Herr Schader, am 29. Juni 2023 wurde die EU-Maschinenverordnung veröffentlicht. Was hat es mit der Vorgabe auf sich?
Die Verordnung dient der Maschinensicherheit und stellt dafür verbindliche Gesundheitsschutz- und Sicherheitsanforderungen an Hersteller und Inverkehrbringer. Die Europäische Union will damit die Sicherheit der Personen gewährleisten, die mit Maschinen arbeiten oder von ihnen umgeben sind.
Bisher gilt die Maschinenrichtlinie. Was bedeutet es, dass diese nun durch eine Verordnung abgelöst wird?
Eine EU-Verordnung ist im Gegensatz zu Richtlinien von ihrer „Durchgriffswirkung“ für alle Mitgliedstaaten charakterisiert. Es bedarf also keiner Umsetzung in nationales Recht, stattdessen ist die Verordnung unmittelbar in allen Mitgliedsstaaten der Union gültig und rechtlich verbindlich. Im Sinne EU-weit harmonisierter rechtlicher Vorgaben ist das positiv, denn so müssen Betroffene nicht weiter mit nationalen Implementierungen umgehen, die in Details immer unterschiedlich ausgestaltet sein können.
Sehen Sie neben diesem Vorteil auch juristische Herausforderungen?
Eine Hürde ist lediglich, dass es beim Wechsel des Rechtsakts keine parallele Geltung von alter Richtlinie und neuer Verordnung geben wird, so wie es beim letzten Wechsel 2006 in Deutschland der Fall war. Es handelt sich also um einen härteren Stichtag. Ein Problem wird dabei die Normung sein. Denn unter der Maschinenrichtlinie existieren etwa 800 harmonisierte Normen. Jede einzelne von ihnen muss angefasst werden und neue Harmonisierungsannexe erhalten. Im Mittelpunkt steht dabei, dass die Maschinenverordnung erstmals auch Vorgaben zur Cybersecurity macht.
Gibt es davon abgesehen weitere Neuerungen, zum Beispiel in Bezug auf die betroffenen Maschinen?
Die Verordnung betrifft genau wie die Richtlinie, die sie ablöst, Maschinen wie Hebezeuge, Sicherheitskomponenten oder sogenannte unvollständige Maschinen. Also eine Komponente, die erst mit weiteren Bauteilen die Funktion einer Maschine erfüllt.
Sie sprachen von neuen Cybersecurity-Anforderungen. Was bedeuten diese konkret?
Die EU fordert von den Herstellern, Maßnahmen gegen Cyberbedrohungen in die Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen ihrer Maschinen zu integrieren. Dabei müssen Akteure beachten, dass sich die Anforderungen der Maschinenverordnung in diesem Bereich mit dem gerade im Entstehen begriffenen Cyber Resilience Act überlappen werden. Und beide entstehenden Standards müssen wiederum auf dem Standard IEC 62443 basieren, der die Security im industriellen Umfeld regelt. Man kann jedem Betroffenen nur raten, sich zu diesem Thema auf dem Laufenden zu halten, denn die Erfüllung der Vorgaben ist verpflichtend.
Änderungen bei den Konformitätsverfahren betreffen sechs Maschinentypen, für die jetzt explizit die Baumusterprüfung verpflichtend wird. Die Bedeutung dieser Baumusterprüfungen zeigt sich zum Beispiel bei Bolzenschussgeräten: Sie enthalten Schwarzpulver, plötzlich spielt also auch das Waffenrecht eine Rolle. Auch für Sicherheitskomponenten mit Künstlicher Intelligenz, deren Verhalten nicht deterministisch ist, sondern sich über die Zeit ändert, werden künftig Baumusterprüfungen verpflichtend sein.
Die Dokumentation durch Hersteller und Inverkehrbringer kann in Zukunft auch digital mitgeliefert werden. Ist das die Umsetzung des geplanten digitalen Produktpasses?
Nein, das ist ein großer Unterschied: Der aktuell stark diskutierte digitale Produktpass existiert nur unter der sogenannten Ecodesign Sustainable Product Regulation als wesentlicher Bestandteil der Pläne der EU-Kommission für umweltfreundlichere und kreislauforientierte Produkte. Bei der digitalen Dokumentation im Sinne der Maschinenverordnung geht es darum, dass die Dokumentation nicht mehr zwingend in Papierform mitgeliefert werden muss. Das entspricht auch den Wünschen einer Vielzahl von Anwendern, die diese Dokumente ohnehin nur noch digital erhalten und speichern möchten. Eine Ausnahme bilden die Sicherheitshinweise für B2C-Produkte, hier ist nach wie vor die Papierform Pflicht.
Welche Produkte sind in Ihrem Geschäftsbereich Motion eigentlich von der Verordnung betroffen?
In der Antriebstechnik sind alle Sicherheitskomponenten betroffen. Hinzu kommen Mittelspannungs-Motoren und -Umrichter, wenn sie gemeinsam mit Antrieben verkauft wurden, also im Sinne der Maschinenverordnung zu „unvollständigen Maschinen“ werden, oder wenn es sich um Sicherheitskomponenten handelt.
Und welche Unterschiede gibt es in Sachen Maschinensicherheit in anderen Regionen wie Amerika oder Asien?
Die amerikanischen Systeme sind denen in Europa recht ähnlich. Das CE-Zeichen hat aber eine große Strahlkraft und wird im Markt auch außerhalb Europas beachtet. Die Einhaltung europäischer Normen gilt weltweit als Qualitätsmerkmal.