50 Jahre Frequenzumrichter: “Es gibt immer wieder tolle Entwicklungen”

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Die Niederspannungs-Frequenzumrichter von ABB feiern 2025 ihr 50-jähriges Bestehen. Fred Donabauer, Leiter Produktmanagement LV Drives & PLC bei ABB Motion Deutschland, gibt einen Rückblick auf die Entwicklung der Technologie und erläutert, warum sie ihn bis heute begeistert.

Fred, bevor wir ins Thema einsteigen – weißt du noch, wann und wie du das erste Mal mit einem Frequenzumrichter in Berührung gekommen bist?

Daran kann ich mich noch gut erinnern, das war während meines Elektrotechnik-Studiums an der Universität Karlsruhe, vor allem bei meiner Diplomarbeit. Dabei habe ich mich mit der Programmierung einer feldorientierten Regelung – oder mit anderen Worten der Vektorregelung für Asynchronmaschinen – beschäftigt, also mit dem Motormodell, sowie der Strom- und Drehzahlregelung. Das ist ein Teil der Frequenzumrichter-Software für die genaue und dynamische Regelung eines Elektromotors, wie man sie heute noch verwendet.

Welche technischen Entwicklungen in den letzten Jahrzehnten haben dich besonders beeindruckt? Gab es echte Durchbrüche?

Aus meiner Sicht gab es sehr viele tolle Entwicklungen in der Hard- und Software. Es gab etliche Innovationen, wie beispielsweise die installationsfreundliche, sehr kompakte und qualitativ äußerst hochwertige Hardware. Besonders bei der Benutzerfreundlichkeit und der Flexibilität der Software hat sich über die Jahre viel getan. Ich denke hier an die IEC-61131-Programmierung oder an den neuen ABB Crealizer als perfekte Ergänzung für kundenspezifische Regelungsaufgaben oder für Datenanalysen.

Ein besonderer Meilenstein war die Markteinführung der direkten Drehmomentregelung – Direct Torque Control – bei unseren ACS600-Frequenzumrichtern in Jahr 1995. Das hat die Performance der Regelung auf ein neues Level gehoben, besonders bei der Regelung von Drehstrommotoren ohne Drehgeberrückführung.

Was waren aus deiner Sicht die größten Herausforderungen in der Entwicklung oder Anwendung von Frequenzumrichtern – und wie wurden sie gelöst?

Eine Herausforderung bestand unter anderem darin, bei den ersten Frequenzumrichter-Generationen die Regelungsperformance einer Gleichstrommaschine zu erreichen oder zu übertreffen. Lange waren Gleichstromantriebe sehr verbreitet. Im Laufe der Zeit musste auch die Akzeptanz für die neue Technik geschaffen werden, da war einiges an Überzeugungsarbeit nötig.

Mit den ersten Frequenzumrichtern stieß man an die Grenzen der damaligen Analog- und Digitaltechnik. Die Vorteile von geregelten Drehstromantrieben haben letztendlich die Entwicklung stets vorangetrieben.

Heute haben wir Geräte auf einem sehr, sehr guten Regelungsniveau, da verschwimmt sogar die Performance von Frequenzumrichter und Servoantrieb. Das bietet neue Möglichkeiten in Hinblick auf die Anlagenoptimierung und Produktivitätssteigerung.

Die ersten Frequenzumrichter waren im Vergleich zu heutigen Geräten sehr groß. Stellt man einen Frequenzumrichter der 1970er-Jahre neben ein modernes Gerät, sieht man einen himmelweiten Unterschied. Der Einsatz neuer Komponenten wie die moderne IGBT-Halbleitertechnologie, hat dazu beigetragen, dass wir heute deutlich kompakter bauen können.

Pionier der Frequenzumrichtertechnik: Der SAMI 50 von Strömberg – ein Meilenstein aus den frühen Tagen der ABB-Antriebstechnik.

Welche Branchen oder Anwendungen haben deiner Meinung nach besonders stark vom Einsatz unserer Umrichter profitiert?

Aus meiner Sicht konnten alle Branchen von der elektrischen Antriebstechnik profitieren – der Maschinenbau, die Prozessindustrie, aber auch Wasser- / Abwasseranwendungen sowie die Gebäudeklimatisierung und viele mehr. Moderne Frequenzumrichter und ihre vielseitigen Möglichkeiten eröffnen ein hohes Energieeinsparpotenzial. Sie machen Prozesse in der Industrie sehr flexibel und verbessern den Produktausstoß ebenso wie die Produktqualität. Der Einsatz von drehzahlgeregelten Antrieben bringt viele Vorteile mit sich, auf die man heute nicht mehr verzichten kann und mit denen Unternehmen ihre Wettbewerbsfähigkeit steigern.

Wie hat sich die Technik – oder auch ihr Umfeld – verändert, seit du dabei bist?

Ich bin seit 1992 bei ABB. Wenn ich zurückblicke, hat sich eine Menge geändert. Die Themen Energieeffizienz und Nachhaltigkeit steht heute deutlich mehr im Fokus als in der Vergangenheit. Und die Bereitschaft für Investitionen in neue Technologien ist gestiegen, nicht zuletzt wegen der hohen Energiepreise. Aber da ist noch Luft nach oben, es gibt nach wie vor viele ungeregelte Motoren in der Industrie, die zu viel Energie verbrauchen.

