Zukunftsweisendes Schutzkonzept

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Wenn Netze wachsen, müssen auch Schutzkonzepte an die gestiegenen Anforderungen angepasst werden – so wie im Fall der SÜC Coburg. Hier bestand die Herausforderung darin, ein flächenmäßig sehr großes Netzgebiet, das sowohl niederohmig geerdet als auch kompensiert betrieben wird, zuverlässig zu schützen.

Die Städtische Werke Überland-werke Coburg GmbH versorgt rund 60.000 Haushalte und 1.000 Gewerbekunden im nordwestlichen Oberfranken und im angrenzenden Thüringen zuverlässig mit Energie, Wärme, Wasser, Mobilität und seit 2011 dank des Glasfaserausbaus auch mit schnellem Internet.

Über das 20-kV-Netz Seßlach versorgt die SÜC derzeit auf einer Fläche von 90 km² circa 5.000 Kunden. Die Größe des Gesamtnetzes macht es jedoch erforderlich, dass dieses Teilnetz nicht mehr kompensiert, sondern widerstandsgeerdet betrieben wird. Bestandteil der Planung und Inbetriebnahme des Netzes Seßlach war auch ein neues Schutzkonzept, das ABB gemeinsam mit dem Kunden erarbeitet und damit in einem für die Mittelspannung neuartigen Ansatz bewährte Schutztechnik mit moderner Kommunikationstechnologie verbunden hat.

„Hierbei kam uns zugute, dass die SÜC als modernes Unternehmen beim Netzausbau frühzeitig auf den Einsatz von Glasfaserkabeln gesetzt hat. Auf der Basis dieses Glasfasernetzes war es uns möglich, ein Schutzkonzept zu realisieren, das in dieser Form bisher nur in den Hochspannungsnetzen zum Einsatz gekommen war“, erklärt Klaus Jost, der als Mitarbeiter des Fachvertriebs Netzautomatisierung die SÜC betreut und gemeinsam mit den Kollegen dort das Konzept erarbeitete. Das Glasfasernetz verbindet die einzelnen Anlagen sowohl untereinander als auch mit der Leitstelle in Coburg und eignet sich damit hervorragend für die Übertragung von Schutzsignalen.

„Mit dem Konzept von ABB haben wir es geschafft, die in Schnellzeit überwachte Kabelstrecke von 85 % auf volle 100 % zu steigern.“

Kombination von Schutztechnik und Kommunikationstechnologie

Vor der Modernisierung hatte die SÜC 85 % der Kabelstrecken in Schnellzeit und die restlichen 15 % mit einer Zeitverzögerung von circa 0,3 s überwacht. Um 100 % der Kabelstrecke in Schnellzeit zu erfassen, wurde nun ergänzend zu Distanzschutzeinrichtungen eine Schutzsignalübertragung zwischen den Stationen eingerichtet. Damit werden Auslösezeiten des Distanzschutzes von circa 70 ms für 100 % der jeweiligen Kabelstrecke erreicht.

Bisher war die stationsinterne Kommunikation über IEC 61850 ausschließlich für Steuerungs- und Automatisierungssignale verwendet worden. Bei der SÜC werden hierüber nun auch die Schutzsignale übertragen. „Die Aus- und Einkopplung der erforderlichen Distanzschutzsignale erfolgt jetzt über einen Ethernet-basierten Bus mit GOOSE-Nachrichten, nicht mehr über viele direkt verdrahtete Schaltkontakte. Die Performance ist wesentlich besser als bei Lösungen mit Kupferkabeln. Niemand muss mehr mit dem Schraubendreher in der Hand losziehen. Das Rangieren der Signale geschieht ausschließlich über standardisierte Engineeringtools. Das ist schnell und flexibel“, sagt Klaus Jost.

 

Moderne Technologie und hochentwickelte Geräte

ABB setzt mit dieser Lösung auf modernste Technologien und hochentwickelte Geräte: „In unserem Konzept verwenden wir das Gerät zur Schutzsignalübertragung NSD570 als Gateway, das zwei räumlich voneinander getrennte Stationen über IEC 61850 miteinander verbindet“, so Georg Neise, lokaler Produktmanager bei ABB in Mannheim. Es erfüllt die Anforderungen an Sicherheit, Verfügbarkeit und Übertragungszeit gemäß IEC 60834-1 und ist durch seine Vielzahl an Schnittstellen und unterstützten Übertragungsmedien extrem flexibel einsetzbar. Externe Zusatzgeräte wie Schnittstellen- oder Datenratenkonverter sind nicht nötig.

Die Schnittstelle zu den Schutzgeräten kann entweder kontaktbasiert oder – wie bei der SÜC – über den Stationsbus erfolgen. Die Anbindung des NSD570 an den Stationsbus wird über eine GOOSE Schnittstelle realisiert; die Anbindung an den Glasfaserring erfolgt über ABB-Switches AFS650.

In den Schutzgeräten REF630 sind die Parameter sowohl für widerstandsgeerdete als auch für kompensierte Netze hinterlegt. Die Netzschutzgeräte im niederohmig geerdeten Netz können somit ferngewirkt auch auf ein kompensiertes Netz umgestellt werden. Auch die Logik, mit der die Schutzsignale an bestimmte Bedingungen geknüpft sind, ist als Standardbaustein bereits im Gerät implementiert.

Die Lösung basiert auf dem internationalen Kommunikationsstandard IEC 61850. Damit erfüllt sie höchste Ansprüche in Bezug auf Interoperabilität und Zukunftsfähigkeit. Der aktuelle Gerätebestand lässt sich jederzeit herstellerunabhängig erweitern.

Auch Jürgen Präcklein von der SÜC ist zufrieden: „Ein Schutzsystem soll sämtliche Fehler auf einer Kabelstrecke sicher erkennen und innerhalb kürzester Zeit selektiv abschalten. Mit dem Konzept von ABB haben wir es geschafft, die in Schnellzeit überwachte Kabelstrecke von 85 % auf volle 100 % zu steigern, und bieten unseren Kunden damit eine verbesserte Versorgungssicherheit.“