Kommen wir noch einmal zur Nachhaltigkeit zurück. Was verbinden Sie persönlich mit dem Begriff?
Nachhaltigkeit heißt für mich, schon heute an übermorgen zu denken – das gilt privat genauso wie geschäftlich. Daraus ergeben sich Fragen in allen Bereichen des Lebens und des Betriebs: Wie gehe ich mit Ressourcen um? Wie sieht es mit meinem Stromverbrauch aus? Will ich eine Solaranlage auf dem Dach oder ein Elektroauto fahren? Dabei muss es nicht immer der große Rundumschlag sein – auch im Kleinen kann man etwas bewegen. Dafür muss Nachhaltigkeit aktiv gelebt und vorgelebt werden. Das Thema ist noch lange nicht in der Gesellschaft angekommen. Damit sich das ändert, brauchen wir Governance und klare Strukturen. Und: Nachhaltigkeit braucht Zeit.
Unterm Strich sind für mich im Wesentlichen drei Fragen entscheidend: Was mache ich selbst? Welchen Einfluss habe ich? Und wie kann ich meine Ziele umsetzen?
Dass einer der besten Hebel zur Umsetzung von Nachhaltigkeit in der Industrie die Energieeffizienz ist, sollte doch inzwischen eigentlich allen Entscheidern bewusst sein. Wieso wirbt ABB immer noch so ausführlich mit diesem Aspekt?
Es reicht nicht, einmal zu verkünden, dass die Steigerung der Energieeffizienz eine wesentliche Säule der Nachhaltigkeit ist, also für weniger CO2-Emissionen, mehr Klimaschutz und ganz nebenbei auch für geringere Kosten. Man muss es immer wieder betonen. Deshalb hat ABB im Jahr 2021 auch die Energieeffizienz-Initiative gegründet. Damit bringen wir unterschiedliche Stakeholder zusammen, um Lösungen zu finden, die dazu beitragen, noch mehr Energie zu sparen und um Ideen und Best Practices auszutauschen. Inzwischen haben sich mehr als 550 Unternehmen in 43 Ländern der Bewegung angeschlossen. Es geht uns hier konkret darum, die Akzeptanz von Energieeffizienzmaßnahmen steigern. Und das aus gutem Grund: Eine aktuelle Studie der Energieeffizienz-Initiative hat gezeigt, dass deutsche Unternehmen immer noch zögern, in entsprechende Maßnahmen zu investieren.
Wie zeigt sich das?
Der Bericht verdeutlicht, dass zwar 62 Prozent der befragten deutschen Unternehmen bereits in Energieeffizienzmaßnahmen investieren und weitere 36 Prozent eine Investition planen. Er offenbart aber auch, dass es aus ihrer Sicht noch erhebliche Herausforderungen gibt. Hohe Kosten werden von zwei Dritteln der Befragten als größtes Hindernis bei der Verbesserung der Energieeffizienz genannt, Ausfallzeiten und Unterbrechungen von einem Drittel. Hier muss ein Umdenken stattfinden. Die Steigerung der Energieeffizienz sollten Unternehmen nicht als Hürde sehen, sondern als Chance verstehen.
Und wenn sie die Chance ergreifen, ersetzen sie ihre alten Motoren einfach durch IE5-Motoren und sind am Ziel?
Ganz so einfach ist es auch wieder nicht. Man muss nämlich wissen, dass ein IE5-Motor wie unser Synchronreluktanzmotor zwar für optimale Energieeffizienz steht, aber nur mit einem Frequenzumrichter läuft. Das heißt, auch in diese Produkte muss investiert werden. Antriebssysteme müssen immer auf den konkreten Einsatz abgestimmt sein. Deshalb bieten wir alles als ideal abgestimmtes Paket aus einer Hand – damit unsere Kunden genau die Lösung bekommen, die sie brauchen, um maximale Effizienz zu erreichen.
Dafür stützen wir uns auf unsere Erfahrungen aus der Praxis. Sie zeigen zum Beispiel, dass sich der Einsatz eines Frequenzumrichters auch jenseits des SynRM mit Effizienzklasse IE5 lohnt. Ein Motor-Upgrade ermöglicht zwar schon einen beträchtlichen Effizienzgewinn, aber durch die Kombination von Hocheffizienzmotor und Frequenzumrichter lässt sich noch viel mehr Energie einsparen. Bei Pumpen-, Lüfter- und Kompressoranwendungen kann der Energieverbrauch durch den Einbau eines Frequenzumrichters schnell um 25 Prozent sinken.
Auch dieses Potenzial ist vermutlich noch nicht überall bekannt?
Wenn es überall bekannt wäre, würden nicht dreiviertel aller im Einsatz befindlichen Motoren ohne Frequenzumrichter laufen. Das ist aber leider so. Dabei gehen wir davon aus, dass die Hälfte aller weltweit betriebenen Motoren für industrielle Anwendungen von einem Frequenzumrichter profitieren würde. Wir wollen Betreibern die Optimierung so einfach wie möglich machen, deshalb bieten wir entsprechende Pakete einschließlich Steuerungen und Services, von der Standardanwendung bis zu komplexeren Applikationen. So haben unsere Kunden nur eine Anlaufstelle und sparen viel Zeit.
Können Sie Beispiele von Kundenprojekten nennen, denen Komplettpakete von ABB zu mehr Effizienz verholfen haben?
Eines meiner Lieblingsbeispiele ist der Spezialwachse- und Gerbstoffhersteller Völpker. In einer seiner Sprühtrocknungsanlagen hat unser Partner IWIK einen Abluftventilator mit Riemenantrieb durch einen direkt angetriebenen Ventilator mit einer hocheffizienten Motoren-Frequenzumrichter-Kombination von ABB ersetzt. Die Lüfterapplikation verbraucht seitdem ganze 60 Prozent weniger Strom. Hier sieht man eindrucksvoll, wie schnell sich signifikante Energiekosteneinsparungen im Bestand mithilfe moderner Antriebstechnik realisieren lassen.
Den Schweizer Verpackungshersteller Model-Gruppe haben wir bei der Modernisierung einer zentralen Papiermaschine mit energieeffizienten Motoren und neuesten Frequenzumrichtern unterstützt. Das Ergebnis: Die Produktivität und Zuverlässigkeit der Papiermaschine ist gestiegen und der jährliche Energieverbrauch wurde um bis zu 900.000 Kilowattstunden gesenkt. Das entspricht dem Verbrauch von 200 Einfamilienhäusern. Und bis zur Amortisation vergehen voraussichtlich weniger als fünf Jahre.
Ein letztes Beispiel: Nestro Lufttechnik setzt für ihre neue Generation von mobilen Entstaubern auf ein energiesparendes Antriebspaket der höchsten Effizienzklasse IE5. Die Synchronreluktanzmotoren und Frequenzumrichter für die Ventilatoren zum Absaugen von Holzspänen und anderen Materialen stammen von ABB. Unsere Frequenzumrichter sorgen dafür, dass der Motor zu jeder Zeit im optimalen Betriebspunkt läuft. Für Anwender heißt das, dass sie mit diesen hochmodernen Geräten bis zu 22 Prozent Energiekosten gegenüber gängigen Entstaubern mit IE3-Motoren einsparen.