Roboter so einfach wie ein Smartphone nutzen

Katja Butterweck, Leiterin des ABB Cobot Inkubator-Team im Testlabor.
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Intro

Von der Praktikantenstelle zur Leitung eines globalen Teams in nur acht Jahren? Was nach einem etwas unrealistischen Drehbuch eines Spielfilms klingt, ist für Katja Butterweck Realität. Sie wurde im Studium auf ABB Robotics aufmerksam und bewarb sich für ein Praktikum. Heute leitet die 35-Jährige ein weltweites Inkubator-Team mit Sitz in Gilching. Wie es zu dieser beeindruckenden Karriere kam und welche Rolle ein Cobot bei ihrer Hochzeit spielte, erklärt die Maschinenbauingenieurin im Gespräch mit unserem Redaktionsteam. 

Wie müssen wir uns Ihren Einstieg in die Welt der Robotik vorstellen. War dies schon immer Ihr Traumberuf?

Ich kam ehrlich gesagt über Umwege in die Robotik. Bereits in der Schule lagen mir die naturwissenschaftlichen Fächer. Vor allem Mathematik und Physik haben mich fasziniert. Da stand für mich fest, dass ich ein Studium in diese Richtung wählen werde. Bei den Saturday Morning Physics – einem Angebot der TU Darmstadt für Physikinteressierte – wurde mir aber klar, dass Physik zwar spannend ist, doch teilweise sehr abstrakt. Ich wollte etwas Greifbareres und habe mich dann für ein Maschinenbaustudium entschieden. Das Interessante an dem Studium ist, dass zunächst keine Richtung vorgegeben wird und das Studienspektrum sehr vielfältig ist. So lernte ich die Grundlagen der Technischen Mechanik, der Thermodynamik, Konstruktion-, Fertigungs-, Werkstoff und Regelungstechnik 

Und wie wurden Sie auf das Thema Robotik und ABB aufmerksam?

Ich hatte zunächst im Studium das Thema Robotik nicht auf dem Schirm. Doch durch mein VDIElevateStipendium wurde ich auf ABB und Robotik aufmerksam, denn ABB war eines der Partnerunternehmen für Praktikumsplätze. ABB und Robotik haben mich sofort begeistert. Ich entschied mich, mein studienbegleitendes Praktikum bei ABB in Friedberg zu absolvieren. Seither bin ich von Robotik fasziniert. Nach dem Studium stieg ich dann direkt als Applikations-Ingenieurin bei ABB ein. In dieser Phase war ich bereits in den Launch von YuMi involviert – mein Einstieg in die Welt der Cobots. 

2014 sind Sie bei ABB gestartet – acht Jahre später leiten Sie den globalen Inkubator für Cobots. Wie kam es zu dieser Traumkarriere?

Man muss sagen, dass ABB einiges für die Entwicklung der Mitarbeitenden macht und immense Chancen bietet. Ich bin generell ein sehr neugieriger und wissbegieriger Mensch. Mich reizen Herausforderungen und neue Aufgaben. Nach einem 4-monatigen Einsatz in China wurde der Inkubator rund um das Thema Cobots neu gegründet. Ich wechselte intern von Friedberg nach Gilching und war als Gründungsmitglied von der ersten Sekunde beim Inkubator dabei. Während dieser Zeit habe ich berufsgleitend meinen MBA gemacht und somit mein technisches Wissen um betriebswirtschaftliches Know-how erweitert. Damit konnte ich innerhalb des Inkubators ins Produktmanagement wechseln – ein perfekter Ort, um Technik und Betriebswirtschaft zusammenzubringen. Als unsere damalige Chefin in Elternzeit ging, ergab sich für mich die Möglichkeit, die Teamleitung zu übernehmen. Seither leite ich ein diverses, internationales und leistungsstarkes Team.  

Reden wir über Ihre aktuelle Tätigkeit: Was machen Sie und Ihr Team genau?

Wir antizipieren Trends in der Welt der Roboter und arbeiten daran, wie die heutigen und nächsten Generationen der kollaborativen und industriellen Roboter für jeden zugänglich gemacht werden können. Doch das geschieht nicht im Elfenbeinturm, sondern im engen Austausch mit Kunden und anderen ABB-Teams rund um die Welt. Wir schauen den Anwendern buchstäblich auf die Finger, wenn sie existierende Produkte oder Prototypen nutzen. Unser Usability Lab in Gilching hat – ähnlich wie in einem Verhörraum im Krimi – eine verspiegelte Wand. Hinter der können wir – abgesprochen mit dem Kunden, aber ohne sie zu stören – beobachten, wie User mit Cobots interagieren. An dem Verhalten lernen wir, wie wir Roboter noch nutzerfreundlicher machen können und müssen.

Katja Butterweck, Leiterin des ABB-Cobot-Inkubators in Gliching bei München.

