„Energieeffizienz ist der rote Faden, der sich durch alles zieht“

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Energie wird immer teurer, auch für Wasserwerke und Kläranlagen. Welchen Herausforderungen müssen sich Betreiber von Wasser- und Abwasseranlagen außerdem stellen – und wie sehen mögliche Lösungen aus? Antworten gibt Boris Vaihinger, Branchenmanager Wasser & Abwasser bei ABB Motion Deutschland.

Herr Vaihinger, was sind die größten Herausforderungen, denen sich Betreiber aus der Wasser- und Abwasserbranche aktuell stellen müssen?

Die Abwasserbetriebe kämpfen derzeit mit vier Herausforderungen: neue Prozesse in der Abwasserbehandlung, die wachsende Menge an Feuchttüchern im Abwasser, der Fachkräftemangel und die Energiekosten.

Um Mikroschadstoffe aus Medikamentenresten, Kosmetika und Pflanzenschutzmitteln aus dem Abwasser zu entfernen, ist eine vierte Reinigungsstufe nötig. Von den entsprechenden Anpassungspflichten sind viele Anlagen betroffen. Dafür sind zahlreiche Umbauten und Neubauten nötig. Das kostet Zeit und Geld und braucht gute Planung.

Der steigenden Zahl an Feuchttüchern im Abwasser wird im Moment kein Pumpensystem Herr: Bei zu vielen Tüchern verstopfen die Pumpen einfach. Das manuelle Lösen dieser Verstopfungen ist für das Personal eine sehr undankbare Aufgabe. Die Industrie hat Maschinen entwickelt, die Feuchttücher im Abwasserstrom zerkleinern, doch das schafft wieder neue Probleme: Die geschredderten Teile sind so klein, dass sie durch die Rechen der ersten Reinigungsstufe fallen. Dadurch gelangen sie in den Klärschlamm und werden verbrannt. Dort ist ihr hoher Kunststoffanteil aber ein Problem für die Rauchgasreinigung in der Monoverbrennung.

Eine der größten Herausforderungen für die Branche ist der Fachkräftemangel. Dabei geht es nicht nur um die Bezahlung. Hinzu kommen wie gerade erwähnt die anstrengenden Arbeitsabläufe. Und schließlich ist die Abwasseraufbereitung ein sehr wichtiger Beruf, der von der Gesellschaft aber nicht genügend wertgeschätzt wird.

Alle genannten Probleme werden von den steigenden Energiekosten überschattet. Die Frage, wie sich die Energieverfügbarkeit künftig entwickeln wird, verschärft diesen Faktor zusätzlich. Kläranlagen gehörten traditionell zu den größten Energieverbrauchern einer Kommune. Dieses Bild wandelt sich allmählich: Viele Betreiber setzen auf Stromerzeugung, ob mit Solaranlagen, Turbinen oder Blockheizkraftwerken, die mit Faulgas aus Klärschlamm betrieben werden. Es gibt Anlagen wie das Klärwerk in Trier, die sogar eine positive Energiebilanz haben – trotz der energieintensiven Prozesse. Betreiber, die sich gar nicht um die Energie kümmern, sind heute die Ausnahme. Insgesamt steht die Branche aber noch vor großen Veränderungsprozessen …

… was auf die Betriebe zur Gewinnung und Verteilung von Wasser wahrscheinlich in gleichem Maße zutrifft?

In der Tat sind die Herausforderungen bei den Energiekosten ähnlich. In beiden Bereichen kommen Pumpen zum Einsatz, die mit Motoren und Frequenzumrichtern elektrisch angetrieben werden. Bei der Gewinnung und Verteilung kommt hinzu: Wasserwerke, die gut geplant und gebaut wurden, laufen auch mal 40 Jahre lang ohne relevanten Umbau. Da die Pumpen meist am oberen Betriebspunkt laufen, sind sie auch nach so einer langen Betriebsdauer noch relativ effizient. Aber eine komplette Renovierung könnte immer noch 40 bis 50 Prozent Energie auf einen Schlag einsparen. Den regelmäßigen Umbauten bei Klärwerken steht bei Wasserwerken also ein Renovierungsstau gegenüber.

Auf die Gewinnung und Verteilung von Wasser hat außerdem der Klimawandel großen Einfluss. Die Versorgung wird volatiler, die Wasserversorgung muss deshalb redundant werden. Das ist aufgrund der gegebenen Strukturen nicht immer einfach. Über Stichleitungen müssen die Netze von tausenden Versorgern miteinander verbunden werden, damit bei Engpässen künftig ein Wasserwerk dem anderen aushelfen kann.

Und schließlich ist da noch die Kavitation, deren Auswirkungen Außenstehende oft unterschätzen: Sinkt der Druck in der Pumpe unter den Dampfdruck des Wassers, bilden sich mit Dampf gefüllte Blasen, die schlagartig wieder zusammenfallen. Der Prozess kann selbst Förderräder aus Edelstahl innerhalb weniger Wochen komplett zerstören. Dieses Phänomen führt in der Wasserförderung immer wieder zu Ausfällen, die viel Geld und Zeit kosten.

Die genannten Aspekte erstrecken sich über weite Teile des Betriebs, von der Anlagenfahrweise über Umbaumaßnahmen bis hin zu Personalfragen. Wie kann ABB Betreiber unterstützen, diese Herausforderungen zu meistern?

