Oberschwingungen: Eine Herausforderung für Netze und Anlagen

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Oberschwingungen in Energieversorgungsnetzen können sich negativ auf die Leistungsfähigkeit von Anlagen auswirken und sogar zu Ausfällen führen. Die harmonischen Verzerrungen kosten zudem viel Geld: etwa durch überdimensionierte Anlagen und höhere Kosten im laufenden Betrieb. Um die Zuverlässigkeit von elektrischen Systemen zu verbessern und Prozesse effizienter zu machen, müssen Betreiber Sorge tragen, dass ihre Anlagen so wenig Oberschwingungen wie möglich verursachen.

Nichts ist perfekt – auch nicht die Verteilung und Versorgung mit elektrischer Energie. In Wechselspannungsnetzen wird die Spannung mit einem gleichförmigen Sinusverlauf illustriert, die den regelmäßigen Wechsel der Polarität darstellt. Doch in der Realität sind diese Wellen alles andere als perfekt. Sinusverläufe mit sogenannten Oberschwingungen stören die Effizienz und die Zuverlässigkeit des Stromnetzes. Deshalb müssen sie so weit wie möglich vermieden werden.

Stromverlauf eines typischen 6-Puls Frequenzumrichters

Stromverlauf des ABB Ultra-Low Harmonic Drives

Einfach erklärt: Was sind Oberschwingungen?

Oberschwingungen im Wechselspannungsnetz sind Wellen mit Frequenzen, die höher sind als die der Grundschwingungen der Netzfrequenz. Sie führen zu einer Verzerrung des Sinusverlaufs von Strom und Spannung und sind eine elektromagnetische Verschmutzung des Stromnetzes.

Ursache für Oberschwingungen ist das Zusammenspiel vieler unterschiedlicher elektrischer Verbraucher, deren Leistung nicht linear verläuft, sondern durch die hohe Schaltfrequenz von leistungselektronischen Komponenten variiert. Hierzu zählen unterschiedlichste Geräte von kleinen bis hin zu sehr großen Verbrauchern: beispielsweise LED-Beleuchtungen, unterbrechungsfreie Stromversorgungen (USV), Computer oder Frequenzumrichter. Denn diese beziehen durch die schnellen Schaltvorgänge in den Leistungshalbleitern keinen sinusförmigen Strom aus dem Stromnetz.

Oberschwingungen werden in Prozentwerten angegeben und auch als gesamte harmonische Verzerrung (Total Harmonic Distortion, THD oder THDi), Oberschwingungsgehalt oder Oberschwingungsanteil bezeichnet. Der Wert bezieht sich auf das Verhältnis aller Strom- oder Spannungsoberschwingungen zur Grundschwingung – meist also die Grundfrequenz von 50 Hertz.

TecSnack: Experten-Tipps von ABB über Frequenzumrichter und Oberschwingungen

Folgen von Oberschwingungen: Gefahren für Kabel und Maschinen

Da immer mehr Geräte und Maschinen im Spannungsnetz betrieben werden, die Oberschwingungen verursachen, nehmen auch die Auswirkungen auf Netze und Verbraucher zu. Die Folgen sind vielfältig und fangen schon bei Kabeln an: Sie werden durch die zusätzliche Belastung erhitzt, was zu Kabelschäden und zu unerwünschten magnetischen Feldern führen kann.

Auch Motoren, Generatoren und Kondensatoren können durch den zusätzlichen Stromfluss von Oberschwingungen überhitzen. In Transformatoren und Drosselspulen verursachen Oberschwingungen Eisenverluste; an Spulen können Spannungsfälle entstehen. Selbst Stromausfälle, die durch Oberschwingungen verursacht werden, sind möglich – mit oft schwerwiegenden Auswirkungen auf die Infrastruktur.

Oberschwingungen müssen reduziert werden

Aufgrund der Gefahren für Maschinen und Anlagen liegt es im Interesse aller Betreiber, deren Equipment als Verbraucher Teil des Stromnetzes ist, die Verursachung von Oberschwingungen so weit wie möglich zu reduzieren. Doch auch viele Netzbetreiber geben für Oberschwingungen Grenzwerte vor. Dadurch soll zum einen die Störaussendung von oberschwingungserzeugenden Maschinen in erträglichen Grenzen gehalten. Zum anderen soll aber auch die Störfestigkeit von Maschinen, die in Netzen mit Oberschwingungen betrieben werden, festgelegt werden.

Oberschwingungen zu erkennen und zu bekämpfen, ist jedoch nicht einfach, denn nicht immer treten Probleme sofort und eindeutig sichtbar auf. Häufig ist das Phänomen bei Betreibern kaum bekannt, sodass auftretende Probleme erst gar nicht auf Oberschwingungen zurückgeführt werden.

