Prof. Dr. Stefan Bratzel im Interview

Gefällt mir
Bookmark

Im Interview erläutert Prof. Dr. Stefan Bratzel, wie die E-Mobilität den Verkehr der Zukunft bestimmt, wo Deutschland im internationalen Vergleich steht und wie E-Autos ein Teil des Ökosystems von Mobilitäts- und Energiedienstleistungen werden.

Welche Bedeutung hat E-Mobilität für den Verkehr der Zukunft?

Die E-Mobilität wird den Verkehr der Zukunft in den Metropolen maßgeblich prägen. Sie ist verbunden mit der langfristigen Vision von Zero-Emissions. Aber auch die einstweilige, zumindest lokale Emissionsfreiheit von E-Autos verbessert in vielen Städten die Luftqualität. Aus CO2-Sicht ist E-Mobilität jedoch nur dann sinnvoll, wenn der Strom großteils regenerativ erzeugt wird.

Wie schätzen Sie den Stand der E-Mobilität in Deutschland ein?

Deutschland liegt bei der E-Mobilität im internationalen Vergleich nur im Mittelfeld. Die Nachfrage bewegt sich – trotz Prämie – mit einem Marktanteil von 0,75 % im Jahr 2016 noch auf einem sehr niedrigen Niveau. In den vergangenen Monaten ist immerhin eine leichte Belebung erkennbar. Das liegt an dem ungelösten Problemsyndrom der Elektromobilität, das wir vor Jahren R.I.P. genannt haben: Reichweite – Infrastruktur – Preis. Die E-Mobilität leidet eben nicht an einem Nachfrageproblem, sondern eher an einem Angebots- oder Technologieproblem: Bis vor kurzen hatte die E-Mobilität bei den deutschen Herstellern nur eine geringe Relevanz. Das hat sich jedoch mittlerweile geändert und die Probleme werden angepackt.

Welche wirtschaftlichen und politischen Bedingungen beeinflussen die E-Mobilität?

Wir sehen in Ländern wie Norwegen oder China, dass ein E-Auto-freundliches Regulationsumfeld die Nachfrage deutlich belebt. China macht aus seinen politischen und wirtschaftlichen Zielen bei der E-Mobilität keinen Hehl und fördert die Technologie entsprechend massiv – auch und gerade, weil es sich dadurch neben der Lösung der Luftqualitätsprobleme in den Städten auch wirtschaftliche Vorteile für seine Autoindustrie verspricht. Ähnlich muss auch in Deutschland das Thema als große Chance begriffen und beherzt weiterentwickelt werden.

Welche sind heute die wichtigsten technischen Voraussetzungen für den Ausbau der E-Mobilität?

Zentraler Hebel für nachhaltige Nachfragesteigerungen sind die Reichweite der Fahrzeuge und der Aufbau einer Infrastruktur, die als System verstanden werden muss. Bei einer dichten und zuverlässigen Schnellladeinfrastruktur müssen die Reichweiten der E-Autos nicht so groß sein. Außerdem kommen E-Autos dann auch als Erstwagen in Frage. Gleichzeitig müssen die Batteriepreise für E-Fahrzeuge noch deutlich günstiger werden. Wir rechnen damit, dass die Kilowattstunde Batteriekapazität von heute etwa 200 Euro bis zu Beginn der 2020er Jahre auf ungefähr 100 Euro sinkt. Dadurch werden E-Autos preislich konkurrenzfähig mit den Verbrennern.

Ein Blick voraus: Welche allgemeinen und technischen Entwicklungen erwarten Sie in der E-Mobilität in den kommenden Jahren?

Künftig werden E-Autos Teil des Ökosystems von Mobilitäts- und Energiedienstleistungen. Sie können mit den Solarzellen auf dem Hausdach geladen werden und ihre Batterien werden als intelligenter Puffer für das Energienetz eingesetzt. Gleichzeitig werden vernetzte Robo-Taxis elektrisch angetrieben, die sich ihre induktive Ladestation je nach Mobilitäts- und Energienachfrage selber suchen.