Chemische Industrie im Umbruch: ABB und Fraunhofer zeigen Wege zur klimaneutralen Produktion

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Die chemische Industrie ist einer der CO2-intensivsten Industriezweige und verantwortlich für rund vier Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen. Ein Whitepaper von ABB und dem Fraunhofer IPA zeigt, wie die Branche ihre direkten, wärmebedingten und strombedingten Emissionen reduzieren kann: durch Effizienzsteigerungen, Elektrifizierung und neue Verfahren. So entsteht ein realistischer Pfad zur klimaneutralen Produktion.

CO2-intensiver Sektor im Fokus

Die chemische Industrie ist ein unverzichtbarer Teil der modernen Wirtschaft. Sie liefert Grundstoffe für nahezu alle Bereiche des Lebens: von Kunststoffen über Düngemittel und Lösungsmittel bis hin zu Pharmawirkstoffen. Doch dieser zentrale Beitrag zur Wertschöpfung geht mit einem hohen ökologischen Preis einher.

Denn die Branche gehört zu den emissionsintensivsten Sektoren der Industrie. Ihre Prozesse sind nicht nur besonders energieaufwendig, sondern verursachen auch erhebliche direkte Emissionen, die aus den chemischen Reaktionen selbst entstehen. Mit Blick auf die Klimaziele ist deshalb klar: Die Transformation der Branche ist unumgänglich. Gleichzeitig eröffnet sie Chancen: Wer frühzeitig Technologien zur Emissionsminderung implementiert, verschafft sich Wettbewerbsvorteile in einem Markt, der zunehmend auf Nachhaltigkeit setzt.

Komplexe Prozesse, hoher Energiebedarf

Die chemische Industrie ist geprägt durch eine große Bandbreite an Produktionsverfahren, von der Ammoniak-Synthese über die Herstellung von Ethylen bis hin zu komplexen Spezialchemikalien. Entsprechend vielfältig sind auch die Emissionsquellen.

Besonders ins Gewicht fallen die sogenannten Basischemikalien: Wenige Produkte wie Ammoniak, Methanol, Olefine und Aromaten verursachen den größten Teil der branchenspezifischen Emissionen. Sie werden in besonders energieintensiven Verfahren hergestellt, die hohe Temperaturen und große Mengen fossiler Rohstoffe erfordern.

Die Internationale Energieagentur (IEA) betont, dass die Emissionen der Chemiebranche bald ihren Höhepunkt erreichen und anschließend deutlich sinken müssen, um sich dem Netto-Null-Ziel bis 2050 anzunähern – bis 2030 bereits um etwa 15 Prozent. Eine komplette Reduktion auf Netto-Null erfordert aber noch viel mehr als Effizienzsteigerungen: Sie verlangt den Umbau ganzer Prozessketten.

Energieverbrauch in der chemischen Industrie

Ein Blick auf die Energiebilanz verdeutlicht die Dimension der Aufgabe:

  • Ein Großteil der Emissionen in der Chemie entsteht direkt aus der Nutzung fossiler Rohstoffe wie Erdgas und Naphtha.
  • Strombedingte Emissionen machen etwa 35 Prozent der gesamten CO2-Emissionen in der chemischen Industrie aus. Davon entfallen 79 Prozent auf Prozesse mit elektrischem Antriebsstrang – also auf Komponenten, die Strom in Bewegung umwandeln, darunter Motoren und Umrichter.
  • Untersuchungen zeigen, dass IE5-Motoren bis zu 40 Prozent geringere Energieverluste aufweisen als IE3-Motoren. Ihr Einsatz unterstützt nicht nur die Dekarbonisierungsbemühungen, sondern senkt zugleich die Betriebskosten.
  • Auch der Einsatz von Frequenzumrichtern leistet einen entscheidenden Beitrag zur Verminderung der CO2-Emissionen, da der Stromverbrauch dadurch um bis zu 25 Prozent gesenkt werden kann.#

Neben dem hohen Strombedarf kommt der enorme Bedarf an Prozesswärme hinzu. Viele chemische Reaktionen erfordern Temperaturen von über 800 °C, die bislang fast ausschließlich durch Erdgas oder Kohle bereitgestellt werden. Hinzu kommen die prozessbedingten Emissionen, die direkt bei der Umwandlung von Rohstoffen entstehen.

Die Dekarbonisierung dieser drei Ebenen – direkte Emissionen, Wärme und Strom – ist der Schlüssel für eine klimafreundliche Chemieproduktion.

Drei Wege zur Emissionsminderung der chemischen Industrie

Das Whitepaper von ABB und dem Fraunhofer IPA unterscheidet drei zentrale Emissionsquellen, die jeweils spezifische Lösungsansätze erfordern.

