Effizienzsteigerung in der Lebensmittel­industrie: Manche Motoren sind zu alt für ein Effizienz-Label

Ferhat Adivar, Sales Specialist Food & Beverage im Geschäftsbereich Motion
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Steigende Energiekosten, hohe Anforderungen an die Hygiene, Bevölkerungswachstum: Der Lebensmittelindustrie mangelt es nicht an Herausforderungen. Wie sie gelöst werden können und wie ABB die Betreiber im Streben nach Energieeffizienz und Kostensenkungen unterstützt, erklärt Ferhat Adivar, Sales Specialist Food & Beverage im Geschäftsbereich Motion.

Herr Adivar, Sie sind spezialisiert auf die Lebensmittel- und Getränkeindustrie. Welche Entwicklung stellt für die Branche aktuell die größte Herausforderung dar?

Aktuell ist die größte Herausforderung der Kostendruck durch die steigenden Energiepreise. Dabei muss man bedenken, dass die Lebensmittelindustrie einer der energieintensivsten Industriezweige ist, den es gibt – sie verbraucht laut der Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen ungefähr 30 Prozent der weltweiten Energieressourcen. Entsprechend hoch ist mit circa 20 Prozent übrigens auch der Anteil an den Treibhausgasemissionen.

Kann man genauer identifizieren, wodurch dieser hohe Verbrauch entsteht?

Einer der größten Verbraucher in der Industrie sind elektrische Antriebe – also die Motoren. Und damit ist auch gleich ein großer, aber immer noch zu wenig genutzter Hebel zur Kostensenkung identifiziert. In der Industrie sind noch viele Motoren der Energieeffizienzklasse 1 oder 2 in Betrieb, die über 30 Jahre alt sind. Manche Motoren im Bestand sind so alt, dass sie gar kein Effizienz-Label haben. Mit unserem Synchronreluktanzmotor bieten wir eine Lösung mit der höchsten Energieeffizienzklasse IE5, die im Vergleich mit IE3 den Energieverbrauch um bis zu 40 Prozent senken kann.

Schreibt die EU nicht seit 2023 ohnehin die Effizienzklasse IE4 vor?

Doch, aber diese Regelung gilt nur für neu in Betrieb genommene Motoren und nicht für den Bestand. Hinzu kommt, dass IE5-Motoren selbst im Vergleich mit IE4 immer noch 20 Prozent Einsparpotenzial haben. Es lohnt sich also immer, den Maschinenpark auf den neuesten Stand der Technologie zu bringen – auch mit Blick auf den Return on Investment. Schließlich machen die Energiekosten weit über 90 Prozent der gesamten Lebenszykluskosten eines Motors aus, die Anschaffung amortisiert sich also sehr schnell.

Wie sieht es abgesehen von Motoren aus? Auch für Heiz- und Kühlprozesse muss viel Energie aufgewendet werden.

Durchaus, aber auch dafür haben wir bei ABB Lösungen. Elektrisches Heizen mit Thyristorstellern kann Ressourcen wie Gas ersetzen und so nicht nur die Effizienz und Genauigkeit erhöhen, sondern auch die CO2-Emissionen erheblich reduzieren bzw. beim Heizprozess selbst sogar komplett vermeiden.

So haben wir in einem kürzlich erfolgreich abgeschlossenen Projekt bei einem Kunden aus dem F&B-Segment eine Gas-Applikation auf elektrisches Heizen umgestellt. Dabei ging es um zwei Megawatt an elektrischer Leistung, was illustriert, über welche Einsparpotenziale wir hier sprechen. Zumal sich das Prinzip auf verschiedenste andere Bereiche in der Branche übertragen lässt. Viele Betreiber sind für solche Entwicklungen inzwischen sehr offen.

Ferhat Adivar, Sales Specialist Food & Beverage im Geschäftsbereich Motion

Trifft das auch auf die Digitalisierung zu?

Auf jeden Fall! Zumal auch Digitalisierung ein sehr wichtiges Werkzeug ist, um energieeffizienter und nachhaltiger zu operieren. Außerdem werden Technologien wie intelligente Sensorik, Cloud Computing und Kommunikation immer günstiger. Eine Herausforderung ist der Mangel an Fachpersonal und Know-how. ABB unterstützt Betreiber deshalb mit vielen Expertinnen und Experten. Wir nehmen unsere Kunden bei der Hand und begleiten sie auf ihrem Weg in die Digitalisierung.

In einem weiteren abgeschlossenen Projekt haben wir beispielsweise eine komplette Produktionslinie digitalisiert. Gepaart mit Energiemonitoring spart der Kunde dadurch bis zu 30 Prozent seines Energieverbrauchs. Auch deshalb ist Digitalisierung in der Branche ein Riesenthema. Ich gehe davon aus, dass hier durch gerade in der Entwicklung befindliche Cloud-Lösungen mit Künstlicher Intelligenz in den nächsten Jahren noch weitere große Entwicklungsschritte auf uns alle zukommen werden.

Das Schöne an den Digitalisierungsangeboten von ABB ist, dass jeder Betreiber mit kleinen Bausteinen anfangen kann, die skalierbar sind und aufeinander aufbauen. Man muss nicht gleich die ganze Welt verändern. Wie eingangs gesagt: Schon, wenn man nur die Antriebe wechselt, kann man jede Menge bewegen.

Aktuell gibt es in der F&B-Industrie einen gewissen Investitionsstau. Woher kommt er und welche Rolle spielt das dabei?

Hier spielen viele Faktoren eine Rolle wie die aktuelle Marktlage oder politische Entwicklungen. Viele Unternehmen warten ab, wie sich die Dinge entwickeln. Das betrifft längst nicht nur die Lebensmittelbranche. Ich bin aber optimistisch, dass Ende dieses Jahres möglicherweise wieder mehr Investitionen ausgelöst werden.

Beständigkeit herrscht hingegen beim Thema Lebensmittelsicherheit. Wie unterstützt ABB ihre Kunden in diesem Bereich?

Die Hygieneanforderungen und gesetzlichen Vorgaben sind zu Recht hoch, schließlich darf man bei Lebensmittelsicherheit keine Kompromisse eingehen. Konkret heißt das zum Beispiel, dass Produktionsanlagen regelmäßig mit Hochdruck und hohen Temperaturen gereinigt werden. Dem müssen Komponenten wie Motoren standhalten. Motoren von ABB für die Lebensmittelindustrie sind speziell für solche Washdown-Umgebungen und nach den Konstruktionsprinzipien für hygienisches Design konzipiert.

Welche Herausforderungen wird die nähere Zukunft für Betreiber bringen?

Die Weltbevölkerung wird bis zum Jahr 2050 auf fast zehn Milliarden Menschen ansteigen. Für die Lebensmittelindustrie ist das eine riesige Herausforderung, denn all diese Menschen müssen nachhaltig und sicher mit Nahrung versorgt werden. Umso größer ist die Bedeutung von Energieeffizienz, denn bei wachsender Produktion muss der Energieverbrauch gleichzeitig zwingend gesenkt werden. ABB bietet dafür die passenden Technologien und umfangreiche Beratung, um diese Ziele zu erreichen.