Täuschend echt trainieren

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Simulatoren werden immer beliebter: Mitarbeiter können damit eng an der Praxis orientierte Erfahrungen sammeln – ohne Risiken für den Produktionsbetrieb. Der ABB-Simulator 800xA bewährt sich in der Erdgasförderung ebenso wie in der Industrie und stellt seine Vorteile auch bei Freelance-Anwendungen unter Beweis.

Was in der Luftfahrt lange Tradition hat – der erste Flugsimulator wurde 1909 gebaut – hält in Industriebetrieben immer mehr Einzug. Strenge Sicherheitsanforderungen und komplexe Prozesse sind wesentliche Gründe für diesen Trend. ABB bietet mit dem Simulator 800xA eine Lösung, die sich über den gesamten Lebenszyklus eines Automatisierungssystems hinweg bewährt. Der Simulator lässt sich problemlos den Veränderungen der Anlage anpassen.

Simulatoren sind sowohl beim Engineering, Design und Testen des Systems als auch bei der Überprüfung und Modifikation der Steuerlogik nützlich, bevor die Anlage in Betrieb geht. Insbesondere eignen sie sich für Schulungszwecke: Bediener können sich mithilfe des Simulators an einer identischen Leitsystem-Bedienoberfläche mit der Anlage vertraut machen. Sie lernen etwa, das Sicherheitssystem zu steuern oder auf Störungen zu reagieren – und das in Echtzeit.

Drei Wochen früher in Betrieb

Dadurch, dass Anlagen mit Simulatoren vorab erprobt werden und die Bediener ausführlich üben können, lassen sich Anlagen meist früher als geplant in Betrieb nehmen. Der Simulator 800xA trug maßgeblich dazu bei, dass die Produktion im Gasfeld Ormen Lange, einem der größten Erdgasprojekte Europas, im Jahr 2007 drei Wochen früher als geplant anlaufen konnte. Von dem Gasfeld, das etwa 3.000 m unter dem Meeresboden vor der norwegischen Küste liegt, wird das gewonnene Gas durch zwei Mehrphasen-Pipelines zu einer Onshore-Verarbeitungsanlage ans Festland transportiert. Dort wird es getrocknet und verdichtet. Die Gasverarbeitungsanlage, die Anlagen unter Wasser und der Gasfluss durch die Pipeline werden von ABB-Prozessleit-, Sicherheits- und Informationsmanagementsystemen überwacht und gesteuert. Der Simulator 800xA sorgte für täuschend echte Bedingungen: Er nutzte die Prozessgrafiken und die Steuerlogik des Sicherheits- und Automatisierungssystems (SAS) der Anlage, um eine identische Bedienumgebung und Prozesssteuerung bereitzustellen.

Ein weiterer Pluspunkt: Modifikationen und Optimierungen lassen sich am Simulator durchspielen, bevor an der Anlage teuere Installationen vorgenommen werden. So spielt der Simulator 800xA eine wesentliche Rolle bei der Weiterentwicklung der Förderung im Feld Ormen Lange, da er das Design, das Engineering, die Korrektur und das Testen neuer Prozesse und Teilsysteme vor der Integration in das Leitsystem ermöglicht.

Individuelle Simulation mit Freelance

Die Vorteile, die Betrieben durch den Einsatz des Simulators 800xA entstehen, stellen sich auch bei komplexen Systemen unter Einsatz von Freelance ein, wie das Beispiel der SKW Stickstoffwerke Piesteritz GmbH zeigt. Der größte Hersteller für Ammoniak und Harnstoff in Deutschland mit Sitz in der Lutherstadt Wittenberg nutzt das ABB-Leitsystem 800xA mit Freelance-Controllern. Von Operator Training Simulatoren (OTS) wie dem Simulator 800xA ist SKW Piesteritz überzeugt: „Aufgrund der positiven Erfahrungen mit dem OTS in unseren Ammoniakanlagen war dessen Einführung für die Harnstoffanlagen ein logischer Schritt“, sagt Eberhard Hinder, Zentralbereichsleiter Personalwesen und Organisation bei SKW Piesteritz.