Wir laden bewusst auch Leute aus Bereichen – etwa Apotheke oder Handwerk – ein, die noch keinen Kontakt zu Cobots hatten, geschweige denn einen Roboter geführt haben. Diese Beobachtungen und Erkenntnisse sind äußerst lehrreich und fließen direkt in die zukünftige Entwicklung ein. Das kann keine Simulation leisten. So dachten wir etwa, dass die Steuerung per Sprache – wie man es von Alexa und Siri kennt – auch etwas für die Cobot-Steuerung sein könnte. Doch die Usertests zeigten, dass die Sprachsteuerung mit Befehlen wie „etwas mehr links, nein, doch etwas mehr nach rechts“ weniger zielführend sind als das manuelle Führen des Cobot-Arms. Ease-of-Use – die einfache Nutzung – ist neben der Sicherheit die oberste Maxime unsere Arbeit und eine Art roter Faden unseres Handelns. Mein Credo: ein Roboter muss so einfach und intuitiv nutzbar sein wie ein Smartphone. 

Die Entwicklung ist dabei nicht auf ABB limitiert. Zuletzt haben wir aus unserem Team heraus ein neues, globales Programm für Partner gestartet, dass z.B. Greifer- oder Kameraherstellern erlaubt, ihre Produkte perfekt für unsere ABB-Roboter vorzubereiten. Ein Roboter braucht ja in der Regel immer Zubehör wie einen Greifer für seine finalen Aufgaben – d.h. es reicht auch nicht, wenn nur der Roboter einfach benutzbar ist. 

Gilching, nahe München, ist nicht nur eine lebenswerte Stadt mit ausgezeichneter Infrastruktur und Anbindung, sondern auch ein stolzer Wirtschaftsstandort mit Tradition in der Luft- und Raumfahrtindustrie und einer wachsenden Präsenz in der Hightech-Branche. Und die Heimat des globalen ABB-Inkubators für kollaborative Roboter.

Können Sie über Trends sprechen, die die Cobot-Entwicklungen prägen werden?

Nicht sonderlich überraschend ist auch für uns Künstliche Intelligenz ein prägendes Thema. Bereits heute nutzen wir Vision-Systeme, also Bildererkennung, um etwa kleinste Kratzer zu erkennen und Schlechtteile von Gutteilen zu trennen. Die Systeme lassen sich extrem zuverlässig trainieren und sind deutlich besser und akkurater als der Mensch. Doch gibt es auch noch Grenzen der KI. Und zwar immer dann, wenn es um Sicherheit geht. Denn was die Industrie nur begrenzt akzeptiert, ist eine Blackbox wenn es um Sicherheit geht. Doch KI-Algorithmen sind noch zu weiten Teilen eine Blackbox. Wir wissen nicht, weshalb ein Greifer ein bestimmtes Teil aus einem Karton exakt in diesem Winkel nimmt. Die Frage ist: Wieviel müssen wir darüber wissen, wie ein Cobot eine gewisse Tätigkeit genau umsetzt? Und inwieweit ist diese Tätigkeit vorhersehbar? Oder: Können wir Sicherheitssysteme separat im Hintergrund laufen lassen? 

Ein weiteres Trendthema, das uns die nächsten Jahre beschäftigen wird, ist das Thema Daten und Data Analytics. Uns treibt etwa die Frage, wo wir gute und ausreichende Daten haben bzw. wo es genügend externe Daten gibt, die wir einbeziehen können. Hier stößt die Robotik noch an Grenzen. Denn obwohl wir sehr viele installierte Roboter haben, reichen die Datenmengen nicht immer aus, um belastbare Aussagen zu machen. Das heißt, wir müssen die Daten clever kombinieren. Daraus ergeben sich neue Geschäftsmodelle und Services. 

Ein wichtiger Trend in der Robotik ist auch, dass die einfache Benutzung nicht bei Cobots Halt macht, sondern auch gerade begonnen hat die Welt der industriellen Roboter zu revolutionieren. ABB ist hier mit dem gesamten Portfolio sehr gut vorbereitet. 

Und welchen Ratschlag würden Sie Studierenden geben?

Seid neugierig und bleibt offen für neue Ideen, da Flexibilität in einer sich schnell wandelnden Welt essentiell ist. Betrachtet Fehlschläge als Gelegenheiten zu lernen und nicht als reine Rückschläge. Vernetzt euch und sucht aktiv nach unterschiedlichen Perspektiven, denn echte Innovation entsteht oft an Schnittstellen verschiedener Disziplinen. Nutzt Technologie bewusst und ethisch, und erinnert euch, dass im Zeitalter der Automatisierung eure kreativen und emotionalen Fähigkeiten von großem Wert sind. Und vor allem, genießt eure Studienzeit – es ist auch eine Zeit für persönliches Wachstum und Entwicklung! Macht, was euch Spaß macht und antreibt – nur so werdet ihr glücklich und erfolgreich.