Schritte zu einer emissionsärmeren Öl- und Gasindustrie

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Die Öl- und Gasindustrie steht unter Druck, ihre betrieblichen Emissionen drastisch zu senken. Ein Whitepaper von ABB und dem Fraunhofer IPA zeigt, wie das gelingen kann: durch Elektrifizierung, effiziente Antriebstechnik und die Verringerung von Methanverlusten. So kann die Branche leistungsfähig bleiben und gleichzeitig einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten.

Energie bleibt gefragt – aber mit sinkender Klimabilanz

Laut aktuellen Prognosen wird die weltweite Ölnachfrage von 2022 bis 2028 um rund 6 Prozent steigen. Treiber des wachsenden Verbrauchs sind vor allem die Petrochemie und der Flugverkehr. Erst nach 2030 dürfte der Bedarf allmählich zurückgehen, wenn Straßenverkehr und Industrie zunehmend auf alternative Energiequellen umsteigen.

Auch Erdgas bleibt vorerst ein wichtiger Energieträger. Während Industrienationen ihre Abhängigkeit verringern, wächst der Verbrauch in Schwellenländern, die Kohle durch Gas ersetzen. Damit bleiben Öl und Gas für die globale Energieversorgung vorerst unverzichtbar – ein sofortiger Ausstieg wäre zwar wünschenswert, ist aber vorerst nicht realistisch.

Dennoch steht die Branche unter Druck, ihre betrieblichen Emissionen zu senken. Denn die Produktion, Verarbeitung und Raffinierung von Öl und Gas waren 2021 für etwa 6 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich. Der Fokus liegt dabei auf den sogenannten Scope-1- und Scope-2-Emissionen, also jenen, die im Betrieb entstehen: durch Förderung, Transport und Verarbeitung.

Elektrifizierung und Modernisierung als Schlüsselfaktoren

Die Transformation der Branche hängt entscheidend von der Elektrifizierung ab. Viele Anlagen arbeiten heute noch mit Gas- oder Dampfturbinen, die fossile Brennstoffe direkt vor Ort verbrennen. Durch den Umstieg auf Frequenzumrichter und Elektromotoren mit Wirkungsgraden von bis zu 95 Prozent lässt sich der Brennstoffverbrauch erheblich senken, und damit auch der CO2-Ausstoß. 

Ein Beispiel verdeutlicht das Potenzial: Hersteller wie NOV haben vollelektrische Fracking-Flotten entwickelt, die mit effizienten Motoren und Frequenzumrichtern arbeiten. Diese Systeme steigern nicht nur die Leistung, sondern reduzieren zugleich die Emissionen vor Ort. 

Im Whitepaper von ABB und dem Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) wird zwischen Neu- und Bestandsanlagen unterschieden: 

  • Bei Neubauten ist die Elektrifizierung mittlerweile gängige Praxis. 
  • Bei Retrofits ist sie komplexer, aber machbar. Das zeigen Beispiele von sechs Offshore-Plattformen auf dem norwegischen Kontinentalschelf, wo durch Teil- oder Vollelektrifizierung der CO2-Ausstoß erheblich sank. 

Innovativ ist hier das Konzept der „Area Electrification“: Statt jede Plattform einzeln anzubinden, entsteht ein Stromnetz mit Verteilknoten, das mehrere Plattformen versorgt. Das reduziert Kosten und erleichtert den Anschluss weiterer Anlagen. 

Emissionen entlang der gesamten Wertschöpfungskette senken

Um die Emissionen der Öl- und Gasindustrie wirksam und umfassend zu reduzieren, empfiehlt das Whitepaper eine zielgerichtete Fokussierung auf alle Abschnitte der Branche.

1. Upstream: Förderung und Aufbereitung

Der größte Anteil der betrieblichen Emissionen entsteht bei der Förderung. Rund 52 Prozent der Prozessemissionen stammen aus dem Abfackeln, aus Methanleckagen und der Entlüftung.

Mögliche Maßnahmen:

  • Erneuerung alter Anlagen, bessere Leckageerkennung und Gasrückgewinnungssysteme
  • Ersatz von Dichtungen in Ventilen und Kompressoren, um Methanverluste zu vermeiden
  • Elektrische Antriebe statt gasbetriebener Pumpen und Kompressoren

Ein Beispiel aus der Nordsee zeigt den Effekt: Durch gezielte Modernisierung konnte die Abfackelung innerhalb von vier Jahren halbiert werden – ein klarer Beleg für das Potenzial technischer Anpassungen.

