Hier scheint sich die externe Bedrohungslage zu verschärfen. Wie sehen Sie die Entwicklung der Cybersecurity in nächster Zeit?
15 Millionen Meldungen zu Schadprogramminfektionen in Deutschland hat das BSI 2022 an deutsche Netzbetreiber übermittelt – Tendenz steigend. Cybersecurity ist für Unternehmen heute ein essenzieller Baustein ihrer Sicherheitsarchitekturen.
Mit dem IT-Sicherheitsgesetz IT-SIG 2.0 macht auch der Gesetzgeber klare Vorgaben. Für Betreiber kritischer Infrastrukturen, was fast alle Unternehmen in Energie, Gas, Wasser betrifft, gilt: Ab Ende April 2023 muss eine Angriffserkennung aktiv sein. ABB unterstützt Betreiber mit Services dabei, Cybersecurity für ihre Produktionsstätten einzuführen und auszubauen. Dabei bietet ABB nicht nur Basissicherheit in Form von Antivirus-Programmen oder Patches für Prozessleitsysteme. Kunden erhalten darüber hinaus Informationen, wie sicher ihre Anlage in allen Bereichen ist, und Systeme für Backups, Patches, Asset Monitoring des Netzwerks, Angriffserkennung und vieles mehr – ganzheitlich und mit einer Oberfläche, dem Cyber Security Workplace.
Neben solchen strukturellen Aspekten spielen Daten eine immer größere Rolle – etwa beim Process Mining. Wie unterstützt die Methode Anlagenbetreiber?
Sowohl bei Batch- als auch bei kontinuierlichen Prozessen sind optimale Fahrweisen die Voraussetzung, damit die Produktionsqualität auf gleichbleibend hohem Niveau bleibt und Ausschuss vermieden wird. Beim Process Mining identifiziert künstliche Intelligenz relevante Parameter für den Prozess, erkennt kritische Abweichungen, geht flexibel auf schwankende Rohstoffqualitäten ein und versetzt den Anlagenfahrer in die Lage, jede Charge zum Golden Batch zu machen.
Mit ABB Ability BatchInsight bieten wir ein System für die Chargenverarbeitung, das durch die Kenntnis vergangener Chargen das sich aktuell in der Produktion befindliche Batch optimiert. Zeitverzögerungen werden dabei per Mustererkennung herausgerechnet, um Chargen vergleichbar zu machen und in der Folge automatisch Idealkurven für die besten Rezepturen und Prozesse zu finden. Entstehende Effizienzgewinne erhöhen die Wettbewerbsfähigkeit der Anlage – und des Betreibers.
Trotz der Unterstützung durch KI fehlt Betreibern aber immer häufiger geschultes Personal. Kann Knowledge Management diese Engpässe abfedern?
AI-Augmented Operator Assistance, also die Unterstützung des Bedienenden durch künstliche Intelligenz, ist der Schlüssel für erhöhte Effizienz – und eine Antwort auf Fachkräftemangel und Mitarbeitende, die in den Ruhestand gehen. Effektives Knowledge Management wird für Unternehmen unverzichtbar, um die Auswirkungen des aktuell stattfindenden Generationswechsels abzufedern.
Wissen, das der gesamten Belegschaft einfach und ohne Hürden bereitgestellt wird, kommt allen zugute. Besonders aber bei der Übergabe an die nächste Bedienergeneration oder der Auslagerung an Subunternehmer helfen unsere Systeme, die Erfahrung scheidender Generationen zu konservieren oder zumindest zum Teil durch künstliche Intelligenz zu kompensieren. So zeigen z.B. dynamische Toleranzbänder für wichtige Parameter der Produktion optimale Arbeitspunkte an . Basierend auf historischen Daten erhalten Anlagenfahrer Vorgaben, innerhalb welcher Kurve ein Parameter im Verlauf der Verarbeitung liegen muss, damit das gewünschte Ergebnis erzielt wird. Basierend auf diesen Erkenntnissen können Mitarbeiter dann von Hand nachsteuern. Sogar automatische Korrekturen sind möglich. So kommt man der automatischen Fahrweise bzw. einer Autonomie der Anlage schon deutlich näher. Ähnliche Formen der Unterstützung durch KI sind auch für die Wartung und Instandhaltung von Anlagen möglich.
Lassen Sie uns zum Schluss abseits von bestehender Infrastruktur noch auf Neue Anlagen blicken. Wie können Unternehmen neue Anlagen schneller und effizienter planen, bauen und in Betrieb nehmen?
Hier geht der Trend eindeutig zum modularen Anlagenbau mit Module Type Package. Als wandlungsfähige Produktionsplattformen verkürzen MTP-Anlagen die Bauzeiten, vereinfachen Umbauten und Wartungsarbeiten und machen die Produktion schneller und flexibler. In Projektabwicklung und Engineering bringt ABB Adaptive Execution™ Flexibilität und Agilität in Planung, Bau und Betrieb. Es vereinfacht das Engineering, die nötige Hardware für Steuerung und Automatisierung und entkoppelt das Software-Engineering von der Hardware.
Bei Neubauten ebenso wie bei Umrüstungen stellt der Schaltschrankbau einen bedeutenden Zeitfaktor darstellt. Zudem sind Controllerzentrische Leitsystemarchitekturen höchst unflexibel und verstärken diesen Faktor noch. ABB hat eine neue I/O-Familie einschließlich Engineering-Tools und Methodiken entwickelt, die die Effizienz von Automatisierungsprojekten deutlich erhöhen: Mit Select I/O können Anlagen vorab simuliert und konfiguriert werden, die I/O-Module müssen erst am Projektende belegt und softwareseitig verknüpft werden.
Während die physische Anlage aufgebaut und mit Standardschränken bestückt wird, können Engineering und Aufbau parallel laufen, da erst zum Schluss die Signale mit den Controllern verbunden werden. Das Ergebnis ist eine deutlich höhere Flexibilität und damit eine erhebliche Zeitersparnis während der Inbetriebnahme
Für alle angesprochen Herausforderungen ist Digitalisierung die Lösung. Mit Trends wie Process Mining, Knowledge Management und Simultaneous Engineering bieten wir digitale Lösungen für alle Bereiche der Automatisierung und unterstützen unsere Kunden im Streben nach Flexibilität, Effizienz und beim Treffen besserer Entscheidungen.