, ist es wichtig, möglichst präventiv vorzugehen.“ Als Konsequenz hat ABB Arbeitssicherheit zur Führungsaufgabe erklärt – jede Führungskraft, vom Vorstandsmitglied bis zum Meister, nimmt an einem eintägigen Seminar zur Arbeitssicherheit teil und trägt so zur Kultur der Sicherheit bei. Dabei betrachtet ABB das eigene Betriebsgelände und die Arbeitsplätze in Bezug auf Ergonomie, Licht oder Verletzungsgefahren, genauso aber auch den Einsatz von ABB-Mitarbeitern bei Kunden. „Zur Vorbereitung von größeren externen Einsätzen werden gemeinsam eine Risikobeurteilung und ein Gesundheitsschutzplan erstellt“, sagt Thomas Scholl. „Darin gehen spezifische Anforderungen des Einsatzes wie Dacharbeiten, Absturzgefahr oder auch notwendige Stromabschaltungen ein.“
ABB hat sich einen „Code of Practice“ gegeben, dem das Unternehmen bei seinen Einsätzen weltweit folgt. In weniger entwickelten Ländern, in denen lokale Arbeitsschutzregeln und medizinische Infrastruktur die Forderungen des Codes nicht erfüllen, kann das beispielsweise zur Folge haben, dass ABB vor Ort eine leistungsfähige Sanitätsstation einrichtet. „Generell haben wir festgestellt, dass es am besten ist, die vorhandenen Risiken aus dem Team heraus zu bewerten“, sagt Thomas Scholl. „Es kennt die spezielle Situation am besten – und die Akzeptanz der selbst abgeleiteten Maßnahmen ist hoch.“ Zur Vermeidung von schädlicher Routine hat ABB die Checkliste „TAKE 5“ bei Arbeitsbeginn eingeführt, auf der in fünf Minuten die sicherheitsrelevanten Punkte der Tätigkeit geprüft werden. Die Aktivitäten der vergangenen Jahre zeigen Wirkung. Von 2008 bis 2013 haben sich die Unfallzahlen bei ABB halbiert.
Viele Herausforderungen der Arbeitssicherheit erfordern eine Lösung in Form konkreter Produkte – entweder solche, die als Sicherheitselement für Sicherheit sorgen, oder solche, die durch ihre inhärente, also ihnen innewohnender, Sicherheit Schäden vermeiden. Das neue, einzigartige Musterbeispiel für inhärente Sicherheit ist der von ABB zur Hannover Messe 2015 vorgestellte kollaborative Roboter YuMi. Der Name „YuMi“ steht für „you and me – wir arbeiten zusammen“.
YuMi wurde entwickelt, um auf die flexiblen Fertigungsanforderungen in der Elektronikindustrie reagieren zu können. YuMi ist ein zweiarmiger Montageassistent mit der Fähigkeit, über ein präzises Visionssystem zu sehen und durch empfindliche Sensorik zu fühlen. Seine gepolsterten Arme gewährleisten die sichere Zusammenarbeit zwischen Mensch und Roboter – auch dank der innovativen Kraft- und Drehmomentsensorik. Die Sicherheit ist in der Funktionalität des Roboters integriert und ermöglicht eine gefahrlose Zusammenarbeit von Mensch und Roboter – Seite an Seite, ohne Schutzgitter. Der TÜV SÜD hat bestätigt, dass YuMi die einschlägigen Sicherheitsnormen und die Maschinenrichtlinie erfüllt.
„Viele Annahmen über Fertigungsverfahren und Industrieprozesse wird man dank YuMi überdenken müssen“, sagt Steven Wyatt, Marketing and Sales Manager Robotics bei ABB. „YuMi bietet vielfältige neue Einsatzmöglichkeiten. Mit ihm stehen wir am Beginn einer neuen Phase der industriellen Automation.“ YuMi verfügt bereits über reale Produktionserfahrung und wurde im Vorfeld der Markteinführung in unterschiedlichen Anwendungsfeldern ausgiebig getestet – sowohl in der Zusammenarbeit mit ausgewählten Blue-Chip-Unternehmen als auch im eigenen Haus. So fertigten beispielsweise bei der Produktion von Not-Aus-Schaltern und Doppelsteckdosen zwei YuMi-Roboter und zwei Arbeiter in echter Kooperation bis zu zehn Teile in 220 Sekunden. Die Arbeit mit dem YuMi-Roboter zeichnet sich durch ihre Flexibilität aus, die ein agiles Produktionsszenario schafft, das ohne hohe Investitionskosten für zusätzliche Automatisierung und Sicherheitstechnik realisiert werden kann.
Eine wichtige Rolle im Sicherheits-Portfolio von ABB spielen die Produkte von Jokab Safety. Das 1988 in Schweden gegründete Unternehmen ist seit 2010 Teil von ABB. Das Sortiment bietet alle Arten von Unfallschutzgeräten, die es leichtmachen, Sicherheitsfunktionen zu realisieren – von der kleineren Insellösung bis zu kompletten Sicherheitssystemen als produktionsfreundliche Lösungen für einzelne Maschinen oder ganze Fertigungsstraßen.
