Tesla gegen Edison: Kampf um Strom

Sitilisierte Portraits von Thomas Edison & Nikola Tesla.
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Strom kommt aus der Steckdose. Doch wie er dort hinkommt, war in den 1880er Jahren ein erbitterter Kampf. So lieferten sich in den Anfängen der Stromversorgung Gleich- und Wechselstrom ein spannendes Duell. Auf der einen Seite Thomas A. Edison, Erfinder der Glühbirne. Auf der anderen Seite seine Widersacher George Westinghouse und Nikola Tesla. Wir zeigen die Hintergründe auf und haben Anna Katharina Deiters von ABB Stotz-Kontakt zu aktuellen Entwicklungen im Bereich Gleichstrom / Wechselstrom gesprochen. 

Zurück in die USA des späten 19. Jahrhunderts: Bei der Stromversorgung prallten zwei Lager aufeinander: Auf der einen Seite Thomas A. Edison, Erfinder der Glühbirne. Er war Verfechter des Gleichstroms, bei dem der Strom stets in eine Richtung durch Kupferdraht fließt. Allerdings erwies sich Gleichstrom für den Langstreckentransport als unpraktisch, da hohe Energieverluste auftraten und teure zweite Kupferleitungen für den Rückfluss benötigt wurden.  

Auf der anderen Seite war Edisons Widersacher George Westinghouse. Der Erfinder und erfolgreiche Unternehmer setzte auf Wechselstrom. Bei dieser Stromart wechselt die Fließrichtung des Stroms in regelmäßigen Intervallen. Der große Vorteil von Wechselstrom bestand darin, dass er unter hoher Spannung nahezu verlustfrei über hunderte Kilometer transportiert werden konnte, und durch Transformatoren am Zielort wieder in die benötigte Spannung umgewandelt wurde. Im Team Westinghouse war auch Nikola Tesla, ein genialer Physiker und Elektroingenieur, der einst für Edison gearbeitet hatte. Tesla entwickelte den Wechselstrom-Motor, der ohne Reibung lief. Westinghouse erkannte die Bedeutung dieser Innovation und erwarb Teslas Patente. Gemeinsam verfolgten sie das ehrgeizige Ziel, die Welt mit Wechselstrom zu versorgen – und waren äußerst erfolgreich. 

Kurz erklärt – Wechselstrom vs. Gleichstrom

Gleichstrom ist ein Stromfluss, bei dem die Richtung konstant bleibt, wobei sich Elektronen durch einen elektrischen Leiter vom Minuspol zum Pluspol bewegen. 

Im Gegensatz dazu variiert beim Wechselstrom die Fließrichtung der Elektronen periodisch zwischen dem Minuspol und dem Pluspol. In europäischen Stromnetzen geschieht diese Umpolung rund 100-mal pro Sekunde, also 50-mal in jede Richtung. Das entspricht 50 Hertz. 

Gleichstrom oder Wechselstrom: Die Entscheidung im Stromduell

Jedoch konnte Thomas A. Edison die drohende Niederlage nicht hinnehmen und startete einen unsauberen PR-Feldzug. Um die Öffentlichkeit von der Gefährlichkeit des Wechselstroms zu überzeugen, führte er in öffentlichen Vorführungen grausame Experimente mit Hunden, Pferden und sogar einem Elefanten durch. Der tragische Höhepunkt war erreicht, als Edison einen Mitarbeiter beauftragte, einen elektrischen Stuhl für die amerikanische Regierung zu entwickeln. Die Hinrichtungsmaschine sollte mit einem Wechselstrom-Generator betrieben werden, um die vermeintliche Gefahr von Westinghouses Anlagen zu demonstrieren. 

Doch am Ende scheiterte der „Vater der Glühbirne“. Wechselstrom setzte sich weitgehend durch. Und als 1893 der Auftrag für die Beleuchtung der großen Weltausstellung in Chicago ausgeschrieben wurde, unterboten Tesla und Westinghouse das Angebot Edisons um fast eine Million Dollar. Der „Stromkrieg“ war entschieden. 

Heute erlebt Gleichstrom durch die Energie- und Mobilitätswende eine Renaissance. Unser Redaktionsteam sprach mit Anna Katharina Deiters, Expertin für Leistungsschalter und Energieverteilungen bei ABB Stotz-Kontakt

Anna Katharina Deiters

Anna Katharina Deiters ist seit 2011 bei ABB Stotz-Kontakt und Expertin für den Bereich der Leistungsschalter und Energieverteilungen ab 1.000A. Sie beschäftigt sich außerdem mit dem Anschluss von dezentralen Energieerzeugungsanlagen und dem Segment Solar im Niederspannungsbereich. 

 

Machen wir eine kleine Zeitreise und begeben uns in die 1880er Jahre: Welches Lager hätten Sie im Stromkrieg unterstützt: Team Edison oder Team Westinghouse? 

 Anna Katharina Deiters: Meine salomonische Antwort: Ich hätte zwischen den konkurrierenden Kräften vermittelt und auf die spezifischen Vor- und Nachteile hingewiesen. Gleichstrom ist effizient für kurze Entfernungen und dezentrale Netze, während Wechselstrom durch Transformatoranpassungen über lange Distanzen vorteilhaft ist. Gleichstrom eignet sich besonders für Geräte und Anlagen in der Nähe der Stromquelle, wie Batteriesysteme oder Solaranlagen. Wechselstrom wiederum ermöglicht eine einfache und kostengünstige Erzeugung, weshalb er in den meisten Stromnetzen weltweit dominiert. 

