Strom statt Sprit – wo bringt E-Mobility die Mobilitätswende voran?

Gefällt mir
Bookmark
Intro

Zu einer klimafreundlichen Mobilität gehört mehr, als nur den Verbrenner-Pkw vor der eigenen Haustür unter die Lupe zu nehmen. Auch Lkw, Transporter, Busse, Schienenverkehr, Maschinen für Bau-, Land- und Forstwirtschaft oder Schiffe müssen unabhängiger von fossilen Brennstoffen werden. Bevor E-Mobility aber quer durch Europa attraktiv und erschwinglich sein kann, sind verschiedenste Hindernisse zu meistern. Wo die betroffenen Branchen aktuell stehen und welche Technologien für die Mobilitätswende wichtig sind, zeigen unsere ABB-Experten in diesem Beitrag.

Um sich überhaupt auf das Experiment „Strom statt Sprit“ einzulassen, sind Reichweite, Ladeinfrastruktur, Ladezeit und Anschaffungskosten für private wie öffentliche Nutzer nach wie vor entscheidend. Diese Kriterien in verkaufsfähige Fahrzeuge, ein ausreichendes Ladenetz und entsprechendes Lademanagement (smart charging) zu verwandeln, fordert die Hersteller und Anbieter allerdings immer noch heraus. Dazu kommt: Allein die Herstellung der Batterien verschlingt große Mengen an Energie und Ressourcen. Der Ökofaktor über den gesamten Lebenszyklus eines Fahrzeugs schlägt also erst richtig durch, wenn Strom oder Wasserstoff selbst umweltfreundlich erzeugt werden. Gleichzeitig fehlt es noch an allen Ecken und Enden, um schnell, einfach und zuverlässig mit Ökostrom aufladen zu können. Der Ausbau erneuerbarer Energien und die Anpassung des Stromnetzes sind demnach elementare Voraussetzungen für die Mobilitätswende.

Abgesehen von der Elektrifizierung der Fahrzeugflotten gehört zur Mobilitätswende aber auch, mehr Strecken per elektrifiziertem ÖPNV, mit dem Fahrrad oder zu Fuß zurückzulegen. Da der Mensch dafür seine Routinen ändern muss, wird das nur gelingen, wenn das Angebot entsprechend gut vernetzt, komfortabel, sicher und kostengünstig ist. Hier ist abgesehen von den gesetzlichen Klimavorgaben der Europäischen Union weiteres politisches Handeln gefragt, um den rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmen zu setzen, an dem sich alle Beteiligten orientieren können. Dass das funktionieren kann, sehen wir bei einem Blick auf die Vorreiter der E-Mobility.

Kurzstrecke auf Erfolgskurs

Egal, welche Verkehrsmittel: Auf Kurzstrecken ist die E-Mobilität auf dem Vormarsch. Gerade in Ballungsräumen mit planbaren Routen, niedrigen Geschwindigkeiten und dichtem Ladenetz sind Busse, Fähren, Lieferwagen oder auch Leihfahrzeuge wie E-Roller und E-Bikes für Kommunen und Unternehmen vergleichsweise einfach umzusetzen und wirtschaftlich kalkulierbar. Hier bewähren sich kleinere Fahrzeuge mit leichten Batterien, die an festen Ladestationen, oft über Nacht, auftanken und dann für einen Tag lang auf ihren Strecken autark bleiben. Man denke nur an die Streetscooter der Deutschen Post.  

Norwegen ist eines der Länder in Europa, das die E-Mobilität durch Gesetze und Förderung stark vorantreibt. So sollen zum Beispiel die öffentlichen Verkehrsmittel in der Hauptstadt Oslo bis Ende 2023 komplett elektrifiziert werden. Aber auch in Deutschland steigt das kommunale Klimabewusstsein: Inzwischen rüsten ganze Städte von Verbrennern auf Elektrobusse um, zum Beispiel Schwerin. Die von ABB dafür gelieferte Ladeinfrastruktur steht schon bereit.

