Herr Manca, Künstliche Intelligenz ist ein heiß diskutiertes Thema und gilt als Schlüsseltechnologie der Zukunft. Allerdings scheint es, dass wenige Industrieunternehmen KI-Technologien im Einsatz haben. Wie erklären Sie diesen Widerspruch?
Es ist derzeit enorm viel Bewegung im Markt und ich sehe diesen scheinbaren Widerspruch nicht. Denn Digitalisierung gleicht eher einem Marathon als einem Sprint. Wir befinden uns am Anfang einer umfassenden Entwicklung. Bei KI geht es zunächst um Orientierung und Verständnis, nicht um vorschnelle Implementierung. Viele verstehen unter „KI“ lediglich ein Schlagwort, ohne die tatsächlichen Anwendungen zu kennen.
Gibt es denn eine Art Best-Practice, wie Industrieunternehmen das KI-Thema erfolgreich anpacken?
Zunächst sollte das Ziel definiert werden: Wo liegen die Einsatzmöglichkeiten und erhofften Vorteile von KI für das Unternehmen? Dann folgt die Analyse der vorhandenen Daten hinsichtlich Qualität und Verfügbarkeit. Anschließend ist die verfügbare oder benötigte Technologie zu bewerten und zu prüfen, ob man inhouse entwickelt oder off-the-shelf verfügbare kommerzielle Anwendungen nutzt. Wichtig ist auch die Überlegung, ob neues Personal eingestellt oder bestehendes geschult werden muss. Zudem müssen Prozesse von Daten-Governance bis hin zur Zuständigkeitsverteilung definiert werden. Auch das Mindset spielt eine wichtige Rolle. So kann eine digitale Kultur im Unternehmen entscheidend sein für den Erfolg der KI-Implementierung.
Was sehen Sie als die größten Herausforderungen oder Hemmschuhe?
Ich sehe die größte Herausforderung im Mindset und den Erwartungen an KI. Aus meiner Sicht ist das richtige Erwartungsmanagement entscheidend, um einen weiteren KI-Winter zu vermeiden. Wir beobachten oft überzogene Erwartungen an KI, gefolgt von Ernüchterung, wenn diese nicht erfüllt werden. Weiterhin ist der eigene Reifegrad des Unternehmens zu berücksichtigen: technische Ausstattung, notwendige Anschaffungen und der Mehrwert hinsichtlich des definierten Ziels. Auch die Qualifikation der Mitarbeitenden und die Schaffung von Vertrauen in KI sind zentral.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist: Es geht nicht um einmalige oder isolierte Leuchtturmprojekte, sondern darum, KI dauerhaft in die Produktion einzuweben. Mit MLOps – kurz für Machine Learning Operations – bekommen Projekte einen Lebenszyklus. MLOps legt den Schwerpunkt auf die Prozessoptimierung bei der Überführung von Machine-Learning-Modellen in die Produktion sowie auf deren anschließende Wartung und Überwachung. In einem solchen iterativen Prozess wird ständig geprüft und hinterfragt, ob das Modell noch zu den Daten und den Prozessen passt. Gibt es beispielsweise neue Sensoren, hat dies Auswirkungen auf das Modell.