Beide Systeme haben jedoch auch Nachteile. Gleichstrom erfordert einen höheren Aufwand für Spannungstransformation über lange Distanzen, was zusätzliche Kosten und Energieverluste verursacht. Wechselstrom hat höhere Verluste bei Übertragung über kurze Distanzen, besonders bei dezentraler Erzeugung erneuerbarer Energie. In puncto Sicherheit ist Gleichstrom bei Berührung weniger gefährlich, da die Stromrichtung konstant bleibt. Insgesamt hängt der Einsatz von Gleichstrom oder Wechselstrom von spezifischen Anforderungen wie Entfernung, Effizienz, Gerätekompatibilität und Sicherheit ab.  

 

Was sind denn typische Anwendungsbereiche für Gleichstrom? 

 Anna Katharina Deiters: Gleichspannung kommt dann zum Einsatz, wenn es gilt, Verluste zu vermeiden, die bei der Umwandlung von Gleichstrom in Wechselstrom auftreten. Aus diesem Grund wird seit einiger Zeit die Möglichkeit diskutiert, lokale Gleichstromnetze in verschiedenen Bereichen einzurichten, zum Beispiel in der Industrie, in Rechenzentren, aber auch in großen Gebäuden mit Photovoltaik-Anlagen.  

Gerade bei Data Centern sind Gleichstromkonzepte sehr erfolgreich, da Hochleistungsserver, Data Storage und Switches bereits mit Gleichstrom arbeiten. Und auch die USVs über Batterien und Notstromaggregate in Rechenzentren nutzen Gleichstrom. Wird ein Rechenzentrum mit Wechselstrom versorgt, brauchen alle Komponenten – Server, Speicher, Switches – ein Netzteil mit Gleichrichter. Diese Umwandlung erzeugt enorm viel Wärme, die wiederum energieintensiv durch Klimatechnik abgeführt werden muss. Der Einsatz von Gleichstrom wäre hier deutlich energieeffizienter.  

 

Und welche Rolle spielt Gleichstrom bei der Energie- und Mobilitätswende? 

Anna Katharina Deiters: Ein Ansatz ist, den Gleichstrom der Photovoltaikanlage im Haushalt und für Mikronetze zu nutzen. Denn Solarmodule produzieren Gleichstrom, der jedoch für die Einspeisung in bestehende Stromnetze in Wechselstrom konvertiert wird. Diese Konvertierung führt zu Energieverlusten. Gleichstrom-Mikronetze könnten dafür sorgen, dass alle Haushaltsgeräte, die mit Gleichstrom betrieben werden, direkt durch die Solar-Anlage mit Energie versorgt werden. Und auch bei der E-Mobilität gibt es spannende Einsatzbereiche für Gleichstrom. Beim Laden von E-Autos können Energieverluste vermieden werden, wenn Gleichstrom direkt nutzbar gemacht wird: Die Batterien arbeiten nur mit Gleichstrom. Wird ein E-Auto an die Wallbox angeschlossen und mit Strom betankt, muss der Wechselstrom aus dem Netz in Gleichstrom umgewandelt werden. Ein Micro-Gleichstromnetz für solarbetriebene Wallboxen würde Umwandlungsverluste umgehen. 

 

Und wie sehen Sie die Chance für Gleichstrom im industriellen Umfeld? 

Anna Katharina Deiters: Allgemein gesagt sorgt der Umstieg auf ein Gleichstromnetz dazu, Wandlungsverluste zu reduzieren, Spitzenlasten zu vermeiden und Energieverbräuche zu senken. Bei Maschinen mit drehzahlgeregelten Elektromotoren, wie z. B. Robotern, entsteht beim Abbremsen Energie, die bisher im Wechselstromnetz verloren geht. Das Gleichstromnetz ermöglicht die Rückgewinnung dieser verlorenen Energie, indem sie zurückgespeist wird. Dadurch können vorhandene Energieeffizienzpotenziale besser genutzt werden.  

Ähnlich verhält es sich bei Verwendung von drehzahlgesteuerten Motoren in Wechselstromnetzen. Diese Motoren sind in der Regel Gleichstromverbraucher. Der Nachteil besteht darin, dass bei jedem Gerät Wechselstrom separat in Gleichstrom umgewandelt werden muss.  

Eine Netzstruktur basiert auf einer Wechselspannungseinspeisung, bei der die Umwandlung nicht mehr einzeln für jedes Gerät erfolgt, sondern zentral am Einspeisegerät. Durch die direkte Versorgung mit Gleichstromspannung entfallen alle dezentralen Energiewandlungen, wodurch Wandlungsverluste erheblich reduziert. So wird eine zentrale Energiewandlung von Wechsel- auf Gleichstrom wesentlich effizienter.  

Und ein letztes Beispiel: In automatisierten Anlagen besteht ein hoher Leistungsbedarf, was zu hohen Stromspitzen führen kann. Durch den Einsatz von Gleichstromnetzen, die Batterien oder andere Speicher integrieren, können Stromspitzen erheblich reduziert werden. Denn die Speicher liefern genau dann Energie, wenn sie benötigt wird, was zu einer Einsparung der Stromkosten führt, da nicht nur die Strommenge, sondern auch die Spitzenleistung berücksichtigt wird.