„Die Ladeinfrastruktur ist immer die Basis für einen erfolgreichen Umstieg auf E-Mobilität. Mit unserer modularen Produktpalette können wir Konzepte entwickeln, die die individuellen Anforderungen unserer Kunden abbilden.“

Raffael Loock, Spezialist für intelligente Energieverteilung im Vertriebsteam von ABB

Busdepot Schwerin mit ABB Ladeinfrastruktur

Stark im Kommen: Transport auf der Straße

Wie sieht es aber bei den Transportern, Lkw und Sattelschleppern aus? In einer aktuellen Machbarkeitsstudie* mit der Handelskette REWE kam das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) zu einem überraschenden Ergebnis: „Mit den heute verfügbaren Reichweiten (Modelle der Jahre 2021 – 2023) von Batterie-Lkw sind alle Lkw im städtischen Lieferverkehr und fast die Hälfte der Lkw im regionalen Einsatz direkt mit Batterie-Lkw durchführbar.“ Sprich, theoretisch könnte ein Großteil der lokalen und regionalen Lkw-Transporte auf die klimafreundlichere Elektrovariante umgestellt werden. Dabei unterstrich das Fraunhofer ISI aber auch, dass die aktuellen Förderungen und ein steigender CO2-Preis wichtig für die Wirtschaftlichkeit der Fahrzeuge sind.  

Weit von der Umsetzung entfernt sind allerdings noch die e-Highways, also Lkw mit Oberleitung auf Autobahnen für die Langstrecke. Hier fehlt es laut Fraunhofer ISI auch an gesellschaftlicher Akzeptanz. Stärkeren politischen Rückhalt wünscht sich auf jeden Fall ein Großteil der Lkw-Branche: Auf Initiative der European Clean Trucking Alliance haben die wichtigsten europäischen Player, darunter auch ABB, im Oktober 2022 eine gemeinsamen Erklärung abgegeben und rufen die politischen Entscheidungsträger in den EU-Institutionen und den Mitgliedstaaten dazu auf, „sich für den Übergang zum emissionsfreien Lkw-Verkehr zu entscheiden“.

Hintergrundfakten

Im Jahr 2022 waren laut Statista 3,55 Millionen Lkw in Deutschland registriert, davon nur 43.400 mit Elektroantrieb.

Öffentlich im Fokus: Individualverkehr

Inzwischen sind sie auf deutschen Straßen unübersehbar – die Kfz-Kennzeichen mit dem E am Ende. Der Anteil privater Elektro-Pkw wächst in ganz Europa und der Wandel ist in vollem Gange, wie die Beratungsgesellschaft Deloitte in einer aktuellen Verbraucherstudie** feststellt. Denn in fünf der größten europäischen Automobilmärkte will mehr als die Hälfte der Verbraucher beim nächsten Auto weg vom reinen Verbrenner. Voraussetzung: Preis, Reichweite und Lademöglichkeiten stimmen. Norwegen hat auch hier die Nase vorn, da die Regierung seit Jahren erhebliche Fördermittel für die Elektromobilität bereitgestellt hat. Der Druck, im Rest von Europa nachzuziehen, steigt also, insbesondere beim flächendeckenden Ladenetz. Gelingen kann das durch Partnerschaften mit Technologietreibern wie ABB: Sie haben heute schon die technischen Lösungen, um große Projekte mit einer Vielzahl an Ladepunkten und dem entsprechendem Lademanagement umzusetzen.

Shell und ABB errichten bis 2030 weltweit 2,5 Millionen Ladestationen

Zum Artikel

Ein Sonderfall: Schienenverkehr

Konträr zum Kraftfahrzeugverkehr läuft es bei der Schiene: Stadt-, Straßen- und U-Bahnen sind seit Jahrzehnten elektrisch, und auch der Fernverkehr fährt in Deutschland fast zu 100 Prozent mit Strom, denn die Hauptverkehrsstrecken wurden bevorzugt ausgebaut, unter anderem für die schnellen ICE-Züge. Dagegen rauchten 2019 auf mehr als einem Drittel der Regionalstrecken noch Dieselloks. Und diese Strecken alle zu elektrifizieren wäre eine Mammutaufgabe, denn dafür muss die gesamte Strecke kosten- und zeitintensiv mit Oberleitungen ausgestattet werden. Alternativ testet die Deutsche Bahn mit einem Industriepartner deshalb Wasserstoffzüge und entsprechende Tankstellen, um die Dieseltriebwagen ohne aufwendigen Leitungsausbau nach und nach ersetzen zu können.

