Effiziente Strom­versorgung von Elektrolyseuren: „Schlüssel für die De­karbonisierung ganzer Industrien“

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Für die effiziente Nutzung von Wasserstoff als Energieträger ist die Stromversorgung entscheidend. Damit die elektrische Energie zuverlässig, effizient und bedarfsgerecht fließt, müssen alle individuellen Projektanforderungen beachtet werden. Wie das gelingt, erklärt Frank Jüngst, Business Development Manager Global Product Group Hydrogen bei ABB Motion.

Herr Jüngst, welche Rolle spielt Strom bei der Produktion von Wasserstoff?

Eine ganz entscheidende – ich würde sogar sagen, elektrische Energie ist der wichtigste Faktor. Schließlich wird erst durch sie die chemische Reaktion der Elektrolyse möglich. Dabei wird Wasser in die Elemente Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt. Für energieintensive Industrien wird diese Technologie immer wichtiger, da sie die Dekarbonisierung der Branche entscheidend vorantreibt – vorausgesetzt natürlich, dass der Strom aus erneuerbaren Quellen kommt.

Wie sieht es mit den Kosten aus – können Elektrolyseure im industriellen Maßstab ökonomisch betrieben werden?

Frank Jüngst, Senior Sales Manager Green Hydrogen bei ABB Motion Deutschland.

Frank Jüngst, Business Development Manager Global Product Group Hydrogen bei ABB Motion. Quelle: ABB | Titelbild: Shutterstock

Wenn die Rahmenbedingungen stimmen, auf jeden Fall. Bei der Auslegung müssen künftige Betreiber zwei Faktoren besonders berücksichtigen: ihre spezifischen Erfordernisse und die größtmögliche Zuverlässigkeit der Stromversorgung. Schließlich brauchen industrielle Verbraucher Versorgungssicherheit, damit jederzeit eine kontinuierliche Produktion möglich ist und Ausfälle vermieden werden.

Was meinen Sie mit spezifischen Erfordernissen?

Zum Beispiel den verfügbaren Platz und die Einbindung in bestehende Automatisierungs- und Steuerungssysteme, aber auch Anforderungen auf der Netzseite wie die Begrenzung von Verlustleistungen oder Oberschwingungen. Wer bei der Planung genau überlegt, welche Art der Stromversorgung die richtige für ihn ist, kann vom unproblematischen Betrieb über die gesamte Nutzungsphase hinweg profitieren. Schließlich stellt die Stromversorgung für Betreiber auch das größte Sparpotenzial bei der Wasserstoffproduktion dar.

Wer über den Bau einer Wasserstoffanlage nachdenkt, kennt bei der Elektrolyse meist schon die Optionen: AEL, PEM und SOEC. Welche Optionen gibt es für die Stromversorgung?

Wenn von der Stromversorgung für die Wasserstoffproduktion gesprochen wird, ist ein Stromrichter gemeint, der die vom Elektrolyseur benötigte DC-Spannung (BOL/EOL) erzeugt. Dafür sind heute drei verschiedene Technologien im Einsatz: Dioden-basiert, IGBT-basiert und Thyristor-basiert. Dioden-basierte Stromrichter nutzen Halbleiterdioden, um den Stromfluss in eine Richtung zu lenken. Die DC-Spannung ist aber ohne zusätzliche Maßnahmen nicht steuerbar. Stromrichter auf IGBT-Basis (Insulated Gate Bipolar Transistor) sind steuerbar. Von den drei Varianten haben sie die höchste Verlustleistung. In Hinblick auf Oberschwingungen (Total Harmonic Distortions, THDi) und Leistungsfaktor sind sie jedoch eine sehr gute Lösung. Thyristor-basierte Stromrichter sind robust, hochverfügbar und sehr effizient. Sie haben geringe Verlustleistungen und benötigen wenig Platz. Bei Oberschwingungen und Leistungsfaktor schneiden Thyristor-basierte Anlagen schlechter ab, was aber durch eine geschickte Anlagenkonfiguration ausgeglichen werden kann.

Das klingt kompliziert. Gibt es keine Technologie, die für alle Anwendungsfälle passt?

Es ist nicht kompliziert! Wenn man sich im Vorfeld mit den örtlichen Gegebenheiten auseinandersetzt, wird man sich an einer hohen Verfügbarkeit und einem effizienten Betrieb seiner Elektrolyseanlage erfreuen. Es macht zum Beispiel einen riesigen Unterschied, ob ich im Greenfield bauen oder einen bestehenden Produktionsstandort dekarbonisieren will, indem ich einen Elektrolyseur für die lokale Wasserstoffproduktion nachrüste. Im Brownfield können Stromrichter auf Thyristor-Basis ihre Vorteile besonders gut ausspielen. Denn eine solche Anlage kann mit geringem Footprint problemlos in geschlossenen Gebäuden errichtet werden. Wird die gesamte Anlage neu gebaut, kann ich den höheren Platzbedarf eines IGBT-Stromrichters von vornherein berücksichtigen. Man sollte die technologische Vielfalt aber auch nicht zu dramatisch sehen – gerade in der Industrie. Auch für die Ammoniakproduktion beispielsweise gibt es verschiedene Verfahren und jeder Hersteller nutzt den Prozess, der für seine Anforderungen am besten passt. Genauso ist es auch bei der Stromversorgung.

