Mission Possible: NASA nutzt ABB-Technologie im neuen Windkanal

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Die EVG Lufttechnik GmbH (EVG) entwickelt und fertigt Lüftungsanlagen und Industrieventilatoren. Als Ein-Mann-Betrieb in der Nähe von Stuttgart gegründet, hat sich EVG in den letzten 40 Jahren zu einer international agierenden Unternehmensgruppe mit etwa 150 Beschäftigten entwickelt. Neben Ventilatoren für Industrieanwendungen hat das Unternehmen auch Systeme für Windkanalanwendungen, Indoor-Skydiving-Windtunnel, Prüfstände für die Formel 1 und Fahrtwindgebläse im Portfolio. Die Ventilatoren können bei sehr hohem Wirkungsgrad und niedrigen Schallwerten Luftgeschwindigkeiten in der Flugkammer von weit über 300 km/h erreichen. Doch wer bei Ventilatoren an Geräte mit üblichen Industriemaßen denkt, wird bei den Ventilatoren der EVG überrascht sein. Denn die Geräte des Unternehmens aus Eberdingen-Hochdorf können einen Durchmesser von mehreren Metern haben.

Ventilatoren: Herzstück des Windkanals

Die EVG-Spezialisten wurden vor eine besondere Herausforderung gestellt, als sie einen Auftrag aus den USA erhielten. Das Ziel des Auftrags war es, das Herzstück eines großen Windkanals namens Flight Dynamics Research Facility (FDRF) für das NASA Langley Research Center in Hampton, Virginia zu liefern. Konkret ging es um die Lieferung der Ventilatoren samt Frequenzumrichter. Der FDRF wird den Forschern eine äußerst vielseitige und kosteneffiziente Möglichkeit bieten, Forschungs- und Technologieentwicklungsarbeiten durchzuführen, die verschiedene NASA-Missionen unterstützen, darunter Luft- und Weltraumforschung sowie Wissenschaft.

Die vier Axialventilatoren, die von EVG für den FDRF bereitgestellt werden, sind von entscheidender Bedeutung. Sie gehören zu einer neuen Baureihe von EVG mit einem Durchmesser von 4,25 m und einer Antriebsleistung von je 560 kW. Ähnlich wie die Skydive-Modelle von EVG sind auch diese Ventilatoren mit Carbonflügeln ausgestattet. Dank der leichten Flügel kann das breite Leistungsspektrum, das für den FDRF gefordert wird, gewährleistet werden. Veränderungen der Drehzahl sind innerhalb kürzester Zeit möglich. Das Design wurde jedoch auf die horizontalen Anforderungen des Windkanals angepasst, im Gegensatz zu den vertikalen Skydive-Ventilatoren.

Die mächtigen Carbon-Axialventilatoren einer neuen Baureihe von EVG Lufttechnik haben einen Durchmesser von 4,25 m. (Bild: ABB)

Größtes Projekt der Firmengeschichte

Rainer Strobel, Account Manager bei der EVG und unter anderem verantwortlich für den Vertrieb und die Projektierung (technische Auslegung) von Industrieventilatoren sowie für das Projektmanagement, erläutert den Aufbau des Windkanals wie folgt:

„Es handelt sich um eine vertikale Flugkammer mit einem Luftstrom von unten nach oben. Die Luft wird in einem geschlossenen Kreislauf gefördert. Im unteren horizontalen Ast befinden sich die Ventilatoren – zwei auf der West- und zwei auf der Ostseite. Die Luft wird über Umlenkbleche in die Kammer geleitet, die gleichzeitig auch dafür sorgen, dass darin ein möglichst homogener Luftstrom erreicht wird. Dieses Projekt ist das größte in der EVG-Firmengeschichte. Wir können stolz darauf sein, mit unserem relativ kleinen Unternehmen den Zuschlag dafür erhalten und es in der Kürze der Zeit mit allen technologischen Herausforderungen gemeistert zu haben.“

Jeder einzelne Ventilator stellt einen Volumenstrom von bis zu 400 m³/sec zur Verfügung. Insgesamt erbringen die vier Ventilatoren eine maximale Leistung von 1.600 m³/sec bzw. von 5,76 Millionen m³/h. Die großen Axialventilatoren mit Carbon-Flügeln werden auch in Skydive- und Windtunnel-Anlagen eingesetzt. Neben einer hohen Leistungsfähigkeit und betrieblichen Flexibilität zeichnen sie sich durch eine extreme Laufruhe aus.