Die Verantwortlichen schilderten ABB auf der Hannover Messe im April 2013 ihre Vorstellungen: Sie wünschten sich Simulationen, die zwei Harnstoffanlagen sowie deren Prozesswasseraufbereitung und die sich anschließende Kristallisation exakt abbilden würden. In beiden Anlagen übernehmen Freelance-Controller die aktive Automatisierung. Aufgrund der Komplexität der Anlagen und der aus ihr resultierenden hohen Anforderungen an die Bediener ist hier die 800xA-Benutzeroberfläche im Einsatz. Da die Harnstoffanlagen erhebliche Unterschiede aufweisen, benötigte SKW Piesteritz zwei separate Simulationsmodelle. „Eine passende Lösung hatten wir nicht in der Schublade“, erklärt Frank Karliczek, Key Account Manager bei ABB. „Doch wir sind auf die Kundenwünsche eingegangen und haben mit dem Simulator 800xA und Freelance eine maßgeschneiderte Lösung entwickelt, die alle Anforderungen erfüllt.“ Die Messe markierte den Beginn des Projekts; insgesamt dauerte die Umsetzung zwei Jahre.

Know-how-Verlust entgegenwirken

SKW Piesteritz will den Simulator 800xA dazu nutzen, das Anlagenregime zu optimieren, da sich damit gefahrlos Anlagenzustände testen lassen. Besonders wichtig ist dem Unternehmen jedoch die Schulung der Bediener, da in den nächsten Jahren viele langjährige Mitarbeiter aus dem Unternehmen ausscheiden werden. Mithilfe der Simulatoren will SKW Piesteritz dem Knowhow-Verlust entgegenwirken und neue Mitarbeiter so schnell wie möglich einarbeiten. „Unser Ziel ist es, sowohl die Messwartenfahrer auszubilden und zu trainieren als auch die Kenntnisse von erfahrenen Mitarbeitern zu vertiefen“, sagt Eberhard Hinder.

Die Herausforderung bestehe nicht nur darin, Anlagen ökonomisch zu fahren, sondern auch darin, sie bei Störungen schnellstmöglich wieder zum Laufen zu bringen. Das lässt sich bei SKW Piesteritz am besten an Simulatoren erlernen, da in der realen Anlage Situationen wie An- und Abfahren oder Emergency-Shutdowns selten vorkommen, meist nur zu den planmäßig ein bis zwei im Jahr stattfindenden Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen. Um die Trainings zu beschleunigen, würden die Simulatoren noch mit einer Fast-forward-Funktion ausgestattet, erzählt Volker Albert, Business Manager Consult IT bei ABB: „Mit ihr ist es möglich, Prozesse bis zu fünf Mal schneller ablaufen zu lassen als in einer realen Anlage.“ Mithilfe der Simulatoren lässt sich die Einarbeitungszeit für neue Mitarbeiter verkürzen. „Das senkt letztendlich auch die Kosten“, sagt Eberhard Hinder.

„Mit der Fast-forward Funktion lässt sich die Simulation bis zu fünf Mal schneller durchspielen.“

So nah an der Realität wie möglich

Um optimale Trainings zu gewährleisten, entschied sich SKW Piesteritz dafür, die Simulation mit dem in der realen Anlage verwendeten ABB-Leitsystem umzusetzen. So hat der Nutzer die Bedienoberfläche, die ihm von der täglichen Arbeit her vertraut ist. „Entscheidend für eine nahezu perfekte Simulation des Leitsystems und der Prozessstationen war, dass wir eine zu fast 100 % automatische Übernahme der Daten aus dem Produktionssystem in das Simulationssystem erreicht haben“, erläutert Volker Albert. So sind zwei Simulatoren beteiligt: Die eigentliche Prozesssimulation der Harnstoffproduktion, gebaut vom niederländischen OTS-Spezialisten Protomation, mit dem SKW Piesteritz eine gute Zusammenarbeit pflegt, und die Automatisierung mit der ABB-Lösung 800xA mit Freelance-Controllern. „Die Abbildung der realen Anlage ist hervorragend umgesetzt worden und es ist ein Instrument entstanden, mit dem wir unser Ziel, so realitätsnah wie möglich ausbilden und trainieren zu können, voll erreicht haben“, sagt Eberhard Hinder.