Wie funktioniert die Umsetzung in der Praxis?

Wir haben die Expertise und das Produktportfolio, um für jedes Projekt eine individuelle Gesamtlösung zu bieten, einschließlich Transformator, Gleichrichter sowie Kompensations- und Filtereinrichtungen. Dabei berücksichtigen wir immer auch die Besonderheiten der Branche, in der die Anlage eingesetzt wird. Deshalb gibt es Systeme von ABB wahlweise als Containerlösung, als Skid oder in Form von Einzelkomponenten. Die Ausführung als Skid ist zum Beispiel in der Industrie gefragt, wo neue Elektrolyseanlagen zur Wasserstoffproduktion oft in bestehende Anlagenumgebungen integriert werden müssen …

… also Branchen, die auch auf die Einbindung in Steuerungs- und Kontrollsysteme großen Wert legt.

Die gesamte Prozessindustrie etwa profitiert zusätzlich von unserer Erfahrung als Anbieter von Prozessleitsystemen. Mit unseren Feldbusmodulen können Elektrolyseanlagen nahtlos in die Automatisierungs- und Prozessleitysteme eingebunden werden, ob per Modbus, Profinet oder USB (alle gängigen Feldbusmodule sind verfügbar). Mit einer Cloud-Anbindung ist diese Integration der Schlüssel für vorausschauende Instandhaltung und fortlaufende Prozessoptimierung. Wir verstehen die Wasserstoffwirtschaft nicht als Hype, sondern langfristig als Schlüssel für die Dekarbonisierung ganzer Industrien. Das geht nur mit Anlagen, die ihre Leistungsfähigkeit über die gesamte Nutzungsphase hinweg aufrechterhalten.

Einfach erklärt: Die wichtigsten Faktoren bei der Auswahl der geeigneten Strom­versorgung für Wasserstoff-Elektrolyseure

Welche Stromrichter-Technologie für die gewünschte Anwendung geeignet ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Folgende Aspekte müssen Betreiber berücksichtigen:

Blindleistung

Blindleistung ist die elektrische Leistung, die bei Stromnetzsystemen ins Netz zurückfließt. Sie verrichtet keine nutzbare Arbeit, verbraucht aber Kapazität des elektrischen Systems.

Verlustleistung

Verlustleistung bezieht sich auf die elektrische Leistung, die innerhalb des Stromrichters verloren geht. Sie entsteht vor allem durch Leitungsverluste, Schaltverluste und Durchlassverluste.

Oberschwingungen (harmonische)

Oberschwingungen (harmonische) sind ganzzahlige Vielfache der Netzfrequenz, entstehen durch nicht-lineare Lasten Diese Nichtlinearitäten können beispielsweise durch Gleichrichter, elektronische Schalter oder andere elektrische Komponenten verursacht werden. Netzbetreiber legen oft den Oberschwingungspegel gem. gängiger Normen fest, bei deren Überschreitung eine Anlage unter Umständen nicht weiter betrieben werden darf.

Produktionskosten

Die Produktionskosten unterscheiden sich je nach eingesetzter Stromrichter-Technologie und abhängig von Methoden der Oberschwingungsreduzierung. Die Anforderung der spezifischen Anlage gibt vor, welches System das geeignetere ist.

Platzbedarf

Auch der Platzbedarf kann ein Kriterium für die Wahl der eingesetzten Leistungselektronik sein. Thyristor-Systeme benötigen typischerweise weniger Platz für den Aufbau als IGBT-Stromrichter.

Auslegung der Anlage

Die Auslegung der Anlage sollte möglichst exakt auf die geforderte Leistung und den erwarteten Lebenszyklus abgestimmt werden. Besonders den EOL-Betriebspunkt sollten Betreiber sorgfältig wählen.

Nahtlose Einbindung

Für die nahtlose Einbindung in den Gesamtbetrieb sollten Anwender Systeme wählen, die die hohen Anforderungen der chemischen Industrie an Kommunikation, Steuerung und Überwachung erfüllen.

Sicherer Betrieb

Ein sicherer Betrieb muss zu jeder Zeit gewährleistet sein, da ungeplante Stillstände hohe Kosten nach sich ziehen können.