Die Bedeutung von Frequenzumrichtern für Oberschwingungen

Sinn und Zweck von Frequenzumrichtern ist es, die aufgewendete elektrische Energie durch die Regelung der Motordrehzahl genau an die Erfordernisse des Prozesses anpassen. Dieses Vorgehen kann sehr viel Energie sparen – doch gleichzeitig kann es auch zur Entstehung von Oberschwingungen führen.

Der Einfluss von Oberschwingungen auf das Stromnetz und die daran angeschlossenen Geräte dürfen Betreiber deshalb nicht vergessen. Der Vorteil dabei: Wird bei der Planung neuer Anlagen oder einem Retrofit – zum Beispiel der nachträglichen Ausrüstung des Anlagenbestands mit Frequenzumrichtern – darauf geachtet, dass die Anlage möglichst wenige Oberschwingungen verursacht, lassen sich kurz- und langfristig Kosten sparen.

So bedeutet ein geringer Oberschwingungsgehalt zum Beispiel, dass Kabel nicht überdimensioniert ausgeführt werden müssen. Auch der Leistungspuffer des Transformators als eine der teuersten Komponenten im Stromnetz kann kleiner dimensioniert werden.

Moderne Frequenzumrichter für geringe Oberschwingungsgehalte

Wo ein geringer Oberschwingungsgehalt von hoher Bedeutung ist, sollten Anlagenbetreiber also auf Frequenzumrichter setzen, die geringe THDi-Werte gewährleisten. Im Mittelpunkt stehen dabei sogenannte AFE-Frequenzumrichter. AFE bedeutet Active Front-End: eine Technologie zur Gleichrichtung des Stroms, bei der statt Diodengleichrichterbrücken Bipolartransistoren mit isolierter Gate-Elektrode (Insulated Gate Bipolar Transistors, IGBT) verwendet werden. Die Eingangs-IGBTs solcher Frequenzumrichter können besonders präzise gesteuert werden. Diese Fähigkeit bewirkt, dass der aus dem Netz entnommene Strom sinusförmig bleibt: Oberschwingungen werden vermieden und die Spannungskurve nimmt einen nahezu perfekten Sinusverlauf.

Noch ein weiterer Faktor mindert die Auswirkungen von AFE-Frequenzumrichtern aufs Stromnetz: Ein integrierter LCL-Filter (Spule-Kondensator-Spule) vor den Front-End-IGBTs entfernt auch hochfrequente Störungen. Zusammengenommen bewirken diese Technologien, dass THD-Werte von typischerweise 3 Prozent erreicht werden. Zum Vergleich: Bei herkömmlichen Frequenzumrichtern mit integrierter Drossel, einer weit verbreiteten Lösung zur Oberschwingungsbekämpfung, kann der THDi-Wert bis zu 40 Prozent erreichen.

Ultra-Low Harmonic Drives von ABB reduzieren Oberschwingungen

Mit den Ultra-Low Harmonic Drives (ULHD) bietet ABB ein breites Spektrum an Frequenzumrichtern mit AFE-Technologie. Die branchenspezifischen Geräte verhindern die Überdimensionierung von Komponenten wie Generatoren, Transformatoren, Schaltanlagen und Kabeln und können auch bei Modernisierungsprojekten die Überhitzung von Komponenten verhindern. Zudem sorgen sie für saubere Stromnetze mit geringen THDi-Werten und kompensieren Blindleistung. Da Energieversorger für Kunden mit einem hohen Blindleistungsbezug oft Strafgebühren erheben, lassen sich hier zusätzliche Kosten vermeiden.

Durch die Kombination verschiedener fortschrittlicher Technologien bieten Ultra-Low Harmonic Drives von ABB viele Vorteile: Sie

  • senken die Gesamtbetriebskosten,
  • halten das Stromnetz sauber,
  • reduzieren das Risiko von Störungen,
  • können Schäden an den Anlagen verhindern und
  • reduzieren den Platzbedarf bei der Installation.

In einer perfekten Welt der Energieversorgung gäbe es keine Oberschwingungen. Doch auch in der Praxis des betrieblichen Alltags lassen sich die THDi-Werte so weit reduzieren, dass keine Gefahren mehr für das Equipment entstehen und die Netzverschmutzung auf ein Minimum reduziert wird. Durch den Einsatz von Ultra-Low Harmonic Drives handeln Betreiber verantwortungsbewusst und verschaffen sich Vorteile für ihre Kosten und die Sicherheit der Anlage – näher kann man einem perfekten Betrieb kaum kommen.

Wie die Stadtwerke Trier für ein sauberes Stromnetz und hohe Energieausbeute sorgen

Mehr zum Thema Oberschwingungen im Interview mit Florian Groß, Produktmanager Antriebs- und Steuerungstechnik bei ABB Motion.

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