Hintergrundfakten

74 % aller Zugkilometer werden in Deutschland elektrisch zurückgelegt

Bundesministerium für Digitales und Verkehr

Abseits der Vorreiter müssen sich einige Branchen noch großen Herausforderungen rund um eine klimaneutrale Mobilität stellen. 

Dazu gehören die (internationalen) Langstrecken bei Transport und Touristik. Besonders schwierig gestaltet sich E-Mobility bei der Schifffahrt, egal ob Hochsee-, Binnen- oder Kreuzschifffahrten, und bei Busreisen. Denn begrenzte Reichweiten, die fehlende Ladeinfrastruktur und die großen Maschinen stehen dem reinen Elektroantrieb mit Batterien im Wege oder machen ihn unverhältnismäßig teuer. Auch hier schwenken die Hersteller auf Brennstoffzellentechnik mit Wasserstoff als mögliche Alternative um, ähnlich wie bei der Schiene. Allerdings ist die Technologie überwiegend noch in der Entwicklung und Erprobung. Deshalb werden bevorzugt Hybridlösungen als Übergang eingesetzt. Darüber hinaus brauchen Schiffe auch im Hafen Strom, selbst, wenn sie nicht fahren. Die Stromversorgung mit Landstrom an den Liegeplätzen ist allerdings noch sehr lückenhaft. Um sein UNESCO-Welterbe, die unvergleichliche Fjordlandschaft, besser zu schützen, treibt Norwegen die E-Schifffahrt ebenfalls deutlich voran.

Mobilitätswende in der Schiffahrt

  • Die weltweit größte Elektro-Autofähre „Bastø Electric“ fasst 200 Pkw und fährt im norwegischen Fjord vor Oslo. 
  • Das erste vollelektrische Containerschiff der Welt, „Yara Birkeland“, transportiert Waren in Norwegen.
  • Auf Spree und Havel in Deutschland fährt das erste emissionsfreie Binnenfrachtschiff mit Wasserstoff.
  • Fähren werden auf Hybridlösungen umgerüstet, zum Beispiel auf dem Lago Maggiore mit einer ABB-Lösung.
  • Der Ausbau von Landstrom an Liegestellen für Binnenschiffe wird in Deutschland unter anderem mit Technologien von ABB vorangetrieben.

Lesetipp: Emissionsfreie Schifffahrt: Mit Flüssigsalzreaktoren in die maritime Zukunft?

Vor ähnlichen Entwicklungsaufgaben stehen die Hersteller großer Arbeits- und Nutzfahrzeuge aus der Bau-, Forst- und Landwirtschaft sowie beim Abbau von Rohstoffen in Steinbrüchen und Minen. Hier wird die Fahrzeugenergie nicht in das Bewältigen einer Strecke, sondern in Kraft umgesetzt – zum Beispiel für einen Bagger, der Erde aushebt. Das stellt noch ganz andere Ansprüche an die Batterietechnik, insbesondere aufgrund von Vibrationen und Erschütterungen. Viele Projekte befinden sich im Anfangsstadium und Wirtschaftlichkeit ist noch schwer zu erreichen. Als Technologieführer bietet ABB daher auch nachhaltige Antriebslösungen für schwere Nutzfahrzeuge über und unter Tage.

Fazit: 

E-Mobility ist zweifellos ein enorm wichtiger Bestandteil auf dem Weg zu einer klimaneutralen Mobilität und Teil eines fundamentalen industriellen Wandels, der die Menschheit von der fossilen zur regenerativen Energiegewinnung bringen wird. In wenigen Jahren schon wird sich zeigen, welche Technologien und welche Akteure aus den Sparten Energie, Infrastruktur, Logistik und Mobilität die richtigen Antworten haben. Innovationstreiber wie ABB entwickeln die notwendigen Technologien und sind starke Partner für nachhaltige Forschungsprojekte. Zentral für einen erfolgreichen Wandel ist aber ein Mix aus gesetzlichen Vorgaben und öffentlichen Fördermitteln, um Forschung und Entwicklung voranzutreiben und Unternehmen und Privatpersonen einen wirtschaftlichen Umstieg zu ermöglichen.

* „Lieferverkehr mit Batterie-Lkw: Machbarkeit 2021, Fallbeispiel REWE Group – Region Nordost“, Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI, 76139 Karlsruhe, im Auftrag von Transport & Environment (T&E) / European Climate Foundation (ECF)

** „2022 Global Automotive Consumer Study“, Deloitte