Sehen Sie andererseits die Gefahr, dass der Verbrauch durch den Gedanken aus dem Blick gerät, dass die nötige Energie durch die Elektrifizierung ja ohnehin „grün“ wird?
Der Verbrauch bekommt zumindest oft immer noch nicht die Aufmerksamkeit, die er verdient. Ich sehe zwei Aspekte. Erstens: Wer weniger Energie verbraucht, kommt mit derselben Batteriekapazität weiter. Zweitens: Um die Dekarbonisierung der Industrie zu erreichen, ist höchste Energieeffizienz unverzichtbar. Wir müssen deshalb alle Bereiche auf Möglichkeiten überprüfen, den Verbrauch zu senken. Um darauf aufmerksam zu machen, hat ABB die Energieeffizienz-Initiative ins Leben gerufen.
Bei der Elektrifizierung schwerer Nutzfahrzeuge zeigt sich diese Ambition in allen Bereichen. Die eingangs erwähnten Lithiumtitanat-Batterien erzeugen durch einen geringen Innenwiderstand beispielsweise weniger Verluste in der Batterie selbst. Auch die eingesetzten Frequenzumrichter entwickeln wir kontinuierlich weiter. Unser neu entwickelter Drei-Level-Umrichter für Baufahrzeuge, Elektrobusse und weitere Anwendungen reduziert die Verluste durch harmonische Oberschwingungen im Elektromotor sehr effektiv, nämlich um bis zu 75 Prozent. Das erhöht die Effizienz des Motors erheblich und führt außerdem dazu, dass der gleiche Motor mit einer höheren Leistung betrieben werden kann.
Lassen Sie uns zum Abschluss in die Zukunft blicken: Wird die Elektrifizierung der Industrie 2050 erledigt sein?
Ich glaube, wir werden in diesem Zeitraum in allen Bereichen der Industrie noch sehr viele Fortschritte machen. In der Zukunft werden sich immer neue Projekte ergeben, die wir heute noch gar nicht absehen können: bei der Energieeffizienz, aber auch bei der Ressourcenschonung in Fertigung und Betrieb.
Um den Umfang der Möglichkeiten zu erkennen, lohnt sich der Blick in die andere Richtung: Viele Entwicklungen, die wir heute als selbstverständlich sehen, waren vor 30 Jahren noch gar nicht vorhersehbar. Deshalb ist es uns wichtig, dass wir Entwicklungen nicht nur vorantreiben, sondern auch frühzeitig erkennen und bewerten können. Was Batterien angeht, überprüfen wir daher in unserem Forschungszentrum in der Schweiz neue Zellchemien auf ihre Eigenschaften. So können wir schnell die Technologien identifizieren, die uns beim Einsatz in Fahrzeugen wirklich weiterbringen. In diesem Sinne bin ich für Technologieoffenheit – mit dem gebotenen kritischen Blick und einer eigenständigen Bewertung.