Die Antwort auf viele der sehr unterschiedlichen Fragen, die wir gestellt bekommen, ist unser Frequenzumrichter für Wasser und Abwasser. Über allem steht seine sehr hohe Energieeffizienz: In Kombination mit einem IE4-Synchronreluktanzmotor ermöglicht der ACQ580 bis zu 40 Prozent Energieersparnis. In einem Wasserwerk mit 5 Megawatt Leistung macht sich das schnell bemerkbar. Wir drehen an der wesentlichen Stellschraube, um die Kosten nach unten zu bringen und den Betrieb nachhaltig aufzustellen.

Da wir den ACQ580 speziell für den Wasser- und Abwasserbereich entwickelt haben, bietet der Frequenzumrichter auch eine Antikavitationsfunktion. Die Technik basiert auf der Erkennung von Auffälligkeiten im Lastprofil, die auf die erwähnten Dampfblasen hinweisen. Die Drehzahl wird reduziert, das Pumpenrad dreht langsamer und die Kavitation baut sich ab. Anschließend wird die Drehzahl wieder erhöht. Das wirkt sich in Form von maximal 5 Prozent kurzzeitig reduziertem Durchsatz aus, spart langfristig aber erhebliche Wartungskosten für zerstörte Laufräder und Serviceeinsätze.

Um die Prozesse im Klärwerk effizienter und sicherer zu gestalten, haben wir den ACQ580 mit einer Pumpenreinigungsfunktion ausgestattet. Definierte Kurven und Zyklen für das Drehmoment bewirken die Reinigung der Pumpe, ohne dass ihre Lebenszeit beeinflusst wird. So werden sogar die eingangs erwähnten Verstopfungen durch Feuchttücher gelöst. Anders als für einen Zerkleinerer müssen Betreiber dafür aber keine zusätzliche Energie aufwenden, sondern sparen sogar. Denn eine saubere, freie Pumpe bietet eine gleichbleibend hohe Arbeitsqualität. Wir haben Kunden, die durch die integrierte Pumpenreinigung bis zu 20 Prozent Energie sparen, weil die Pumpe immer am optimalen Betriebspunkt läuft.

Diese Funktionen, die zunächst nur die reinen Betriebsprozesse optimieren, wirken sich letztlich auch auf die Arbeitsbedingungen des Personals aus. Unsere Antriebstechnik vermeidet Störungen in den Arbeitsabläufen oder erkennt sie zumindest rechtzeitig. Der ACQ580 kann im Notfall über Pumpenredundanzsysteme automatisierte Programme abfahren und Störungen auflösen. Der Bereitschaftsdienst des Klärwerks muss so deutlich weniger Einsätze fahren. Das erhöht die Attraktivität des Jobs maßgeblich.

Setzen Sie bei Instandhaltung und vorausschauender Wartung auch auf die Digitalisierung von Prozessen?

Die Digitalisierung wirkt sich bei Wasser und Abwasser vor allem auf die Anlagentechnik aus, für die immer mehr Informationen nötig sind. Um künftig auch biologische Spurenstoffe zu eliminieren, wird zum Beispiel erwartet, dass in den nächsten Jahren eine fünfte Reinigungsstufe vorgeschrieben wird. Technik wie diese braucht immer mehr Daten, denn nur wenn der Durchfluss durch die Anlage perfekt gesteuert wird, laufen die Prozesse optimal.

Um den effizienten Betrieb zu unterstützen, bieten wir den ABB Ability Smart Sensor an, der Motoren und Pumpen überwacht. So können Wartungsintervalle geplant werden, und falls mit einem Ausfall der Anlage zu rechnen ist, werden rechtzeitig Warnungen ausgegeben. Mit unserem Condition Monitoring behalten Betreiber den kompletten Antriebsstrang im Blick, inklusive Cloud-gestützter Auswertung und Überwachung aus der Ferne.

Die angesprochenen Technologien können Betreiber unterstützen, aber dafür müssen die Mitarbeiter sie auch beherrschen. Wie stellen Sie sicher, dass das Personal mit den technischen Möglichkeiten Schritt hält?

Zunächst einmal haben Betreiber beim Einsatz unserer Produkte den Vorteil, dass sie die gesamte Anlagentechnik aus einem Guss erhalten – vom IE5 Syncheronreluktanzmotor (SynRM) über den Frequenzumrichter ACQ580 bis hin zur AC500 als Leittechnik. Alle unsere Komponenten sprechen dieselbe Sprache und können sehr einfach bedient und in Betrieb genommen werden.

Aber wir unterstützen die Lernkurve auch mit zusätzlichen Maßnahmen, etwa mit dem ABB-Portal Wasser & Abwasser, das alle relevanten Informationen und regelmäßige Webinare für sichere und effiziente Antriebstechnik umfasst. Auch Fach- und Hochschulen im Wasser- und Abwasserbereich unterstützt ABB direkt. Wir haben die globale Energieeffizienz-Initiative ins Leben gerufen, der sich bereits Unternehmen wie die Deutsche Post oder Alfa Laval angeschlossen haben. Wir entwickeln unsere Produkte gemeinsam mit Betreibern laufend weiter, um effizienter und nachhaltiger zu werden.