2. Midstream: Transport und Speicherung

Beim Transport von Rohöl entstehen etwa 5 Prozent der sektorweiten Emissionen. Hauptverursacher sind die gasbetriebenen Verdichterstationen entlang von Pipelines. Hier liegt der Schlüssel in der Elektrifizierung dieser Kompressoren. Moderne elektrische Antriebe erreichen höhere Wirkungsgrade als Turbinen und reduzieren die Treibhausgase um bis zu 45 Prozent.

Ein Beispiel: In einer LNG-Anlage mit 6,25 Millionen Tonnen Jahresleistung könnten elektrische Antriebe anstelle gasbetriebener Kompressoren rund 360.000 Tonnen CO2 pro Jahr einsparen. Hinzu kommen für den Betreiber wirtschaftliche Vorteile durch geringere Wartungskosten und höhere Anlagenverfügbarkeit.

3. Downstream: Raffinierung und Weiterverarbeitung

Die Raffinerien sind für den größten Teil der energiebedingten Emissionen der Branche verantwortlich. Rund 20 Prozent aller sektorweiten Emissionen entfallen auf Wärme- und Stromerzeugung in Verarbeitungsanlagen. Weitere 10 Prozent stammen aus flüchtigen Gasen und etwa 3 Prozent aus der Wasserstoffproduktion für den Crackprozess.

Elektrische Wärme- und Dampferzeugung bietet hier die größte Hebelwirkung:

  • Elektrische Heizkessel und Wärmepumpen können fossile Brenner ersetzen, vor allem bei mittleren Temperaturen bis 170 °C.
  • Für höhere Temperaturen kommen elektrische Spulen oder Widerstandsheizungen in Frage, wie Pilotprojekte zeigen.
  • Langfristig spielen kohlenstoffarme Brennstoffe und Wasserstoff eine Rolle, sowohl als Prozessenergie, als auch als Kraftstoff für Logistik und Schwertransporte.

Elektrifizierung und Digitalisierung als Hebel für große Fortschritte

Das Whitepaper von ABB und dem Fraunhofer IPA und zeigt klar: Die größten kurzfristigen Einsparpotenziale liegen in der Reduktion von Methanleckagen, der Abschaffung des Abfackelns und der Elektrifizierung zentraler Prozesse – von Offshore-Plattformen über Pipelines bis zur Raffinerie.

Zusammengenommen könnten diese Maßnahmen die betriebsbedingten Emissionen bis 2030 massiv senken. Die Analyse weist für die wichtigsten Hebel folgende Beiträge aus:

  • Methanreduktion: 1,18 Gigatonnen CO2-Äquivalente
  • Verringerung des Abfackelns: 0,37 Gigatonnen
  • Elektrifizierung: 0,27 Gigatonnen
  • CCUS: 0,19 Gigatonnen
  • Nutzung von Wasserstoff: 0,07 Gigatonnen

Langfristig kommen drei weitere Technologien hinzu:

  1. Nachhaltige Rohstoffe wie Biokraftstoffe in Raffinerien
  2. CCUS, um schwer vermeidbare CO2-Emissionen zu binden oder weiterzuverwenden
  3. Wasserstoff als Brennstoff und Prozessmedium, insbesondere für Hochtemperaturprozesse

Prioritäten für eine klimaverträgliche Öl- und Gasproduktion

Das Whitepaper schließt mit klaren Handlungsempfehlungen:

  • Kurzfristig gilt es, Leckagen und Abfackelung zu minimieren, elektrische Antriebe zu implementieren und die Energieeffizienz zu steigern.
  • Mittelfristig sollten Betreiber auf flächendeckende Elektrifizierung und Digitalisierung setzen, um Prozesse zu optimieren und Daten intelligent zu nutzen.
  • Langfristig bilden CCUS, grüner Wasserstoff und erneuerbare Energien das Rückgrat einer klimaneutralen Branche.

ABB unterstützt diese Entwicklung mit Lösungen für Elektrifizierung, Antriebstechnik, Automatisierung und digitale Prozessoptimierung entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Damit zeigt sich: Auch eine Branche, die traditionell mit fossilen Energien verbunden ist, kann einen entscheidenden Beitrag zum Klimaschutz leisten – wenn sie ihre Energie intelligenter nutzt und ihre Prozesse konsequent elektrifiziert.

Jetzt das ganze Whitepaper entdecken – mit ausführlichen Informationen zur Dekarbonisierung vier weiterer Industrien:

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