1974: Die Geburtsstunde des elektrischen Roboters

Björn Weichbrodt, der Entwickler des IRB 6, des ersten elektrischen Industrieroboters der Welt für ASEA/ABB.
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Was haben Leonardo DiCaprio, Victoria Beckham, Miroslav Klose und ABB Robotics gemeinsam? Sie alle feiern dieses Jahr ihren 50. Geburtstag. Wie die Stars ihre Geburtstage begehen, wissen wir nicht. Doch für uns ist ein halbes Jahrhundert Robotik-Geschichte ein wunderbarer Anlass für eine kleine Zeitreise. Wir schauen in den kommenden Monaten in unserer Serie „50 Jahre ABB Robotics“ auf fünf Jahrzehnte zurück, in denen sich einiges bewegt hat. Und wir haben mit unseren Innovationen ebenfalls einiges bewegt. Starten wir mit den 70er Jahren.

Die wilden 70er Jahre

Die 70er Jahre waren ein Jahrzehnt des Umbruchs, der Neuerungen. Die Mode wird bunter. Die Haare werden länger. Und Deutschland – genauer gesagt die Bundesrepublik Deutschland – wird Fußballweltmeister. Politisch prägte die Sozial-Liberale Koalition die noch junge Republik. Und musikalisch startete das Disco-Zeitalter. 1974 sorgte eine schwedische Band beim Eurovision Song Contest in Brighton für Furore, als sie mit dem Song Waterloo den Wettbewerb gewann. Der Name der Band: ABBA. Das schwedische Quartett sollte die Popmusik und Popkultur in den Folgejahren prägen.

Fernab der großen Bühne bahnte sich eine weitere Revolution aus Schweden an. Gehen wir in das Jahr 1971 zu ASEA, einem führenden Unternehmen im Bereich Maschinenbau und Elektrotechnik und verantwortlich für das „A“ in der späteren ABB. Der damalige Präsident von ASEA, Curt Nicolin, erkannte das Potenzial von Industrierobotern und wollte ASEA zu einem der führenden Anbieter in diesem Bereich entwickeln.

Hierzu heuerte er den schwedischen Ingenieur Björn Weichbrodt an, der eine Vision hatte: Björn Weichbrodt war von dem Gedanken fasziniert, die neu entstehende Mikroprozessorentechnologie – Intel brachte Anfang der 70er Jahre den ersten Mikroprozessor auf den Markt – auf die Robotik anzuwenden. Die bis dato beherrschenden hydraulischen Roboter waren laut, groß und nicht sonderlich filigran. Innovationen bei der Steuerung und bei Getrieben schufen den Nährboden für einen neuen Ansatz.

Zwischen April 1972 und Februar 1973 arbeitete Weichbrodt mit einem Team von 20 Ingenieuren intensiv an der Umsetzung der Idee, einen Industrieroboter mit Mikroprozessorsteuerung und elektrischem Antrieb zu entwickeln. Und ihre Anstrengungen sollten belohnt werden – sie schrieben Geschichte und starteten eine neue Ära der Industrieautomatisierung. Mit dem IRB 6 hatten sie den ersten mikroprozessorgesteuerten, elektrisch angetriebenen Roboter der Welt entwickelt.

Der IRB 6, der erste elektrische Industrieroboter der Welt von ABB (ASEA).

Der erste elektrische Industrieroboter im Einsatz.

Der IRB 6 spielte eine wegweisende Rolle in einem Jahrzehnt, das geprägt war von wirtschaftlichen Herausforderungen und der damit verbundenen Notwendigkeit, Fertigungsprozesse zu automatisieren und effizienter zu gestalten.

Technologisch zeichnete sich der IRB 6 durch seine kompakte Bauweise, die hohe Beweglichkeit und eine Traglast von immerhin sechs Kilogramm aus. Seine fünf Achsen ermöglichten ihm, komplexe Bewegungen auszuführen und vielfältige Aufgaben wie Schweißen, Materialhandhabung und Lackieren zu bewältigen. Ein Schlüsselelement des IRB 6 war seine fortschrittliche Steuerungstechnik. Die Verwendung eines Mikrocomputers zur Steuerung des Roboters war zur damaligen Zeit eine erhebliche Innovation und ermöglichte eine präzisere und flexiblere Kontrolle.

Björn Weichbrodt - Der Vater des elektrischen Roboters

Eng verbunden mit der Erfolgsgeschichte des IRB 6 ist der erste Kunde und Anwender: Die Firma Magnusson, ein schwedischer Hersteller von Edelstahlrohren. Im Jahr 1973 besuchte Leif Jonsson von Magnusson eine Industriemesse in Stockholm, auf der ASEA einen Prototypen des IRB 6 vorstellte. Lennart Bendz, Vertriebsmitarbeiter bei ASEA und später ABB, erinnert sich, dass Leif Jonsson sofort das Potenzial des neuartigen Roboters erkannte und realisierte, dass der IRB 6 ideal für das unbeliebte, staubige und anstrengende Polieren von Edelstahlrohren ist. Er war begeistert und fragte direkt nach dem Preis.

Der IRB 6, der erste elektrische Industrieroboter der Welt von ABB (ASEA), beim Punktschweißen.

Der IRB 6 beim Bahnschweißen.

Das ASEA-Team war überfordert – es gab weder eine Preisliste noch ein Preismodell. Doch schließlich einigten sich Anbieter und Kunde. Und Anfang 1974 war es dann so weit: Magnusson nahm die erste Produktions-Einheit in Betrieb. Bis 1976 sollten noch drei weitere Roboter folgen, die über 30 Jahre ihren Dienst verrichteten.

Und läuft und läuft und läuft: Die Firma Magnusson investierte in den 70er Jahren in vier IRB 6 Roboter. Ein Video von 2012 zeigt: Die gleichen vier Roboter sind immer noch fleißig dabei, Rohrbögen zu polieren – unglaubliche 36 Jahre später.

Trotz des anfänglichen Erfolgs des IRB 6 im Bereich der feineren Aufgaben blieb das Punktschweißen vorerst in der Hand hydraulischer Roboter. Dies änderte sich 1975 mit der Einführung des IRB 60, der dem IRB 6 ähnelte, aber für schwerere Lasten von bis zu 60 kg konzipiert war. Der erste IRB 60 wurde vom schwedischen Automobilhersteller Saab für das Punktschweißen von Karosserien verwendet.

Der IRB 60, einer der ersten elektrischen Industrieroboter, beim Punktschweißen.

Der IRB 60 beim Punktschweißen.

Das endgültige Aus für den hydraulischen Punktschweißroboter kam 1982, als ASEA den eigens für das Punktschweißen entwickelten IRB 90 einführte. Hierbei handelte es sich um eine vollständige Sechsachs-Maschine mit in den Arm integrierten Versorgungsleitungen für Wasser, Luft und Strom. Doch dazu mehr im Beitrag über die 80er Jahre.

Weitere Infos über unsere Geschichte gibt es hier.