Beim Schutz von Personen und Anlagen spielt die Vermeidung von Stromunfällen und Schäden durch Störlichtbögen eine wichtige Rolle. Konstruktive Systeme können eine begrenzte passive Sicherheit gewährleisten, indem sie beispielsweise die bei einem Störlichtbogenfehler entstehenden heißen Gase geführt ausleiten. „Sicherer und effizienter ist jedoch der aktive Störlichtbogenschutz, denn er detektiert den Fehler bereits beim Entstehen“, sagt Hans-Dieter Meißner, Produktmarketing-Manager bei ABB Stotz-Kontakt. „In der Niederspannung setzen wir seit ungefähr drei Jahren auf eine Kombination aus dem Lichtbogenwächter TVOC-2 und dem UFES, der zudem auch in der Mittelspannung eingesetzt wird, für die er ursprünglich entwickelt wurde.“
Der Lichtbogenwächter TVOC-2 überwacht mit bis zu 30 optischen Sensoren pro Gerät potenziell gefährdete Stellen der Schaltanlage. „Die Detektoren unserer Lichtbogenwächter sind werkseitig konfektioniert und kalibriert. Deshalb können sie von jedem Schaltanlagenbauer rasch und effizient installiert werden“, sagt Hans-Dieter Meißner. Im Ereignisfall wirkt der TVOC-2 in weniger als 1,6 ms auf den Leistungsschalter und schaltet ihn ab. Durch die bauartbedingte Eigenzeit eines Niederspannungsleistungsschalters ergibt sich eine Gesamtabschaltzeit zwischen 30 und 70 ms. Damit erreicht die Lösung einen deutlich erhöhten Bediener- und begrenzenden Anlagenschutz.
Eine noch wesentlich größere Schutzwirkung lässt sich durch eine Kombination mit dem Ultraschnellen Erdungsschalter UFES realisieren. Die UFES-Elektronik identifiziert einen Störlichtbogenfehler optisch und durch eine Momentanstromwertmessung. Sind die Kriterien für eine Auslösung erfüllt, gibt die UFES-Elektronik ein Auslösesignal an drei UFES-Primärschaltelemente, die einen dreiphasigen metallischen Kurzschluss einleiten. Dadurch bricht die Störlichtbogenspannung zusammen, der Bogen verlöscht. Von der Erfassung bis zur Verlöschung benötigt der UFES weniger als 4 ms – das ist das heute technisch Machbare beim Schutz von Personen, Schaltanlage und Schaltanlagenumfeld. Diese Leistung ist inzwischen ein weiteres Mal formal bestätigt worden: Die externe Prüfinstanz VdS Schadenverhütung hat Effizienz und Zuverlässigkeit des UFES im Februar 2015 zertifiziert.
Smissline TP ist nicht weniger als das sicherste Stecksystem der Welt. Es erlaubt als weltweit erstes Stecksystem das lastfreie Auf- und Entstecken von Geräten unter Spannung – ohne zusätzliche persönliche Schutzausrüstung gegen elektrische Gefährdung. „Das eröffnet ganz neue Perspektiven in Sachen Installation, Betrieb und Flexibilität“, sagt Manfred Sontheimer, Leiter des Produktbereichs DIN-Rail Produkte bei ABB Schweiz. Die Geräte für die vier Schutzfunktionen Leitungsschutz, Fehlerstromschutz, Motorschutz und Überspannungsschutz werden bei Smissline TP direkt auf das Stecksystem gesteckt. „Nach der Markteinführung 2011 haben unsere Kunden sehr positiv reagiert“, sagt Manfred Sontheimer. „Die Möglichkeit, unter Spannung arbeiten zu können, ist vor allem in Critical-Power-Situationen wie in Rechenzentren oder Krankenhäusern ein großer Vorteil.“
In der Prozessindustrie ist das Management der funktionalen Sicherheit das wirksamste Instrument, um das Risiko eines Schadens zu identifizieren und es auf ein tolerierbares Maß zu begrenzen. „Im Rahmen des Functional Safety Management (FSM) muss jede verfahrenstechnische Anlage von einem Fachgremium einer Gefahren- und Risikoanalyse unterzogen werden“, sagt Andreas Faust von der ABB Automation GmbH, der zugleich TÜV-zertifizierter Safety-Ingenieur ist. „Am Ende steht ein Dokument, das die SILStufen beinhaltet.“
Sofern in der Prozessindustrie die angestrebte SIL-Stufe konstruktiv nicht zu erreichen ist, kann dies alternativ über die Leittechnik erfolgen. Dazu wird ein von der allgemeinen Steuerung unabhängiges Sicherheitssystem wie das AC 800M HI Controller System von ABB installiert, das im Anforderungsfall den sicheren Zustand herstellen muss. Diesen legt der Betreiber zusammen mit Prüforganisationen wie dem TÜV in Übereinstimmung mit den Normen IEC 61508 und IEC 61511 fest. Die ABB Automation in Frankfurt ist vom TÜV zertifiziert, innerhalb der Lebenszyklusbetrachtung die Phasen „Safety Related Systems – Realisierung“ sowie „Entwurf und Planung des Safety Integrated System (SIS)“ über ein Functional Safety Management System (FSMS) abzuwickeln.
Mit dem bei der ABB Automation etablierten und TÜV-zertifizierten FSMS ist ein normativ richtiges, konformes Projektmanagement inklusive Dokumentation und SIL-Nachweis für die von ABB gelieferten Komponenten gewährleistet. „Während das FSMS in der chemischen Prozessindustrie bereits umgesetzt ist, nehmen unsere Kunden in der Maschinenindustrie diese normative Anforderung noch nicht richtig wahr“, sagt Andreas Faust. „Wir sind davon überzeugt, dass unser FSMS auch im Projektverlauf in der Maschinenindustrie eine maßgebliche Basis für einen sicheren Anlagenbetrieb bietet.“
„Um über den ganzen Lebenszyklus hinweg immer eine sichere Anlage zu gewährleisten, müssen die in der Gefahren- und Risikoanalyse identifizierten Sicherheitskreise periodisch getestet werden“, sagt Andreas Faust. „ABB kann mit zertifizierter Kompetenz, Erfahrung und der notwendigen Testdokumentation aus einer Hand unterstützen.“