Leistungsstarker Mittelspannungsantrieb

Die Ventilatoren haben eine Leistung von jeweils 560 kW. Diese ist notwendig, um den inneren Druckverlust in der Kammer überwinden zu können, der sich durch die Luftumlenkung ergibt. Der erforderliche leistungsstarke Antrieb für die vier Ventilatoren kommt von ABB Motion. ABB liefert seit 2019 die Antriebe für die Carbon-Ventilatoren des Unternehmens. Für dieses Projekt hat EVG zum ersten Mal Mittelspannungsantriebe bei ABB geordert.

Der Auftrag von EVG brachte für ABB Motion eine weitere Premiere mit sich. Zum ersten Mal konnte ein Mittelspannungs-Frequenzumrichter ACS2000 in US-Ausführung in Deutschland verkauft werden. Die Lieferung an EVG umfasst vier ACS2000 (4.160 V, 560 kW) in der NEMA-Version mit AFE (Active Front End) und DTL (Direct-to-Line-Verbindung) für den 4Q-Betrieb. Zudem sind vier Hochspannungsmotoren AXR450MN8 (560 kW, 4,16 kV, 550 U/min) in der Lieferung enthalten.

Die ABB-Hochspannungsmotoren müssen extrem kurze Beschleunigungs- und Bremszeiten realisieren können. (Bild: ABB)

Warum sich EVG bei diesem Projekt für Antriebstechnik von ABB entschieden hat? Die, Antwortet auf die Frage liefert Rainer Strobel:

„Die Zusammenarbeit zwischen ABB und EVG hat sich bewährt. Technologisch war auch entscheidend, dass ABB den gesamten Mittelspannungsantrieb, bestehend aus Motor und Frequenzumrichter, liefern kann, mit dem die erforderlichen Zyklus-Anforderungen erfüllt werden.“

EVG-Account Manager Rainer Strobel ist mit der Zusammenarbeit mit ABB zufrieden. (Bild: ABB)

Leistungsfähige Motoren und Frequenzumrichter von ABB ermöglichen erfolgreiche Abnahmetests im neuen Windkanal der NASA

Die Motoren sind zentral in den Ventilatoren verbaut und umkapselt, um den Wind ohne Widerstand passieren zu lassen. Zur Kühlung verfügen die Motoren über separate Kühlventilatoren. Aufgrund der Testzyklen, die auf dem Windtunnel durchgeführt werden, müssen die Motoren sehr kurze Beschleunigungs- und Bremszeiten haben. Beispielsweise müssen die Ventilatoren innerhalb von 5 Sekunden von der Standby-Leerlauf-Drehzahl auf eine vorgegebene Testgeschwindigkeit beschleunigt werden können.

Der Mittelspannungs-Frequenzumrichter AC2000 wurde für den Abnahmetest extra aus den USA in das EVG-Werk geliefert. (Bild: ABB)

Die benötigten Motoren wurden im ABB-Werk in Helsinki gebaut, während die Mittelspannungs-Frequenzumrichter ACS2000 mit einer Spannung von 4.150 V aus dem Werk in New Berlin (Wisconsin/USA) stammen. Für den Abnahmetest im Januar 2023 wurde auf dem Betriebsgelände von EVG in Hochdorf ein Generator und ein Transformator angemietet, um den Antrieb unter realen Bedingungen zu testen. Einer der vier ACS2000 aus den USA wurde auch ins EVG-Werk geliefert, um die Gesamteinheit aus Ventilator und Antriebstechnik über den vollen Leistungsbereich testen zu können.

ABB Motion hat mit einem Spezialistenteam an dem Abnahmetest teilgenommen. (Bild: ABB)

Die Ventilator-Antriebs-Kombination konnte im Abnahmetest ihre Leistungsfähigkeit bei verschiedenen Testfahrten unter Beweis stellen. Mit ihrer Hilfe kann die NASA in naher Zukunft nützliche und wichtige Erkenntnisse in ihrem neuen Windkanal gewinnen. Der Bau der Flight Dynamics Research Facility wird voraussichtlich Ende 2024 abgeschlossen sein.

Über EVG Lufttechnik

EVG Lufttechnik ist im Bereich der Entwicklung und Fertigung von Industrieventilatoren tätig. Das Unternehmen entwickelt und produziert leistungsfähige Radial- und Axialventilatoren für unterschiedliche Anwendungen, die zur Wirtschaftlichkeit und Prozesssicherheit in Maschinen, Anlagen, Hoch- und Tiefbauten beitragen. EVG-Radialventilatoren decken ein Volumenstromspektrum von 100 m³/h bis circa 1 Million m³/h ab, bei Axialventilatoren sind es 500 m³/h bis circa 2 Millionen m³/h. Sie bieten dadurch ausreichend Spielraum für Lösungen auch in der großvolumigen Lüftungstechnik.