Direkte Emissionen

Ein großer Teil der Emissionen entsteht direkt aus chemischen Reaktionen. Beispiele sind die Ammoniaksynthese nach dem weit verbreiteten Haber-Bosch-Verfahren, bei dem üblicherweise Erdgas als Wasserstoffquelle dient, oder die Herstellung von Methanol sowie Salpetersäure. Diese Prozesse setzen zwangsläufig CO2 frei.

Lösungen liegen in der Nutzung alternativer Rohstoffe wie kohlenstoffarmem beziehungsweise grünem Wasserstoff, der fossiles Erdgas ersetzt, oder in neuen Synthesewegen. Darüber hinaus spielen Technologien zur Abscheidung, Nutzung und Speicherung von CO2 (Carbon Capture, Utilization and Storage, CCUS) eine entscheidende Rolle. Sie ermöglichen es, prozessbedingte Emissionen einzufangen und entweder weiterzuverarbeiten oder dauerhaft zu speichern.

Wärmebedingte Emissionen

Wärmebedingte Emissionen machen einen erheblichen Anteil der gesamten Treibhausgasemissionen der chemischen Industrie aus. So verbrauchen beispielsweise in den USA Prozesse im niedrigen Temperaturbereich bis zu 150 °C am meisten Energie. Hier kann der Einsatz industrieller Wärmepumpen helfen. Laut Untersuchungen können diese in der chemischen Industrie weltweit etwa 119 TWh Wärmeenergie pro Jahr erzeugen. In Prozessen wie der Ethanol-Destillation ist es sogar möglich, den gesamten benötigten Dampf über Wärmepumpen zu erzeugen.

Hochtemperaturprozesse über 150 °C stellen hingegen eine größere Herausforderung dar, vor allem weil Wärmepumpen (und Kraft-Wärme-Systeme) in diesem Temperaturbereich weniger rentabel sind. Allerdings gibt es Technologien zur Erzeugung von Hochtemperaturdampf, wie die Elektrifizierung durch induktives Heizen oder Lichtbogenverfahren.

Strombedingte Emissionen

Schließlich hängt die Klimabilanz der Chemieproduktion auch stark vom genutzten Strommix ab. In Ländern, in denen Elektrizität noch überwiegend aus fossilen Quellen stammt, schlagen die indirekten Emissionen erheblich zu Buche. Hier gilt es, den Anteil erneuerbarer Energien am Stromverbrauch deutlich zu erhöhen.

Parallel lassen sich die Effizienzgewinne im Anlagenbetrieb ausschöpfen: Hocheffiziente Motoren der besten Effizienzklasse IE5, gekoppelt mit Frequenzumrichtern, senken den Stromverbrauch stark. Ergänzend tragen digitale Lösungen wie Condition Monitoring und vorausschauende Wartung dazu bei, Energieverluste zu minimieren und den Betrieb zu optimieren.

Ein realistischer, aber vielschichtiger Transformationspfad

Die Transformation der chemischen Industrie ist komplex, aber machbar. Das Whitepaper von ABB und Fraunhofer IPA zeigt deutlich: Es gibt keinen einzelnen Königsweg. Nur die Kombination unterschiedlicher Maßnahmen kann zu einem klimaneutralen Ziel führen.

Welche Lösungen im Vordergrund stehen, hängt von den jeweiligen Standortbedingungen ab:

  • In Regionen mit günstigem Zugang zu erneuerbaren Energien wird die Elektrifizierung eine zentrale Rolle spielen.
  • In Ländern mit großen biogenen Ressourcen können alternative Rohstoffe den Weg bereiten.
  • Überall dort, wo prozessbedingte Emissionen unvermeidbar sind, führt voraussichtlich kein Weg an CO2-Speicherung und -Nutzung (CCUS) vorbei.

ABB positioniert sich in diesem Umfeld als Partnerin für Industrie und Forschung. Mit einem breiten Portfolio an Motoren, Frequenzumrichtern und digitalen Services unterstützen wir Chemieproduzenten dabei, ihre Emissionen Schritt für Schritt zu senken.

Die Kooperation mit dem Fraunhofer IPA verdeutlicht, dass Wissenschaft und Industrie nur gemeinsam die Transformation schaffen können. Forschung liefert die technologischen Grundlagen, Unternehmen wie ABB stellen die Brücke zur Praxis her.

Der Umbau der Chemieindustrie wird Zeit und Investitionen erfordern. Doch wer frühzeitig handelt, erschließt nicht nur Einsparpotenziale, sondern sichert sich auch Wettbewerbsvorteile in einem Markt, in dem Klimafreundlichkeit zunehmend zur zentralen Währung wird.

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