Die Geräte sind im Laufe der Zeit deutlich bedienerfreundlicher geworden. Wie bei einem neuen Fernseher fragen die Frequenzumrichter bei der Erstinbetriebnahme einige Dinge ab und erledigen vieles automatisch. Der Motor dreht sich nach wenigen Minuten, ohne dass man ein Experte sein muss.

Modernste Antriebslösungen: Die aktuelle ACS880-Familie von ABB – kompakt, energieeffizient und vielseitig einsetzbar.

Ein anderer Aspekt ist die Einbindung der Frequenzumrichter in die Maschine oder Anlage. Früher erfolgte viel über digitale und analoge, oder einfache serielle Schnittstellen. Heute nutzen wir verschiedene Feldbusse, darunter modernste Industrial-Ethernet-basierte Feldbusse wie zum Beispiel PROFINET oder EtherCAT. Ganz aktuell geht der Trend zu OPC UA, um wertvolle Daten ohne großen Aufwand vom Frequenzumrichter in die übergeordneten Systeme zu schicken.

Und natürlich die Maschinensicherheit. Vergleicht man das mit früheren Geräten haben wir heute viele Sicherheitsfunktionen im Frequenzumrichter integriert, die das Maschinendesign unserer Kunden deutlich erleichtern. So ist die sichere Drehmomentabschaltung inzwischen Standard und es gibt viele optionale Funktionen, welche die Maschine sehr sicher machen und die Menschen schützen, die damit arbeiten.

Gibt es ein Projekt, das dir besonders in Erinnerung geblieben ist?

Mein erster Inbetriebnahme-Einsatz war sehr spannend – wir hatten Probleme, weil die Datenkommunikation sporadisch gestört war. Das ist natürlich sehr ärgerlich, weil dann die Anlage nicht vernünftig läuft. Es kamen finnische Kollegen aus der Entwicklungsabteilung auf die Anlage und haben uns bei der Fehlersuche unterstützt. Sie haben die nötigen Diagnosegeräte mitgebracht, mit den Entwicklungstools hatten sie natürlich einen tieferen Einblick in die Technik. Das Problem wurde erkannt und wurde schließlich gelöst. Auch das ist eine Stärke von uns: gemeinsam im Team Lösungen erarbeiten.

Hast du eine Anekdote, die du gerne erzählst, wenn es um elektrische Antriebe geht?

Da fällt mir eine amüsante Geschichte ein. Vor Jahren hat mir die ABB-Zentrale eine ältere Dame am Telefon durchgestellt, die Probleme mit ihrem elektrischen Antrieb hatte. Ich habe sie gefragt, welches Problem sie genau hat, um welchen Antrieb es sich handelt und welche Leistung. Sie sagte, der Antrieb an der Abzugshaube in ihrer Küche würde nicht mehr laufen. Auf der Abzugshaube stehe BBC, das sei doch heute ABB. Leider konnte ich ihr bei diesem Problem mit unseren Industrie-Frequenzumrichtern nicht helfen und auf Grund des hohen Alters der Abzugshaube war wohl eine Neuanschaffung sinnvoll.

Was würdest du jungen Kolleginnen und Kollegen mit auf den Weg geben, die mit Umrichtern arbeiten?

Heute reicht es nicht mehr aus, sich nur mit der Leistungselektronik oder Motorregelung auszukennen. Es ist ein sehr breites Feld, deswegen sind elektrische Antriebe ja auch so spannend. Man lernt viel über Kunden, Anwendungen, Maschinen und Anlagen. Und es gibt immer wieder tolle Entwicklungen und vielfältige Anwendungsbereiche der Antriebstechnik. Ich bin gespannt, was uns neue Halbleiter und auch die KI in Zukunft ermöglichen. Nicht zuletzt liegt der Bereich Antriebstechnik stark im Trend und wächst weiter.

Elektrotechnik ist ein sehr interessantes Tätigkeitsfeld, mich begeistert sie nach wie vor. Vor allem die elektrische Antriebstechnik, weil sie viele Aspekte vereint. Man kann sich in verschiedensten Richtungen einbringen – in der Leistungselektronik oder Elektronik, oder sich je nach Interesse mit zahlreichen Themen beschäftigen, wie Engineering, Programmierung, digitale Kommunikation, Apps, funktionale Sicherheit, elektromagnetische Verträglichkeit, und nicht zuletzt mit der Energieeffizienz. Das Spektrum ist riesig, also ein großes Motivationspotenzial für junge Mitarbeitende.

Was wünschst du dir für die Zukunft – für die Technologie, für ABB und für die Menschen, die daran mitarbeiten?

Ich wünsche mir, dass wir als ABB weltweit weiter an der Spitze bleiben und dass wir diese Position ausbauen, aber auch neue Anwendungsfelder erobern können. Und ich wünsche mir, dass wir mit unserer Technik dazu beitragen können, das Leben der Menschen zu erleichtern, unsere wertvollen Ressourcen zu schonen und somit einen wichtigen Beitrag zur CO2-Reduktion und zum Klimaschutz zu leisten – und das am besten mit einer ordentlichen Portion Spaß und Begeisterung!